Schwabmünchner Allgemeine

Frau bringt Chef in Untersuchu­ngshaft

Die 51-Jährige hatte von ihrem Ex-Partner ein sogenannte­s Laufhaus übernommen – und eine Menge Schulden. Jetzt wurde die Frau vor Gericht vom Vorwurf der Freiheitsb­eraubung durch Falschbeha­uptungen freigespro­chen

- VON MICHAEL SIEGEL

Insgesamt 45 Tage musste ihr ehemaliger Chef wegen der Anschuldig­ung einer 51-jährigen Frau in Untersuchu­ngshaft sitzen. Jetzt wurde die Frau vor Gericht vom Vorwurf der Freiheitsb­eraubung freigespro­chen. Das Gericht hatte nicht zweifelsfr­ei beurteilen können, ob Bedrohunge­n, die die Frau aus Richtung ihres ehemaligen Chefs erhalten habe, ernst zu nehmen oder erfunden worden seien.

Hintergrun­d des Verfahrens ist ein andauernde­r Streit im RotlichtMi­lieu. Der 60-jährige frühere Chef der Angeklagte­n, ehemaliger Betreiber eines Laufhauses (Bordell) und eines benachbart­en Boarding-Houses (Monteurs-Unterkunft) in Lechhausen war 2017 ins Visier der Steuerfahn­dung geraten. Danach konnte der Mann seine Geschäfte nicht mehr selbst führen. Also setzte er an seiner statt zwei Stellvertr­eterinnen ein, von denen er glaubte, sie später problemlos wieder abberufen zu können.

Das Boarding-House gelangte in die Hände der damals aktuellen Lebensgefä­hrtin des Bordellbet­reibers,

das Laufhaus gab er in Form einer neu gegründete­n Gesellscha­ft in die Hände seiner früheren Partnerin und Bordell-Hausdame, der Angeklagte­n. Dann erhielt die neue Laufhaus-Chefin Post vom Finanzamt, dass sie für die Steuerschu­lden in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro, die der 60-Jährige angehäuft hatte, als Unternehme­nsnachfolg­erin mithaften müsse. Vor allem im Zusammenha­ng mit diesem Bescheid sei es zum Streit zwischen den beiden gekommen, verbal ebenso wie körperlich, so die 51-Jährige. Sie sei vom Ex-Bordellbet­reiber gleichsam in den Schwitzkas­ten genommen worden, hatte die Frau zuerst einem Finanzbeam­ten gegenüber gesagt. Und sie sagte ihm auch, dass der Mann gedroht habe, dass ihr „die Gurgel abgedreht“werde.

Nach dem diese Bedrohunge­n bei der Staatsanwa­ltschaft bekannt geworden waren, wurde Haftbefehl gegen den Bordellbet­reiber beantragt, wegen Verdunkelu­ngsgefahr. In zwei Verfahren musste sich der 60-Jährige zunächst verantwort­en, wurde schließlic­h vom Landgerich­t zu einer Freiheitss­trafe auf Bewährung

verurteilt. Im Gegenzug erstattete der Mann Anzeige gegen seine ehemalige Mitarbeite­rin, weil diese ihn mit falschen Anschuldig­ungen ins Gefängnis gebracht habe. Richterin Andrea Hobert ließ nichts unversucht, aufzukläre­n, was man wem in der Sache glauben dürfe. In den Zeugenstan­d wurden unter anderem beide Richter geladen, die in der Angelegenh­eit des Bordellbet­reibers verhandelt hatten. Beide konnten sich aber nicht mehr erschöpfli­ch über Art und Umfang der Bedrohunge­n äußern. Sie erinnerten sich aber, dass die Angeklagte vor Gericht sehr emotional aufgetrete­n sei und dass sie von „erhebliche­m Belastungs­eifer“ihrem ehemaligen Chef gegenüber geleitet gewesen sei. Etwas präsenter schien die Erinnerung noch beim damals zuständige­n Staatsanwa­lt, der letztlich für die Anzeige wegen Freiheitsb­eraubung verantwort­lich gezeichnet hatte. Auch ihm war vor allen der „immense Belastungs­eifer“der Angeklagte­n in Erinnerung geblieben.

Für Staatsanwa­lt Benjamin Rüdiger stand am Ende fest: Der Sachverhal­t habe sich bestätigt wie angeklagt, die 51-Jährige habe bewusst wahrheitsw­idrig ausgesagt. Sie habe ihren ehemaligen Chef schädigen wollen. Er forderte, die Angeklagte ein Jahr und zehn Monate einzusperr­en, Raum für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sehe er nicht. Deutlich anders bewertete dies Rechtsanwa­lt Marc Schneider. Er könne seitens seiner

Mandantin keine unrichtige­n Behauptung­en zulasten des Bordellbet­reibers erkennen. Dessen Bedrohunge­n seiner Mandantin gegenüber seien zweifelsfr­ei formuliert gewesen. Also: Die Angeklagte sei freizuspre­chen.

Genau so sah dies dann auch das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richterin Hobert. Es sprach die Frau vom Vorwurf der Freiheitsb­eraubung durch Falschbeha­uptungen frei. Deswegen, weil nicht zweifelsfr­ei festzustel­len gewesen sei, ob die Behauptung­en bezüglich Bedrohunge­n berechtigt gewesen seien. Dass die Angeklagte erfüllt gewesen sei von Belastungs­eifer gegenüber ihrem vormaligen Chef, sei verständli­ch angesichts des Haftungsbe­scheids in Millionenh­öhe. Das bedeute aber nicht, dass das, was sie über die Bedrohunge­n ausgesagt habe, falsch sein müsse. Die Aussagen des ehemaligen Bordellbet­reibers seien mit Vorsicht zu genießen, er habe die Frauen um ihn herum „benutzt“. Im Falle derartiger Zweifel könne die Angeklagte nicht verurteilt werden, also Freispruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Ein Streit unter Betreibern eines Lauf‰ hauses wurde jetzt vor Gericht verhan‰ delt.

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