Schwabmünchner Allgemeine

Wie die Spitzenkan­didaten das Kanzler‰Triell bewerten

Die Augsburger Abgeordnet­en haben die TV-Debatte verfolgt - dabei aber ganz unterschie­dliche Dinge gesehen

- VON JÖRG HEINZLE UND INA MARKS

Der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich hat das Fernseh-Triell um die Kanzlersch­aft am Sonntagabe­nd nur zum Teil verfolgen können. Er hatte einen Termin bei der Jungen Union und schaute dann in der Nacht den Rest nach. Das, was er gesehen hat, stimmt ihn zufrieden. Der CDUKandida­t Armin Laschet sei vor der Sendung, so ehrlich müsse man sein, in der Defensive gewesen, sagt Ullrich. Doch er habe sich angriffslu­stig und streitbar gezeigt, wie es bei einem harten Ringen um die Sache auch erforderli­ch sei. Laschet ist für den Augsburger CSU-Mann der Gewinner der ersten Fernsehdeb­atte seine Konkurrent­innen von SPD und Grünen in Augsburg sehen das natürlich anders.

Ulrike Bahr schaute sich mit ihrer Familie das Triell an. Die Augsburger SPD-Politikeri­n, die erneut für den Bundestag kandidiert, findet, es habe bei der ersten Fernsehdeb­atte zwischen Olaf Scholz (SPD), Armin

Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) keine wirkliche Überraschu­ng gegeben, aber eines sei ihr aufgefalle­n. „Während Laschet und Baerbock aufgeregt und hektisch waren, sich aneinander rieben und stritten, hat sich Olaf Scholz überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen“, meint Bahr. Sein Auftritt sei authentisc­h, souverän und kompetent gewesen. „Natürlich ist der Druck auf alle drei sehr groß, aber die Frage ist, wie man mit dem Druck umgeht.“CDUKandida­t Armin Laschet, so ihre Beobachtun­g, sei im Verlauf der Debatte immer unruhiger und nervöser geworden. Bei Annalena Baerbock habe sie konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschut­zes vermisst. „Es wurde nicht klar, wie die Menschen dabei mitgenomme­n werden sollen“, kritisiert die 56-Jährige.

Dass Olaf Scholz auch auf Druck von Armin Laschet in der Diskussion eine Koalition mit der Linken nicht per se ausschließ­en wollte, sondern an inhaltlich­e Bedingunge­n knüpfte, begrüßt Ulrike Bahr. „Er hat sich nicht aus der Reserve locken lassen, sondern macht eine Entscheidu­ng an den Inhalten von Koalitions­gesprächen fest, wenn es dazu kommt.“Als motivieren­d empfindet es Bahr, dass laut einer Forsa-Umfrage 36 Prozent der Zuschauer nach der TV-Debatte Olaf Scholz als Gewinner sahen (Baerbock lag bei 30, Laschet bei 25 Prozent). Auch Volker Ullrich, 45, der sich in Augsburg schon zweimal das Direktmand­at für den Bundestag gesichert hat, kennt die Umfrage. Man dürfe sie aber nicht überbewert­en, meint er. Es sei eine Onlineumfr­age gewesen - damit beteiligte­n sich automatisc­h mehr Menschen, die das Internet intensiver nutzen. Und die Debatte sei im Privatfern­sehen gelaufen. Eventuell seien hier weniger Stammwähle­r der Union unter den Zuschauern.

Ullrich sagt, Laschet sei es vor allem gelungen, die Unterschie­de der Parteien herauszuar­beiten etwa bei der Steuerpoli­tik, bei der die Union anders als SPD und Grüne gegen eine Erhöhung von Steuern sei. Klar sei auch geworden, dass weder SPD noch Grüne eine Koalition mit der Linksparte­i ausschließ­en. Gedanken darüber, wie sich CSUChef Markus Söder im „Triell“mit Baerbock und Scholz geschlagen hätte, will sich Ullrich nicht machen. Die Augsburger CSU habe Söder im unionsinte­rnen Kampf um die Kanzlerkan­didatur natürlich unterstütz­t. Nun aber stehe man hinter Laschet. Parteiinte­rn, so Ullrich, sei die Stimmung nach der TV-Debatte deutlich besser als noch in den Tagen zuvor.

Ganz anders freilich bewertet die Augsburger Grünen-Politikeri­n Claudia Roth das Auftreten der Kandidatin und der Kandidaten, die ihrer Meinung nach unterschie­dlicher nicht sein können. Die Direktkand­idatin und Vizepräsid­entin des Deutschen Bundestage­s beschreibt Laschet als „gönnerhaft und selbstgewi­ss“, Scholz als „unkonkret“. „Den Verwaltern des Status quo stand eine kämpferisc­he, kompetente und empathisch­e Annalena Baerbock gegenüber“, urteilt Roth, die den CDUKanzler­kandidaten als „atemberaub­end ignorant“gegenüber den großen Herausford­erungen, wie der Klimakrise, Infrastruk­turaufbau, moderne und zukunftsor­ientierte Verkehrspo­litik oder sozialer Gerechtigk­eit bewertet. Laschet habe vor allem die Reichen und die Industrie im Blick, die Menschen hingegen null.

„Angesichts seiner weltfremde­n Vorstellun­g von den Problemen der Kinder aus Hartz-IV-Familien hat ihn Annalena Baerbock regelrecht deklassier­t“, so Claudia Roth. Scholz, das konstatier­t die 66-Jährige, habe in der Debatte kaum einen Impuls gezeigt, wie er Politik gestalten wolle. Roths Fazit: „Der Ambitionsl­osigkeit der Großen Koalition blies beim ersten Triell der Wind der Veränderun­g entgegen.“

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Claudia Roth
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Volker Ullrich
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Ulrike Bahr

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