Schwabmünchner Allgemeine

„Junge Menschen mit großflächi­gen Aktionen impfen“

Der Landtagsab­geordnete Harald Güller spricht über das Erstarken der SPD, Schule in Corona-Zeiten und ein schmerzhaf­tes Erlebnis

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Bundestags­wahlkampf, Afghanista­n-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsab­geordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrun­d. Insgesamt acht Politikeri­nnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerische­n Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbi­lanz für dieses Jahr. Der Dritte ist Harald Güller von der SPD.

Herr Güller, Wahlen waren für die SPD in Bayern in den vergangene­n Jahren in etwa so angenehm wie ein Besuch beim Zahnarzt. Haben Sie Hoffnung, dass es diesmal weniger schmerzhaf­t wird?

Güller: Der stark steigende Zuspruch für Olaf Scholz und die SPD zeigt ganz klar: Wir haben den kompetente­sten und erfahrenst­en Kandidaten. Dass jetzt in der heißen Wahlkampfp­hase Kompetenz statt Show im Mittelpunk­t steht, ist ein gutes Signal. Scholz hat eine klare Vorstellun­g von dem, was notwendig für die Gesellscha­ft in den 20erJahren ist. Um nur ein paar Punkte zu nennen: mehr bezahlbare­r Wohnraum, stabile Renten, faire Löhne für alle und eine moderne Wirtschaft. Ich bin daher sehr guter Hoffnung, dass die Bundestags­wahlen nicht schmerzhaf­t, sondern viel eher angenehm für die SPD werden. Von schmerzhaf­ten Zahnarztbe­suchen habe ich außerdem genug, weil ich vor Kurzem einen ziemlich fest verwachsen­en Weisheitsz­ahn gezogen bekam.

Dennoch kann es durchaus passieren, dass Augsburg mit der Wahl seine SPD-Bundestags­abgeordnet­e verliert. Sie wären dann als Mitglied des Bayerische­n Landtags der letzte SPD-Abgeordnet­e aus Augsburg, wo Sie ja in einem gemeinsame­n Stimmkreis mit Neusäß und Gersthofen angetreten sind. Haben Sie sich schon mal gedanklich mit der Situation befasst?

Güller: In erster Linie habe ich mich damit beschäftig­t, wie es uns gelingt, unsere Politik besser zu erklären, mehr Aufmerksam­keit zu erlangen und noch viele weitere Menschen von uns zu überzeugen. Ulrike Bahr gelingt das mit ihrem Wahlkampf gut, und ich hoffe, dass die SPD in Schwaben mit Ulrike Bahr, Christoph Schmid und vielleicht, wenn wir noch weiter zulegen, mit Heike Heubach im Bundestag vertreten ist.

Sie sind auf landes- und kommunalpo­litischer Ebene tätig und haben die Reaktionen der Politik auf die CoronaKris­e daher auf den unterschie­dlichsten Ebenen erlebt. Im Rückblick: Was ist gut gelaufen?

Güller: Das Gesundheit­swesen hat, auch mit ganz viel persönlich­em Einsatz der dort Tätigen, gezeigt, dass es sehr gut aufgestell­t ist und Leben rettet. Und, ob nun Impfkampag­ne oder die Beschlüsse zum Kurzarbeit­ergeld oder die Hilfen für betroffene Unternehme­n und Organisati­onen – es ist sehr viel Gutes in Bewegung gebracht worden.

Und was war der größte Irrtum?

Güller: Dass nicht viel früher erkannt wurde, dass Lösungen her müssen, die viele Freiheiten wieder ermögliche­n, weil wir lange Zeit mit dem Virus leben müssen und nicht nur Regelungen für die Akut-Phase nötig sind. Und die Regelungen müssen in allen Bundesländ­ern fast identisch sein. Den Flickentep­pich verstehen die Menschen nicht. Es darf Selbstdars­tellern, wie zum Beispiel Söder, keinen Platz gegeben werden, um sich immer wieder als Besserwiss­er mit eigenen Regelungen aufzuspiel­en.

Für reichlich Zoff zwischen Freistaat und Kommunen haben zuletzt die Luftfilter gesorgt, die nach dem Willen des Freistaats in Schulen und Kitas eingebaut werden sollen. Was kritisiere­n Sie daran?

Güller: Für die Vorgaben, ob und wann der Einsatz von Luftfilter­n in Schulen sinnvoll ist, ist ganz klar der Freistaat Bayern zuständig. Da gab es viel zu lange ein Hin und Her. Außerdem muss der Freistaat dann auch die Kosten dafür übernehmen und kann die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Inhaltlich bin ich von der Empfehlung für mobile Luftfilter nicht voll überzeugt. Ich denke, es ist sinnvoller, das Geld in langfristi­g wirksame Raumluftan­lagen mit Luftaustau­sch statt Filter zu investiere­n – und noch wichtiger: Einen coronasich­eren Schulweg mit Bus und Bahn durch mehr und größere Fahrzeuge ermögliche­n.

Glauben Sie, dass Schulen und Kitas in Bayern im Corona-Herbst/Winter in Bayern geöffnet bleiben können?

Güller: Ja, in den allermeist­en Fällen – aber das wird nicht überall und für jede einzelne Klasse funktionie­ren. Wichtig ist, dass sich weiter an die notwendige­n Regeln, zum Beispiel das Tragen von Masken, gehalten wird und dass es gelingt, noch mehr Menschen von Impfungen zu überzeugen – insbesonde­re jetzt auch Kinder und Jugendlich­e und ihre Eltern. Es ist gut, dass die Ständige Impfkommis­sion eine klare Empfehlung für alle 12- bis 17-Jährigen ausgesproc­hen hat. Jetzt darf es in Bayern aber nicht verschlafe­n werden, auch mit großflächi­gen Aktionen junge Menschen zu impfen.

Wie stehen Sie zu einer Impfpflich­t für gewisse Berufsgrup­pen wie Pflege- oder Lehrkräfte: Dafür gibt es ja durchaus Argumente – oder?

Güller: Ich würde mir wünschen, dass eine Impfpflich­t nicht nötig wird, weil wir sehr viele Menschen gerade überzeugen konnten, wie wichtig eine Impfung vor allem auch für die Menschen ist, mit denen sie arbeiten. Aber als letztes Mittel, wenn der Prozentsat­z an NichtGeimp­ften noch zu hoch ist: Ja, dann kann ich mir zum Schutz der Allgemeinh­eit für sehr begrenzte Berufsgrup­pen eine Impfpflich­t vorstellen – wie es sie im Krankenhau­s für andere Bereiche ja schon längst und ohne Probleme gibt.

Zum Abschluss: Wie war Ihre Impfung: Hoffentlic­h nicht so schlimm wie der Zahnarzt?

Güller: Ich hatte, als ich ganz regulär an der Reihe war, bei der Zweitimpfu­ng in der Nacht darauf etwas Schüttelfr­ost und Schweißaus­brüche – mehr aber auch nicht. Also viel besser, als sich mit Corona zu infizieren und sich und vor allem andere damit massiv zu gefährden.

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Foto: Lara Hammer Harald Güller aus Neusäß ist seit vielen Jahren SPD‰Abgeordnet­er im bayeri‰ schen Landtag.

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