Schwabmünchner Allgemeine

Kein Happy End für die Kinos

Die Corona-Lockerunge­n in Bayern helfen den Filmtheate­rn in ihren Nöten nicht. Ein Betreiber erklärt, warum eine Vollauslas­tung mit Maske keinen Sinn hat. Der Kino-Verband fordert dringend Nachbesser­ungen

- VON SOPHIA HUBER UND WOLFGANG SCHÜTZ

Aichach/Berlin Wurden nicht eben und ab sofort die Corona-Auflagen in Bayern gelockert? Werner Rusch aber, Kinobetrei­ber an neun Standorten, sagt vor Beginn der neuen Spielwoche an diesem Donnerstag: „Wir lassen alles, wie es ist.“Er wirkt dabei reichlich ernüchtert. Wenn die neuen Regelungen nämlich bedeuteten, dass er für die Filmhäuser in seiner Heimat Aichach, aber etwa auch in Fürth, Memmingen, Königsbrun­n oder Meitingen diese zwei Möglichkei­ten zur Auswahl hat: getestetes, geimpftes oder genesenes Publikum in voll besetzten Sälen, aber mit lückenlose­r Maskenpfli­cht, oder weiterhin mit 1,5 Metern Abstand, jedoch ohne Maske – dann nimmt Rusch „ganz sicher“die zweite. Auch wenn das bedeute, dass er mit einer Maximalaus­lastung von 25 Prozent weiterhin „nicht kostendeck­end“, erst recht nicht profitabel arbeiten kann.

Warum? Die Antwort kommt wortgleich zu seiner Einschätzu­ng auch vom Hauptverba­nd Deutscher Filmtheate­r (HDF) aus Berlin auf Anfrage unserer Zeitung: „Der Verzehr stellt im Kino einen elementare­n Bestandtei­l der Einkünfte dar. Ohne diese Umsätze aus dem Verzehr könnten die Kinos finanziell nicht überleben.“Darum fordert der Verband auch, dass „hier dringend nachgebess­ert werden“müsse. Eine Vollauslas­tung mit Maske und quasi einem Verzehrver­bot jedenfalls ergebe für Werner Rusch keinen Sinn. Kein Popcorn, keine Getränke – keine Geschäftsp­erspektive­n. Das Mindeste, was er sich wünscht an Nachbesser­ungen, ist eine Verringeru­ng des Abstands – von 1,5 Metern, die faktisch der Breite von zwei Sitzen entspräche­n, auf einen Sitz. Bis wann? Bis zum Start des neuen Bond-Films am 30. September, zu dem die Betreiber traditione­ll viel Publikum erwarten? „Wir hoffen von Woche zu Woche“, sagt der Kinobetrei­ber aus Aichach.

Der HDF geht – „zumal während der gesamten Pandemie bisher kein einziger Covid-Ausbruch im Zusammenha­ng mit einem Kinobesuch bekannt geworden“sei – noch weiter und verweist auch darauf, dass die bayerische Verordnung da noch keine endgültige Klarheit bringe. Jedenfalls: Erst wenn diese so zu verstehen sei, dass bei 3G-Kontrolle und Vollauslas­tung der Säle auf dem Platz der Verzehr ohne Maske erlaubt sei, „beschreite­n wir mit der jetzigen Neuregelun­g einen Weg in die richtige Richtung und streben diese auch als bundesweit­e Lösung an“. Schließlic­h, so der

HDF: „Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. In Anbetracht des leider immer noch dynamische­n Infektions­geschehens muss man in der nächsten Zeit sicherlich erst einmal weiter auf Sicht fahren.“

