Schwabmünchner Allgemeine

Endlich hat die Kulturbran­che wieder eine Perspektiv­e Leitartike­l

Die Abstandsre­geln haben das kulturelle Leben nahezu stillgeleg­t. Das soll sich nun ändern – auch wenn manche Probleme noch in den Details liegen

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger‰allgemeine.de

Nun also endlich auch in Bayern: Kulturlebe­n, wie wir es früher einmal vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie kannten, wird wieder möglich. Die Abstandsre­gel ist vom Tisch, wenn die Veranstalt­er bei Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen künftig auf Masken setzen. Säle können wieder voll belegt werden, Konzerte, Lesungen, ComedyShow­s, große Gastspiele, all das kann sich wieder rechnen. Endlich kommt eine staatliche Reaktion, die berücksich­tigt, dass schon ein Großteil der Bevölkerun­g (wie viel genau, weiß ja niemand mehr; nur, dass die offizielle Zahl zu niedrig angesetzt ist) bereits geimpft ist und die anderen sich jederzeit impfen lassen könnten. Noch länger strikte Corona-Regeln wären nach dem in Deutschlan­d eingeschla­genen Weg nicht mehr zu vermitteln.

Und es ist dafür höchste Zeit. Ein Blick zum Beispiel nach Österreich zeigt, dass es dort bei den Salzburger Festspiele­n auch bei voller Saalbelegu­ng keine Infektions­cluster gegeben hat. Je länger Corona-Maßnahmen wie die Abstandsre­geln gelten, desto schwierige­r wird es, sie wieder aus den Köpfen der Besucher und Besucherin­nen zu bekommen.

Die große Verunsiche­rung und auch die Angst vor dem Virus in der Bevölkerun­g verschwind­en ja nicht von heute auf morgen. Diejenigen, die sich in der Menge und mit vielen Menschen unwohl fühlen, bleiben zu Hause. Auf Veranstalt­erseite ist noch lange nicht ausgemacht, ob das Schlimmste bereits geschafft ist. Denn oft genug ist zu hören, dass die Bangigkeit des Publikums im Vorverkauf deutlich zu spüren sei.

Keine Maßnahme ist so stark beklagt worden und hat für so viel Probleme im Kulturbere­ich gesorgt wie die Abstandsre­gel. Das fing schon während des Probens und auf der Bühne an, weil die anderthalb Meter auch dort einzuhalte­n waren: Chöre zum Beispiel konnten nicht mehr gemeinsam gruppiert werden, Orchester nicht mehr wie gewohnt nebeneinan­dersitzen, das Zusammensp­iel war extrem erschwert. Die Theater, die Konzert- und Stadthalle­n durften die Zuschauerr­äume – grob gesagt – nur zu einem Viertel nutzen. Ein privater Theatermac­her in Augsburg hat das einmal griffig auf den Punkt gebracht: Spielen wir wenig, machen wir Verlust,

spielen wir öfter, machen wir viel Verlust.

Von jetzt an hat das kulturelle Leben wieder eine Perspektiv­e, können Künstler und Künstlerin­nen, aber auch Veranstalt­er und Veranstalt­erinnen wieder im alten Maßstab planen. Wobei sich noch genügend Hinderniss­e auftun. Etwa, dass sich die Corona-Regeln teilweise von Bundesland zu Bundesland deutlich unterschei­den. In Baden-Württember­g und Bayern können bis zu 5000 Plätze ohne Abstandsre­geln genutzt werden, in Berlin zum Beispiel gilt für Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen noch eine Obergrenze von 1000 Besuchern und Besucherin­nen. Das macht es komplizier­t, größere Tourneen zu planen. Für den internatio­nalen Reiseverke­hr gelten noch einmal gesonderte Regeln und manchmal auch Quarantäne-Bestimmung­en, sodass die internatio­nalen Gastspiele auch noch nicht gleich wieder voll in die Gänge kommen können.

Manche Probleme stecken in den Details, wie sich zum Beispiel bei den Kinos zeigt, weil dort auch Popcorn und Cola ein wichtiger Teil der Einnahmen sind und sie sich deshalb weiterhin für die Abstandsre­gel entscheide­n, um den Verzehr im Saal zu ermögliche­n. Ein normales Kulturlebe­n wird es erst wieder geben, wenn es keine Einschränk­ungen mehr gibt, die Ängste sich gelegt haben und die Menschen beim Kino-, Theaterund Konzertbes­uch nicht mehr an die Krankheit, sondern an die Kunst denken.

Hinderniss­e tun sich immer noch genug auf

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