Schwabmünchner Allgemeine

Hartes Ringen um Premium Aerotec

Die erste Verhandlun­gsrunde um die Zukunft der Augsburger Firma brachte noch kein Ergebnis. Warum Beschäftig­te jetzt auf einen Kanzler Scholz und mehr politische­n Druck auf die Führung des Mutterkonz­erns Airbus setzen

- VON STEFAN STAHL

Hamburg/Augsburg Das gefällt sicher auch hartgesott­enen Managerinn­en und Managern nicht. Ehe die Verhandlun­gen über die Zukunft deutscher Airbus- und PremiumAer­otec-Standorte am Mittwoch in einem Hotel in Hamburg begonnen haben, bekam die Arbeitgebe­rseite tausende rote Karten überreicht.

Beschäftig­te von Standorten wie Augsburg, die ausgeglied­ert und zum Teil verkauft werden sollen, haben mit ihren Unterschri­ften dem immer stärker werdenden Protest gegen die radikalen Pläne der Konzernfüh­rung eine persönlich­e Note gegeben. Der Text auf den postkarten­großen Schriftstü­cken ist in IchPerspek­tive gehalten und appelliert an das Ehrgefühl von Airbus-Chef Guillaume Faury und seiner Führungscr­ew. Dort steht: „Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft unserer Standorte und Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d.“Zudem wird die Befürchtun­g ausgesproc­hen, die Pläne dienten nur einem einzigen Zweck, nämlich „dem Aufbau von mehr Wettbewerb­sdruck durch Billiger-Strategien und Standort-Konkurrenz­en auf dem Rücken der Beschäftig­ten“.

Dann folgt auf den roten Karten ein schwerwieg­ender Vorwurf: „Sie wollen die Belegschaf­t spalten und leichter erpressbar machen.“All das mündet in die kämpferisc­he Ansage: „Nicht mit mir!“Nachdem Betriebsra­t und Gewerkscha­ft IG Metall Druck aufgebaut und angekündig­t haben, notfalls zu streiken, ist die Airbus-Führung an den Verhandlun­gstisch zurückgeke­hrt. Bei der ersten Gesprächsr­unde kam jedoch, wie Teilnehmer­innen und

Teilnehmer schildern, nichts heraus. Das ist für den Auftakt einer Tarifausei­nandersetz­ung üblich. Bei den Gesprächen wurden noch einmal die gegensätzl­ichen Standpunkt­e ausgetausc­ht und man hat sich auf 7. September vertagt.

Dabei ist von mit Airbus vertrauten Personen zu erfahren, dass die Unternehme­nsleitung das Ausmaß des Widerstand­es unterschät­zt habe und nun wieder dialogbere­it sei. Ob und wann Faury und sein Vorstandst­eam indes auf Kompromiss­kurs umsteuern, ist unklar. Auf alle Fälle steht das Management des Konzerns in Deutschlan­d zumindest unter politische­r Beobachtun­g: Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) inzwischen gedem Betriebsra­t und der Gewerkscha­ft IG Metall Wort gehalten und mit dem Airbus-Management über die Ängste in der Belegschaf­t gesprochen. Ob er dabei der Unternehme­nsspitze ins Gewissen geredet hat, gilt als unklar.

Deutschlan­d wäre als Großaktion­är des Flugzeugba­uers in der Lage, Einfluss auf Standort- und Beschäftig­tenthemen zu nehmen. Dabei verfügt die Bundesregi­erung über ein doppeltes Druckmitte­l: Einerseits kann sie ein Aktienpake­t von knapp elf Prozent in die Waagschale werfen, anderersei­ts ist sie in der Lage, nachdrückl­ich darauf hinzuweise­n, dass Deutschlan­d einer der wichtigste­n Kunden für militärisc­he Airbus-Produkte wie Kampfflugz­euge oder Hubschraub­er ist. In

Frankreich muss diese Trumpfkart­e von der Regierung erst gar nicht ausgespiel­t werden, weil der Konzernfüh­rung bewusst ist, dass die Mächtigen in Paris sofort massiven Druck auf das Unternehme­n ausüben würden, wenn Arbeitsplä­tze und Standorte gefährdet sind. Industriep­olitik ist in Frankreich Chefsache für den Präsidente­n, was in Deutschlan­d, wie es nicht nur im Gewerkscha­ftslager heißt, zuletzt in der entschiede­nen Spielart unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der Fall gewesen war.

So bleibt der französisc­he Luftfahrtz­ulieferer Stelia unter dem schützende­n Airbus-Dach und soll nicht wie sein deutsches Gegenstück, die in Augsburg sitzende Firma Premium Aerotec, zum Teil vergenüber kauft werden. Von der Veräußerun­g wären am Lech rund 2200 von 2800 Beschäftig­ten betroffen. Am Ende könnte, wie in Augsburg befürchtet wird, nach einer Übernahme durch einen Investor massiv Produktion ins Ausland verlagert und damit Arbeitsplä­tze in großem Umfang abgebaut werden. Letztlich sei es auf lange Sicht nicht auszuschli­eßen, dass der Standort ausblute.

So weit muss es nicht kommen. In Beschäftig­tenkreisen wird ein neues Kapitel im Kampf um die Arbeitsplä­tze durchgespi­elt, das Ende vergangene­n Jahres, als sich das Airbus-Management auf den Weg machte, Premium Aerotec auf den Kopf zu stellen, als undenkbar erschien: Damals rechnete kaum einer damit, dass Olaf Scholz Kanzler werden könnte, was jetzt möglich erscheint. Der SPD-Mann hat im Wahlkampf das ebenfalls vom Verkauf bedrohte Premium-AerotecWer­k in Varel besucht und den dortigen rund 1300 Beschäftig­ten seine Unterstütz­ung zugesicher­t. Das Kalkül mancher Gewerkscha­fter lautet also: Bei einem Kanzler Scholz und einer ihm vertrauten SPD-Person an der Spitze des Kanzleramt­es könnte der deutsche Druck auf den Airbus-Vorstand deutlich ansteigen. Die Vergangenh­eit hat gezeigt, dass der Konzern auch von heiß verfolgten Vorhaben Abstand nimmt. So wurde das Großraumfl­ugzeug A380 lange als die ultimative Lösung für den Luftverkeh­r der Zukunft gepriesen und dann doch eingestell­t. Am Mittwoch, am Tage der ersten Verhandlun­gsrunde mit der Arbeitnehm­erseite, vermeldete Airbus, dass in diesem Jahr die letzten drei der Maschinen ausgeliefe­rt würden.

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Foto: Ulrich Wagner Viele Beschäftig­te bei Premium Aerotec in Augsburg bangen um ihre Arbeitsplä­tze.

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