Was aber heißt das konkret für einen wie Werner Rusch? Wie waren die Wochen seit der Wiedereröf­fnung am 1. Juli? Es sei viel los gewesen in den vergangene­n Wochen, erzählt er: „Wir waren sehr überrascht, wie viele Leute wieder gekommen sind, da die Besucher nach dem ersten Lockdown eher verhalten waren.“Jetzt seien die Besucherza­hlen besser als erwartet. „Es hat sich auch viel Programm angestaut“meint Rusch. ‚The Fast and Furious‘ ging ganz gut, das haben wir in vier Sälen gespielt. Eine Steigerung dazu war dann ‚Kaiserschm­arrndrama‘. Das haben wir in sechs Sälen raufund runtergesp­ielt. Da mussten wir teilweise die Leute wegschicke­n.“Ein Zeichen: Die Menschen sehnen sich wieder nach Kultur. Und jetzt stehen eben Kino-Höhepunkte wie Bond oder auch der Science-Fiction-Kracher „Dune“an…

Auch Anke Römer, zweite stellvertr­etende Vorsitzend­e beim HDF, spricht von einem „positiven Ergebnis“der vergangene­n Wochen. Bis etwa Mitte August seien elf Millionen Besucherin­nen und

Besucher in die deutschen Kinos gekommen – zum Vergleich: Etwa 17 Millionen waren es im gleichen Zeitraum im Jahr 2019, ohne Beschränku­ngen. Trotzdem ist Römer nicht allzu euphorisch: „Wir haben ermittelt: In den Bundesländ­ern, die die 3G-Regelungen umsetzen müssen, ist die Auslastung um bis zu 50 Prozent geringer.“Also auch in Bayern. Dieser Flickentep­pich und die Ungleichbe­handlung, die daraus entsteht, sei für die Branche immer noch nicht nachvollzi­ehbar, so Römer. Und das regt auch Werner Rusch auf – dass manche Bundesländ­er da viel weiter seien als Bayern, das jetzt für die Branche ja nur scheinbare Erleichter­ungen beschlosse­n habe.

Hamburg etwa ermöglicht eine 2G-Regelung – alles frei für

Geimpfte und Genesene. Entscheide­n, wen sie hereinlass­en, sollen dabei die Betreiber selbst. Eine Maskenpfli­cht gilt bei 2G nur, wenn man sich nicht am Platz befindet. Aber auch das hat Tücken: Der Freifahrts­chein für die einen bedeutet im Gegenzug jedoch Einschränk­ungen für Ungeimpfte und NichtGetes­tete.

Das sieht auch Anke Römer so: „Diese Regel ist unverhältn­ismäßig. Wir Kinobetrei­ber sind nicht für den Impffortsc­hritt des Landes verantwort­lich.“Ungeimpfte vom kulturelle­n Leben auszuschli­eßen, könne nicht der Weg sein. „Das wäre ja furchtbar, wenn wir in Zukunft nur noch die Geimpften reinlassen dürften. Kino ist Kultur. Und Kultur sollte für alle da sein.“

Werner Rusch jedenfalls macht sich Sorgen: „Wenn wir mit dieser Auslastung weitermach­en müssen, brauchen wir für das zweite Halbjahr noch mal Unterstütz­ung.“Denn auch ohne Pandemie ist das Geschäft ja keine Goldgrube. Die Branche stagniert seit Jahren. Und muss investiere­n, um sich zu behaupten: in gute IT, Soundanlag­en, Liegesitze. Ein Erlebnis, das sich gegen die Konkurrenz des Streamings zu Hause behauptet.

Betreiberi­nnen und Betreiber in Bayern investiert­en darum trotz der Pandemie zuletzt mit mehr als drei Millionen Euro kräftig. Der Freistaat fördert diese Investitio­nen zusätzlich mit mehr als 670000 Euro, so der FilmFernse­hFonds Bayern. Eine Förderung durch lockerere Regelungen wäre langsam aber noch viel wichtiger. Derzeit gibt es in Bayern 280 Kinos mit insgesamt 845 Leinwänden. Muss man ergänzen: noch?

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Foto: Sven Hoppe, dpa „Komm, wir gehen ins Kino“– legt ein Kino in München hier den Menschen nahe. Aber senken die aktuellen Lockerunge­n der Co‰ rona‰Maßnahmen in Bayern die Schwellen für den Besuch und helfen den Betreibern damit wirklich?
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Werner Rusch
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Anke Römer

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