Wie die Spitzenkandidaten das KanzlerTriell bewerten
Die Augsburger Abgeordneten haben die TV-Debatte verfolgt - dabei aber ganz unterschiedliche Dinge gesehen
Der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich hat das Fernseh-Triell um die Kanzlerschaft am Sonntagabend nur zum Teil verfolgen können. Er hatte einen Termin bei der Jungen Union und schaute dann in der Nacht den Rest nach. Das, was er gesehen hat, stimmt ihn zufrieden. Der CDUKandidat Armin Laschet sei vor der Sendung, so ehrlich müsse man sein, in der Defensive gewesen, sagt Ullrich. Doch er habe sich angriffslustig und streitbar gezeigt, wie es bei einem harten Ringen um die Sache auch erforderlich sei. Laschet ist für den Augsburger CSU-Mann der Gewinner der ersten Fernsehdebatte seine Konkurrentinnen von SPD und Grünen in Augsburg sehen das natürlich anders.
Ulrike Bahr schaute sich mit ihrer Familie das Triell an. Die Augsburger SPD-Politikerin, die erneut für den Bundestag kandidiert, findet, es habe bei der ersten Fernsehdebatte zwischen Olaf Scholz (SPD), Armin
Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) keine wirkliche Überraschung gegeben, aber eines sei ihr aufgefallen. „Während Laschet und Baerbock aufgeregt und hektisch waren, sich aneinander rieben und stritten, hat sich Olaf Scholz überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen“, meint Bahr. Sein Auftritt sei authentisch, souverän und kompetent gewesen. „Natürlich ist der Druck auf alle drei sehr groß, aber die Frage ist, wie man mit dem Druck umgeht.“CDUKandidat Armin Laschet, so ihre Beobachtung, sei im Verlauf der Debatte immer unruhiger und nervöser geworden. Bei Annalena Baerbock habe sie konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschutzes vermisst. „Es wurde nicht klar, wie die Menschen dabei mitgenommen werden sollen“, kritisiert die 56-Jährige.
Dass Olaf Scholz auch auf Druck von Armin Laschet in der Diskussion eine Koalition mit der Linken nicht per se ausschließen wollte, sondern an inhaltliche Bedingungen knüpfte, begrüßt Ulrike Bahr. „Er hat sich nicht aus der Reserve locken lassen, sondern macht eine Entscheidung an den Inhalten von Koalitionsgesprächen fest, wenn es dazu kommt.“Als motivierend empfindet es Bahr, dass laut einer Forsa-Umfrage 36 Prozent der Zuschauer nach der TV-Debatte Olaf Scholz als Gewinner sahen (Baerbock lag bei 30, Laschet bei 25 Prozent). Auch Volker Ullrich, 45, der sich in Augsburg schon zweimal das Direktmandat für den Bundestag gesichert hat, kennt die Umfrage. Man dürfe sie aber nicht überbewerten, meint er. Es sei eine Onlineumfrage gewesen - damit beteiligten sich automatisch mehr Menschen, die das Internet intensiver nutzen. Und die Debatte sei im Privatfernsehen gelaufen. Eventuell seien hier weniger Stammwähler der Union unter den Zuschauern.
Ullrich sagt, Laschet sei es vor allem gelungen, die Unterschiede der Parteien herauszuarbeiten etwa bei der Steuerpolitik, bei der die Union anders als SPD und Grüne gegen eine Erhöhung von Steuern sei. Klar sei auch geworden, dass weder SPD noch Grüne eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen. Gedanken darüber, wie sich CSUChef Markus Söder im „Triell“mit Baerbock und Scholz geschlagen hätte, will sich Ullrich nicht machen. Die Augsburger CSU habe Söder im unionsinternen Kampf um die Kanzlerkandidatur natürlich unterstützt. Nun aber stehe man hinter Laschet. Parteiintern, so Ullrich, sei die Stimmung nach der TV-Debatte deutlich besser als noch in den Tagen zuvor.
Ganz anders freilich bewertet die Augsburger Grünen-Politikerin Claudia Roth das Auftreten der Kandidatin und der Kandidaten, die ihrer Meinung nach unterschiedlicher nicht sein können. Die Direktkandidatin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages beschreibt Laschet als „gönnerhaft und selbstgewiss“, Scholz als „unkonkret“. „Den Verwaltern des Status quo stand eine kämpferische, kompetente und empathische Annalena Baerbock gegenüber“, urteilt Roth, die den CDUKanzlerkandidaten als „atemberaubend ignorant“gegenüber den großen Herausforderungen, wie der Klimakrise, Infrastrukturaufbau, moderne und zukunftsorientierte Verkehrspolitik oder sozialer Gerechtigkeit bewertet. Laschet habe vor allem die Reichen und die Industrie im Blick, die Menschen hingegen null.
„Angesichts seiner weltfremden Vorstellung von den Problemen der Kinder aus Hartz-IV-Familien hat ihn Annalena Baerbock regelrecht deklassiert“, so Claudia Roth. Scholz, das konstatiert die 66-Jährige, habe in der Debatte kaum einen Impuls gezeigt, wie er Politik gestalten wolle. Roths Fazit: „Der Ambitionslosigkeit der Großen Koalition blies beim ersten Triell der Wind der Veränderung entgegen.“