Frau bringt Chef in Untersuchungshaft
Die 51-Jährige hatte von ihrem Ex-Partner ein sogenanntes Laufhaus übernommen – und eine Menge Schulden. Jetzt wurde die Frau vor Gericht vom Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Falschbehauptungen freigesprochen
Insgesamt 45 Tage musste ihr ehemaliger Chef wegen der Anschuldigung einer 51-jährigen Frau in Untersuchungshaft sitzen. Jetzt wurde die Frau vor Gericht vom Vorwurf der Freiheitsberaubung freigesprochen. Das Gericht hatte nicht zweifelsfrei beurteilen können, ob Bedrohungen, die die Frau aus Richtung ihres ehemaligen Chefs erhalten habe, ernst zu nehmen oder erfunden worden seien.
Hintergrund des Verfahrens ist ein andauernder Streit im RotlichtMilieu. Der 60-jährige frühere Chef der Angeklagten, ehemaliger Betreiber eines Laufhauses (Bordell) und eines benachbarten Boarding-Houses (Monteurs-Unterkunft) in Lechhausen war 2017 ins Visier der Steuerfahndung geraten. Danach konnte der Mann seine Geschäfte nicht mehr selbst führen. Also setzte er an seiner statt zwei Stellvertreterinnen ein, von denen er glaubte, sie später problemlos wieder abberufen zu können.
Das Boarding-House gelangte in die Hände der damals aktuellen Lebensgefährtin des Bordellbetreibers,
das Laufhaus gab er in Form einer neu gegründeten Gesellschaft in die Hände seiner früheren Partnerin und Bordell-Hausdame, der Angeklagten. Dann erhielt die neue Laufhaus-Chefin Post vom Finanzamt, dass sie für die Steuerschulden in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro, die der 60-Jährige angehäuft hatte, als Unternehmensnachfolgerin mithaften müsse. Vor allem im Zusammenhang mit diesem Bescheid sei es zum Streit zwischen den beiden gekommen, verbal ebenso wie körperlich, so die 51-Jährige. Sie sei vom Ex-Bordellbetreiber gleichsam in den Schwitzkasten genommen worden, hatte die Frau zuerst einem Finanzbeamten gegenüber gesagt. Und sie sagte ihm auch, dass der Mann gedroht habe, dass ihr „die Gurgel abgedreht“werde.
Nach dem diese Bedrohungen bei der Staatsanwaltschaft bekannt geworden waren, wurde Haftbefehl gegen den Bordellbetreiber beantragt, wegen Verdunkelungsgefahr. In zwei Verfahren musste sich der 60-Jährige zunächst verantworten, wurde schließlich vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung
verurteilt. Im Gegenzug erstattete der Mann Anzeige gegen seine ehemalige Mitarbeiterin, weil diese ihn mit falschen Anschuldigungen ins Gefängnis gebracht habe. Richterin Andrea Hobert ließ nichts unversucht, aufzuklären, was man wem in der Sache glauben dürfe. In den Zeugenstand wurden unter anderem beide Richter geladen, die in der Angelegenheit des Bordellbetreibers verhandelt hatten. Beide konnten sich aber nicht mehr erschöpflich über Art und Umfang der Bedrohungen äußern. Sie erinnerten sich aber, dass die Angeklagte vor Gericht sehr emotional aufgetreten sei und dass sie von „erheblichem Belastungseifer“ihrem ehemaligen Chef gegenüber geleitet gewesen sei. Etwas präsenter schien die Erinnerung noch beim damals zuständigen Staatsanwalt, der letztlich für die Anzeige wegen Freiheitsberaubung verantwortlich gezeichnet hatte. Auch ihm war vor allen der „immense Belastungseifer“der Angeklagten in Erinnerung geblieben.
Für Staatsanwalt Benjamin Rüdiger stand am Ende fest: Der Sachverhalt habe sich bestätigt wie angeklagt, die 51-Jährige habe bewusst wahrheitswidrig ausgesagt. Sie habe ihren ehemaligen Chef schädigen wollen. Er forderte, die Angeklagte ein Jahr und zehn Monate einzusperren, Raum für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sehe er nicht. Deutlich anders bewertete dies Rechtsanwalt Marc Schneider. Er könne seitens seiner
Mandantin keine unrichtigen Behauptungen zulasten des Bordellbetreibers erkennen. Dessen Bedrohungen seiner Mandantin gegenüber seien zweifelsfrei formuliert gewesen. Also: Die Angeklagte sei freizusprechen.
Genau so sah dies dann auch das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Hobert. Es sprach die Frau vom Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Falschbehauptungen frei. Deswegen, weil nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen sei, ob die Behauptungen bezüglich Bedrohungen berechtigt gewesen seien. Dass die Angeklagte erfüllt gewesen sei von Belastungseifer gegenüber ihrem vormaligen Chef, sei verständlich angesichts des Haftungsbescheids in Millionenhöhe. Das bedeute aber nicht, dass das, was sie über die Bedrohungen ausgesagt habe, falsch sein müsse. Die Aussagen des ehemaligen Bordellbetreibers seien mit Vorsicht zu genießen, er habe die Frauen um ihn herum „benutzt“. Im Falle derartiger Zweifel könne die Angeklagte nicht verurteilt werden, also Freispruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.