Endlich hat die Kulturbranche wieder eine Perspektive Leitartikel
Die Abstandsregeln haben das kulturelle Leben nahezu stillgelegt. Das soll sich nun ändern – auch wenn manche Probleme noch in den Details liegen
Nun also endlich auch in Bayern: Kulturleben, wie wir es früher einmal vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie kannten, wird wieder möglich. Die Abstandsregel ist vom Tisch, wenn die Veranstalter bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen künftig auf Masken setzen. Säle können wieder voll belegt werden, Konzerte, Lesungen, ComedyShows, große Gastspiele, all das kann sich wieder rechnen. Endlich kommt eine staatliche Reaktion, die berücksichtigt, dass schon ein Großteil der Bevölkerung (wie viel genau, weiß ja niemand mehr; nur, dass die offizielle Zahl zu niedrig angesetzt ist) bereits geimpft ist und die anderen sich jederzeit impfen lassen könnten. Noch länger strikte Corona-Regeln wären nach dem in Deutschland eingeschlagenen Weg nicht mehr zu vermitteln.
Und es ist dafür höchste Zeit. Ein Blick zum Beispiel nach Österreich zeigt, dass es dort bei den Salzburger Festspielen auch bei voller Saalbelegung keine Infektionscluster gegeben hat. Je länger Corona-Maßnahmen wie die Abstandsregeln gelten, desto schwieriger wird es, sie wieder aus den Köpfen der Besucher und Besucherinnen zu bekommen.
Die große Verunsicherung und auch die Angst vor dem Virus in der Bevölkerung verschwinden ja nicht von heute auf morgen. Diejenigen, die sich in der Menge und mit vielen Menschen unwohl fühlen, bleiben zu Hause. Auf Veranstalterseite ist noch lange nicht ausgemacht, ob das Schlimmste bereits geschafft ist. Denn oft genug ist zu hören, dass die Bangigkeit des Publikums im Vorverkauf deutlich zu spüren sei.
Keine Maßnahme ist so stark beklagt worden und hat für so viel Probleme im Kulturbereich gesorgt wie die Abstandsregel. Das fing schon während des Probens und auf der Bühne an, weil die anderthalb Meter auch dort einzuhalten waren: Chöre zum Beispiel konnten nicht mehr gemeinsam gruppiert werden, Orchester nicht mehr wie gewohnt nebeneinandersitzen, das Zusammenspiel war extrem erschwert. Die Theater, die Konzert- und Stadthallen durften die Zuschauerräume – grob gesagt – nur zu einem Viertel nutzen. Ein privater Theatermacher in Augsburg hat das einmal griffig auf den Punkt gebracht: Spielen wir wenig, machen wir Verlust,
spielen wir öfter, machen wir viel Verlust.
Von jetzt an hat das kulturelle Leben wieder eine Perspektive, können Künstler und Künstlerinnen, aber auch Veranstalter und Veranstalterinnen wieder im alten Maßstab planen. Wobei sich noch genügend Hindernisse auftun. Etwa, dass sich die Corona-Regeln teilweise von Bundesland zu Bundesland deutlich unterscheiden. In Baden-Württemberg und Bayern können bis zu 5000 Plätze ohne Abstandsregeln genutzt werden, in Berlin zum Beispiel gilt für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen noch eine Obergrenze von 1000 Besuchern und Besucherinnen. Das macht es kompliziert, größere Tourneen zu planen. Für den internationalen Reiseverkehr gelten noch einmal gesonderte Regeln und manchmal auch Quarantäne-Bestimmungen, sodass die internationalen Gastspiele auch noch nicht gleich wieder voll in die Gänge kommen können.
Manche Probleme stecken in den Details, wie sich zum Beispiel bei den Kinos zeigt, weil dort auch Popcorn und Cola ein wichtiger Teil der Einnahmen sind und sie sich deshalb weiterhin für die Abstandsregel entscheiden, um den Verzehr im Saal zu ermöglichen. Ein normales Kulturleben wird es erst wieder geben, wenn es keine Einschränkungen mehr gibt, die Ängste sich gelegt haben und die Menschen beim Kino-, Theaterund Konzertbesuch nicht mehr an die Krankheit, sondern an die Kunst denken.
Hindernisse tun sich immer noch genug auf