„Junge Menschen mit großflächigen Aktionen impfen“
Der Landtagsabgeordnete Harald Güller spricht über das Erstarken der SPD, Schule in Corona-Zeiten und ein schmerzhaftes Erlebnis
Landkreis Augsburg Bundestagswahlkampf, Afghanistan-Drama: Da gerät die Arbeit der Landtagsabgeordneten aus dem Augsburger Land oft in den Hintergrund. Insgesamt acht Politikerinnen und Politiker von CSU, Freien Wählern, SPD und Grünen aus dem Augsburger Land sitzen im Bayerischen Landtag. In einer kleinen Interview-Serie ziehen wir mit insgesamt vier – für jede Partei eine(r) – eine Zwischenbilanz für dieses Jahr. Der Dritte ist Harald Güller von der SPD.
Herr Güller, Wahlen waren für die SPD in Bayern in den vergangenen Jahren in etwa so angenehm wie ein Besuch beim Zahnarzt. Haben Sie Hoffnung, dass es diesmal weniger schmerzhaft wird?
Güller: Der stark steigende Zuspruch für Olaf Scholz und die SPD zeigt ganz klar: Wir haben den kompetentesten und erfahrensten Kandidaten. Dass jetzt in der heißen Wahlkampfphase Kompetenz statt Show im Mittelpunkt steht, ist ein gutes Signal. Scholz hat eine klare Vorstellung von dem, was notwendig für die Gesellschaft in den 20erJahren ist. Um nur ein paar Punkte zu nennen: mehr bezahlbarer Wohnraum, stabile Renten, faire Löhne für alle und eine moderne Wirtschaft. Ich bin daher sehr guter Hoffnung, dass die Bundestagswahlen nicht schmerzhaft, sondern viel eher angenehm für die SPD werden. Von schmerzhaften Zahnarztbesuchen habe ich außerdem genug, weil ich vor Kurzem einen ziemlich fest verwachsenen Weisheitszahn gezogen bekam.
Dennoch kann es durchaus passieren, dass Augsburg mit der Wahl seine SPD-Bundestagsabgeordnete verliert. Sie wären dann als Mitglied des Bayerischen Landtags der letzte SPD-Abgeordnete aus Augsburg, wo Sie ja in einem gemeinsamen Stimmkreis mit Neusäß und Gersthofen angetreten sind. Haben Sie sich schon mal gedanklich mit der Situation befasst?
Güller: In erster Linie habe ich mich damit beschäftigt, wie es uns gelingt, unsere Politik besser zu erklären, mehr Aufmerksamkeit zu erlangen und noch viele weitere Menschen von uns zu überzeugen. Ulrike Bahr gelingt das mit ihrem Wahlkampf gut, und ich hoffe, dass die SPD in Schwaben mit Ulrike Bahr, Christoph Schmid und vielleicht, wenn wir noch weiter zulegen, mit Heike Heubach im Bundestag vertreten ist.
Sie sind auf landes- und kommunalpolitischer Ebene tätig und haben die Reaktionen der Politik auf die CoronaKrise daher auf den unterschiedlichsten Ebenen erlebt. Im Rückblick: Was ist gut gelaufen?
Güller: Das Gesundheitswesen hat, auch mit ganz viel persönlichem Einsatz der dort Tätigen, gezeigt, dass es sehr gut aufgestellt ist und Leben rettet. Und, ob nun Impfkampagne oder die Beschlüsse zum Kurzarbeitergeld oder die Hilfen für betroffene Unternehmen und Organisationen – es ist sehr viel Gutes in Bewegung gebracht worden.
Und was war der größte Irrtum?
Güller: Dass nicht viel früher erkannt wurde, dass Lösungen her müssen, die viele Freiheiten wieder ermöglichen, weil wir lange Zeit mit dem Virus leben müssen und nicht nur Regelungen für die Akut-Phase nötig sind. Und die Regelungen müssen in allen Bundesländern fast identisch sein. Den Flickenteppich verstehen die Menschen nicht. Es darf Selbstdarstellern, wie zum Beispiel Söder, keinen Platz gegeben werden, um sich immer wieder als Besserwisser mit eigenen Regelungen aufzuspielen.
Für reichlich Zoff zwischen Freistaat und Kommunen haben zuletzt die Luftfilter gesorgt, die nach dem Willen des Freistaats in Schulen und Kitas eingebaut werden sollen. Was kritisieren Sie daran?
Güller: Für die Vorgaben, ob und wann der Einsatz von Luftfiltern in Schulen sinnvoll ist, ist ganz klar der Freistaat Bayern zuständig. Da gab es viel zu lange ein Hin und Her. Außerdem muss der Freistaat dann auch die Kosten dafür übernehmen und kann die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Inhaltlich bin ich von der Empfehlung für mobile Luftfilter nicht voll überzeugt. Ich denke, es ist sinnvoller, das Geld in langfristig wirksame Raumluftanlagen mit Luftaustausch statt Filter zu investieren – und noch wichtiger: Einen coronasicheren Schulweg mit Bus und Bahn durch mehr und größere Fahrzeuge ermöglichen.
Glauben Sie, dass Schulen und Kitas in Bayern im Corona-Herbst/Winter in Bayern geöffnet bleiben können?
Güller: Ja, in den allermeisten Fällen – aber das wird nicht überall und für jede einzelne Klasse funktionieren. Wichtig ist, dass sich weiter an die notwendigen Regeln, zum Beispiel das Tragen von Masken, gehalten wird und dass es gelingt, noch mehr Menschen von Impfungen zu überzeugen – insbesondere jetzt auch Kinder und Jugendliche und ihre Eltern. Es ist gut, dass die Ständige Impfkommission eine klare Empfehlung für alle 12- bis 17-Jährigen ausgesprochen hat. Jetzt darf es in Bayern aber nicht verschlafen werden, auch mit großflächigen Aktionen junge Menschen zu impfen.
Wie stehen Sie zu einer Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen wie Pflege- oder Lehrkräfte: Dafür gibt es ja durchaus Argumente – oder?
Güller: Ich würde mir wünschen, dass eine Impfpflicht nicht nötig wird, weil wir sehr viele Menschen gerade überzeugen konnten, wie wichtig eine Impfung vor allem auch für die Menschen ist, mit denen sie arbeiten. Aber als letztes Mittel, wenn der Prozentsatz an NichtGeimpften noch zu hoch ist: Ja, dann kann ich mir zum Schutz der Allgemeinheit für sehr begrenzte Berufsgruppen eine Impfpflicht vorstellen – wie es sie im Krankenhaus für andere Bereiche ja schon längst und ohne Probleme gibt.
Zum Abschluss: Wie war Ihre Impfung: Hoffentlich nicht so schlimm wie der Zahnarzt?
Güller: Ich hatte, als ich ganz regulär an der Reihe war, bei der Zweitimpfung in der Nacht darauf etwas Schüttelfrost und Schweißausbrüche – mehr aber auch nicht. Also viel besser, als sich mit Corona zu infizieren und sich und vor allem andere damit massiv zu gefährden.