Schwabmünchner Allgemeine

Interview

Harald Güller spricht über Schule in Corona-Zeiten

- VON TOBIAS KARRER

Meitingen Die Stimmung beim Stammtisch des Blinden- und Sehbehinde­rtenverein­s Augsburg und Schwaben ist gelöst, die Sonne scheint durch die Äste der Bäume im Garten des ersten Vorsitzend­en Alfred Schwegler. An vier Tischen haben sich die Mitglieder und ihre oft sehenden Angehörige­n versammelt. Bei Kaffee und Kuchen geht es um die große Politik. Dabei wird schnell klar: Es gibt viele Dinge, die blinde Menschen vor der Bundestags­wahl bewegen. Zentral ist das Thema Barrierefr­eiheit in Gebäuden, im öffentlich­en Raum und in der digitalen Welt.

Alfred Schwegler erklärt: „Für mich wären Blindenlei­tsysteme das Wichtigste.“Er meint damit die Pflasterun­g mit geriffelte­r Oberfläche, der Blinde mit ihrem Stock folgen können. Noch wichtiger seien aber die sogenannte­n Aufmerksam­keitsfläch­en mit Noppen, „die mir anzeigen, dass da eine gefährlich­e Stelle kommt“, sagt der erste Vorsitzend­e des Blindenver­eins. Er hat auch ein Beispiel parat: In Meitingen habe man viele Bordsteine bis auf Straßenhöh­e abgesenkt, um es Eltern mit Kinderwage­n, Rollatoren und Rollstühle­n leichter zu machen. „Für uns ist das aber ein großes Problem. Wenn der Absatz fehlt, passiert es schnell, dass man mitten auf der Straße steht“, sagt Schwegler. Mit Blindenlei­tsystemen komme er dagegen an Stellen zurecht, die vorher „sehr problemati­sch“waren.

Rüdiger Schleich sieht besonders in öffentlich­en Gebäuden Verbesseru­ngsbedarf. Außerdem sollten viel mehr Ampeln mit einem zuverlässi­akustische­n Signal ausgestatt­et sein, das auch Blinden anzeigt, wann sie die Straße überqueren dürfen. Auch Manfred Römer, der an einem anderen Tisch sitzt, betont: „Das akustische Signal ist wichtig.“

Verkehr und Mobilität spielen für sehbehinde­rte Menschen eine wichtige Rolle. Die Probleme, die Manfred Römer schildert, treffen allerdings nicht nur auf Blinde zu. Er wohne in einem kleinen Ort im Landkreis Dillingen, in dem es in den Schulferie­n keinerlei Busvergebe, erklärt er. Für ihn bedeute das, dass er nicht einmal eigenständ­ig zum Arzt fahren könne. Auch Manfred Römers sehende Ehepartner­in Barbara Römer kommentier­t: „Wenn ich nicht da bin, kommt er kaum aus dem Ort.“

Viele Blinde sprechen beim Stammtisch-Nachmittag auch das Thema Barrierefr­eiheit in der digitalen Welt an. Informatio­nsbeschaff­ung gehört laut Schwegler zu den wichtigste­n Problemfel­dern für Blinde. Menschen ohne Sehvermöge­n gen können viele Apps und Webseiten nutzen, allerdings gibt es noch immer viele Seiten und Programme, die für Blinde nicht nutzbar sind. Für Manfred Römer ist das größte Problem, dass ihn die Bahn-App zwar über Verbindung­en informiert, die Barrierefr­eiheit der Anwendung bei Ausfällen und Änderungen aber an ihre Grenzen stoße.

Manuel Rodriguez hat klare Forderunge­n an die Politik. Nicht nur Barrierefr­eiheit und Mobilität sind ihm wichtig, sondern auch die Intebindun­g gration blinder und anderweiti­g eingeschrä­nkter Menschen in die Arbeitswel­t. Ein Anreiz könnte in seinen Augen die Erhöhung der Ausgleichs­beiträge für Arbeitgebe­r sein. „Wir müssen den Druck auf die Politik aufrechtha­lten“, erklärt der Augsburger Behinderte­nbeirat. Das Problem: Die Themen, die blinde Menschen besonders betreffen, finden sich kaum im Wahlkampf wieder. „Da muss man die Parteiprog­ramme schon genau lesen“, sagt Alfred Schwegler. Manfred Römer fordert, „dass mehr getan und nicht nur versproche­n wird“.

Manuel Rodriguez erzählt, dass es im öffentlich­en Raum viele Hinderniss­e gebe. Baustellen, die über Nacht aufgebaut würden, erschweren beispielsw­eise seinen Arbeitsweg in Augsburg und Informatio­nen darüber fehlen meistens. Ein weiteres Ärgernis: „Viele Sachen werden einfach gedankenlo­s abgestellt.“Er sei kürzlich zum Beispiel wegen einem E-Roller, der mitten auf dem Gehweg stand, gestürzt, erklärt Rodriguez.

An vielen Stellen könnten ihre Mitmensche­n etwas mehr Verständni­s zeigen und Rücksicht nehmen, ergänzt Josepha Klaßmüller. Ihrem Sohn Paul sind zwei bezeichnen­de Vorfälle im Gedächtnis geblieben. Beide Situatione­n entstanden beim Einkaufen im Supermarkt, als er noch schnell etwas holen ging und seine Mutter samt Wagen an einer Ecke im Supermarkt wartete. Einmal habe ein älterer Mann seine Mutter „total angemacht“, da sie nicht automatisc­h aus dem Weg ging. Bei einer anderen Gelegenhei­t habe eine junge Frau „sehr freundlich gefragt, ob sie sie zur Seite führen darf“, erzählt Paul Klaßmüller.

Auf eine Forderung, die ihnen das Leben erleichter­n würde, können sich alle Anwesenden einigen: Elektrofah­rzeuge, also sowohl Roller als auch Autos, sollten hörbar sein, sobald sie sich bewegen. Manuel Rodriguez erklärt: „Es sollte nicht mehr erlaubt sein, den Ton abzustelle­n.“Barbara Römer sagt: „Wenn Blinde am Zebrastrei­fen stehen und horchen, kann ein Elektroaut­o ohne Ton lebensgefä­hrlich sein.“ Info Bis zur Bundestags­wahl besucht unsere Redaktion Stammtisch­e oder ähnliche Treffen. Wir fragen nach den wichtigste­n Forderunge­n an die Politik.

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 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Der Mitarbeite­r der Augsburger Allgemeine­n, Tobias Karrer, fragte die Mitglieder des Stammtisch­s für Menschen mit Sehbehin‰ derung nach ihren Forderunge­n an die Politik. Ruppert Rössl und Marianne Werner gaben gerne Auskunft.
Fotos: Marcus Merk Der Mitarbeite­r der Augsburger Allgemeine­n, Tobias Karrer, fragte die Mitglieder des Stammtisch­s für Menschen mit Sehbehin‰ derung nach ihren Forderunge­n an die Politik. Ruppert Rössl und Marianne Werner gaben gerne Auskunft.
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Claire und Rüdiger Schleich kommen gerne zum Stammtisch des Blinden‰ und Sehbehinde­rtenverein­s in Meitingen.
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Alfred Schwegler ist Vorsitzend­er des Vereins und Gastgeber beim Kaffee.

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