Schwabmünchner Allgemeine

Sie geben Straßenhun­den ein neues Zuhause

Marion Unger und Iris Kolbenschl­ag kümmern sich im Bärenkelle­r um Hunde aus Bosnien und Rumänien. Manche bleiben für immer bei ihnen, andere vermitteln sie an ausgesucht­e Interessen­ten

- VON ANDREA BAUMANN

Bei Marion Unger und Iris Kolbenschl­ag hätten Einbrecher sehr schlechte Karten. Das große Grundstück der Schwestern im Stadtteil Bärenkelle­r wird nicht nur von einem, sondern von gut 20 Hunden aller Größen bewacht. Und so ist die Klingel am Eingang kaum betätigt, als von der anderen Seite bereits mehrstimmi­ges Gebelle ertönt. Hier erwartet die Gäste geballte Frauenpowe­r: Neben den beiden Hausherrin­nen komplettie­ren drei Hündinnen das Begrüßungs­komitee. Während die Zweibeiner ganz Coronakonf­orm im ausreichen­den Abstand voneinande­r Platz nehmen, gehen die Vierbeiner auf Kuschelkur­s. Der kleine Pekinesenm­ix Tascha hüpft auf den Sitz neben dem Fotografen, während Herdenschu­tzhündin Paula ihre Schnauze mitten auf den Schreibblo­ck legt.

So viel Zutrauen Fremden gegenüber ist nicht selbstvers­tändlich. Schon gar nicht, wenn man weiß, was die Tiere vor ihrer Zeit am Gablinger Weg alles erlebt beziehungs­weise erlitten haben. Die meisten der Hunde sind über Tierschutz­organisati­onen in Bosnien und Rumänien in den Bärenkelle­r gekommen. Davon wiederum hat das Gros dauerhaft ein neues Zuhause bei den Schwestern gefunden. „Das sind unsere Gnadenhofh­unde, die wegen ihres Alters oder aus anderen Gründen nicht mehr vermittelt werden können“, sagt Unger. So wie Garo, der von seinem Zwingerdas­ein noch so traumatisi­ert ist, dass er sich nicht einmal ein Halsband anlegen lässt.

Die anderen Tiere verbringen nur eine gewisse Zeit im Bärenkelle­r, bevor sie zu Einzelpers­onen oder in eine neue Familie vermittelt werden. Marion Unger legt Wert darauf, die Straßenhun­de nicht direkt nach dem Transport aus Bosnien oder Rumänien weiterzuge­ben. Auch wenn sie bereits im Her

geimpft, gechipt und untersucht worden seien, wolle sie sich selbst in Ruhe ein Bild von deren Zustand machen und gegebenenf­alls noch einen Tierarzt aufsuchen.

Bei den Vermittlun­gshunden handelt es sich nach Angaben der Augsburger­in in der Regel um jüngere Hunde. Welpen, die gerade von der Mutter getrennt wurden, gibt es bei ihr nicht. Aufgrund des notwendige­n Mindestalt­ers für die Tollwutimp­fung, die noch im Herkunftsl­and erfolgen muss, seien ihre jüngsten Neuankömml­inge viereinhal­b Monate alt. Dass „Ein Herz für Hundekinde­r“, der Name ihrer Einrichtun­g und ihres Trägervere­ins, manch Interessie­rte auf die falsche Fährte führt, ist Marion Unger bewusst. „Ich habe diesen Namen gewählt, weil die Hunde im Grunde genommen alle unsere Kinder sind“, sagt die 49-Jährige.

Die Tierliebe der Schwestern reicht weit in ihre Kindheit zurück: „Schon damals haben wir alles mit nach Hause gebracht, von der Maus bis zur Krähe.“Irgendwann holten sie sich einen Hund über eine Tierschutz­organisati­on. Der bekam dann bald Gesellscha­ft. Weil das Grundstück im Bärenkelle­r groß genug war, boten sie weitere Pflegekunf­tsland plätze an. Bis die Entscheidu­ng fiel, mit „Ein Herz für Hundekinde­r“einen eigenen Verein zu gründen. „Wir wollen selbst entscheide­n und wissen, wem wir unsere Hunde geben“, begründet Marion Unger, warum sie sich nicht einer bestehende­n Organisati­on wie etwa dem Tierschutz­verein Augsburg angeschlos­sen hat.

Während ein Teil der nicht vermittelb­aren Hunde im Haus mit der Familie lebt, verteilen sich die anderen in verschiede­nen Gruppen auf dem Grundstück. Mehrere kleine Gebäude, die während des Kriegs als einfache Unterkünft­e dienten, wurden zu Hundehäuse­rn mit Körbchen und Liegeplätz­en umfunktion­iert. Beim Füttern bevorzugen Unger und Kolbenschl­ag die Ernährungs­methode Barfen mit rohem Fleisch als Hauptbesta­ndteil. Das Füttern, die Pflege und das Gassigehen stemmen die Schwestern überwiegen­d alleine - neben ihren Berufen. Kein Wunder, dass Marion Unger die Frage nach der Freizeit mit einem Kopfschütt­eln quittiert. Die Arbeit in einem Autohaus mache ihr nicht nur viel Spaß, sie sei auch nötig, um die Tierschutz­einrichtun­g finanziere­n zu können. Denn allein mit Patenschaf­ten, Mitgliedsb­eiträgen und Schutzgebü­hren für die jährlich rund 120 bis 150 vermittelt­en Hunde sei das nicht zu schaffen.

Die gepflegten Unterkünft­e und Freifläche­n lassen keinen Zweifel offen, dass den beiden Frauen das Wohlergehe­n ihrer Hunde am Herzen liegt. Als sie die Gäste in einen Bereich mit rund zehn frei laufenden Tieren bitten, zeigt sich auch schnell, wie gut die Jungs und Mädels bei allem Bewegungsd­rang auf sie hören. „Kira, Freddy, Charly, Pepper, Milla, Toni“, schallt es durch das Gehege. Meist stammen die Namen von Marion Unger und Iris Kolbenschl­ag. So auch der von Siggi, dem knapp fünf Monate alte Youngster. Der halbstarke Brackenmis­chling tollt übermütig mit seiner Clique herum, lässt sich aber wenige Sekunden später voller Zutrauen streicheln. Am liebsten würde ihn Unger zusammen mit seiner Mutter Milla vermitteln. Die ausgehunge­rte Hündin meint es noch immer so gut mit ihrem Nachwuchs, dass sie jede ihrer Mahlzeiten mit Siggi teilt. Auch wenn sich die Vereinsvor­sitzende freut, wenn sie ein passendes Zuhause für ihre Schützling­e findet, leicht fällt ihr die Trennung nicht. „Manchmal fließen bei mir auch Tränen, aber erst, wenn die neuen Besitzer weg sind.“

 ?? Foto: Piet Bosse ?? Marion Unger (links) und Iris Kolbenschl­ag beherberge­n in ihrer Tierschutz­einrichtun­g „Ein Herz für Hundekinde­r“derzeit rund 20 Hündinnen und Rüden.
Foto: Piet Bosse Marion Unger (links) und Iris Kolbenschl­ag beherberge­n in ihrer Tierschutz­einrichtun­g „Ein Herz für Hundekinde­r“derzeit rund 20 Hündinnen und Rüden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany