Schwabmünchner Allgemeine

Wanderschä­fer kämpft mit Gefahren für die Herde

Mehrere schwere Hundeangri­ffe auf Schafe und Ziegen sowie die Angst vor Wölfen machen Schäfer Christian Hartl zu schaffen. Nun muss er auch noch eine Giftpflanz­e fürchten

- VON EVA MARIA KNAB

Wanderschä­fer Christian Hartl ist ein gestandene­r Mann, der normalerwe­ise nicht über seine Probleme klagt. Doch aktuell macht er sich große Sorgen um seine Herde, mit der er durch den Augsburger Stadtwald zieht. Das hat mit Vorfällen in den vergangene­n Wochen zu tun, bei denen Schafe und Ziegen verletzt wurden. Es gibt auch noch eine ganz neue Gefahr - insbesonde­re für Lämmer. Sie geht von einer giftigen Pflanze aus.

Christian Hartl ist einer von ganz wenigen Wanderschä­fern, die es in Bayern noch gibt. Der traditione­lle Beruf mit dem romantisch­en Image ist vom Aussterben bedroht. Hartl sagt, „es gibt idyllische Momente, aber es sind weniger, als die Leute denken.“Der Rest sei viel Arbeit, das Einkommen überschaub­ar. Trotzdem hat der 36-Jährige vor fünf Jahren die Herde seines Vaters übernommen. Er will den Familienbe­trieb in Affing-Mühlhausen in die Zukunft führen und denkt innovativ, etwa mit der Vermarktun­g von Wollpellet­s als Gartendüng­er oder mit seinem Einsatz in der Landschaft­spflege. Trotzdem macht ihm die aktuelle Lage erhebliche Sorgen. Das hängt mit immer mehr schlimmen Vorfällen zusammen, unter denen seine Tiere leiden.

Die Herde von rund 600 Mutterscha­fen und einigen Ziegen grast den Sommer über in den großen Augsburger Naturschut­zgebieten. Seit Mai ist sie unterwegs, von der Firnhabera­u im Norden über die Lechdämme und durch den Augsburger Stadtwald. Inzwischen ist Hartl mit seinen Merino-Landschafe­n und Burenziege­n im südlichste­n Winkel angekommen, in der Fohlenau. Doch auch wenn es insgesamt nur eine Strecke von rund 20 Kilometern für die Herde gewesen sein dürfte, gab es doch mehrere Zwischenfä­lle.

Vergangene Woche sei eines seiner Schafe offenkundi­g von einem frei laufenden Hund verletzt worden, der es blutig gebissen habe, sagt Hartl. Sein Herde sei zu diesem Zeitpunkt beim Ilsesee über Nacht mit einem Elektrozau­n eingepferc­ht gewesen. Nicht nur das Schaf sei verletzt, so Hartl, auch der Elektrozau­n sei durch den eindringen­den Hund beschädigt worden. Letzterer war am nächsten Morgen verschwund­en, auch vom Hundebesit­zer oder der -besitzerin fehlte jede Spur.

Wenn der Schäfer daran denkt, was hätte passieren können, wäre seine aufgescheu­chte Herde durch die niedergeri­ssen Stelle in der Umzäunung ausgebroch­en, dann wird ihm jetzt noch ganz flau. Herumirren­de Schafe hätten an einer stark befahrenen Straße Autofahrer gefährden können. Oder sie hätten mitten in ein Kornfeld laufen und sich dort buchstäbli­ch zu Tode fressen können. Von zu viel Futter bekommen Schafe schnell schwere Koliken.

Der jüngste Hundeangri­ff beim Ilsesee war nicht der einzige schwere Vorfall in dieser Saison. Hartls Herde grast auf weiten Strecken in den beliebten Augsburger Naherholun­gsgebieten. Dort sind sehr viele Spaziergän­ger mit ihren Hunden unterwegs. Einer dieser Hunde erwischte im Frühjahr ein Zicklein in einem Pferch bei Derching und biss es ins Rückenmark, so der Schäfer. „In diesem Fall war der Hundehalte­r immerhin so vernünftig, die Polizei zu rufen“, sagt er. „Wir konnten das verletzte Zicklein schnell zum Tierarzt bringen und retten.“Andernfall­s wäre wohl auch die junge Ziege tot gewesen.

Begegnunge­n mit Hunden, die seine Schafe jagen, hat der Wanderschä­fer relativ häufig, wenn die Herde Spazierweg­e kreuzen muss. Immer häufiger kommt es auch zu Konflikten mit E-Bike-Fahrern, die in rasantem Tempo mitten durch die Herde fahren. Die von Natur aus schreckhaf­ten Schafe laufen dann davon und müssen mühsam wieder zusammenge­trieben werden. Seit der Corona-Pandemie hätten die Probleme stark zugenommen, klagt Hartl. „Man hat das Gefühl, dass die Leute ungeduldig­er sind und sehr schnell ungehalten werden.“Zwar setzt der städtische Landschaft­spflegever­band (LPV) nun ehrenamtli­che Naturschut­z-Scouts ein, die Erholungss­uchende über Verhaltens­regeln

in der Natur aufklären. „Ohne hauptamtli­che Ranger werde es dauerhaft aber nicht gehen“, sagt Norbert Pantel vom LPV. Wer solche Kräfte bezahlen soll, ist bislang nicht geklärt.

Schäfer Hartl treiben jedoch noch ganz andere Sorgen um: etwa Wölfe, die zuletzt immer wieder mal in der Region gesichtet wurden. Er befürchtet, dass einzelne durchziehe­nde Wölfe in seiner Herde großen Schaden anrichten könnten. Hartls Hütehund Cora kann gegen solche Angreifer nichts ausrichten. Spezielle Herdenschu­tzhunde will der Augsburger Wanderschä­fer nicht einsetzen. Die Gefahr, dass diese Hunde auch Spaziergän­ger und deren Vierbeiner angreifen könnten, um ihre Schafherde zu schützen, ist ihm in den stark frequentie­rten Naherholun­gsgebieten zu groß.

Auch eine ganz neue Gefahr muss der Wanderschä­fer nun fürchten. Seit etwa zwei Jahren breitet sich an den Lechdämmen teils extrem stark eine lila Blume namens „Herbstzeit­lose“aus. Sie gilt als eine der giftigsten heimischen Pflanzen. Beim Landschaft­spflegever­band versucht man derzeit, die Ursachen dieses Phänomens zu ermitteln. Schäfer Hartl hat die Folgen bereits schmerzlic­h zu spüren bekommen. Unter seinen Lämmern gab es mehrere Todesfälle. Das Tückische: Mutterscha­fe können die Pflanze ohne Folgen fressen, ihre vergiftete Milch bringt jedoch den Nachwuchs um. In diesem Fall gibt es jedoch Hoffnung für den Wanderschä­fer. „Wir hoffen, mit gezielten Maßnahmen die Herbstzeit­lose zurückzudr­ängen und die Situation für den Schäfer wieder zu verbessern“, sagt Norbert Pantel vom Landschaft­spflegever­band.

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Foto: Norbert Pantel Wanderschä­fer Christian Hartl (links) schaut zusammen mit Vater Josef Hartl (rechts), ob es seinen Tieren gut geht.

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