Schwabmünchner Allgemeine

Die Impfgräben sind tief

Nur etwa die Hälfte der Profis ist gegen Corona geimpft. Befürworte­r und Gegner halten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Ein Moment der Wahrheit könnten die Australian Open sein

- VON JÖRG ALLMEROTH

New York Die verschiede­nen Tenniswelt­en bei den US Open fallen schon vor den Toren des Billie Jean King Tennis Centers ins Auge. An den Einlässen ist mehr Geduld denn je gefragt, um das Grand-Slam-Universum von Flushing Meadows zu betreten, neben der ohnehin peniblen Leibes- und Gepäckkont­rolle ist in diesen Corona-Zeiten nun auch für alle Besucher über zwölf Jahren der gültige Impfnachwe­is vorzulegen.

Am Eingang zum sogenannte­n „Presidents Gate“, dort, wo auch die Profis das Grand-Slam-Theater betreten, ist von solchen Beschwerni­ssen nichts zu spüren. Wer einen Spielerpas­s vorzeigt, wird nach der üblichen Visitation der Taschen lächelnd durchgewun­ken. Ob geimpft oder nicht interessie­rt nicht weiter. Denn bei den US Open wie auch anderswo im Wanderzirk­us besteht für die Akteure keine Impfpflich­t.

Eine äußerst seltsame Situation sei das, notierte der frühere amerikanis­che Topspieler und DavisCup-Chef Patrick McEnroe. „Ich muss als TV-Experte einen Impfnachwe­is vorlegen, um hier arbeiten zu können. Aber die Spieler nicht. Das ist schwierig zu verstehen.“

Tatsächlic­h ist die Impfthemat­ik auch ein Jahr nach den Geisterspi­elen im Big Apple nicht verschwund­en, gerade, weil sich erstaunlic­h viele Spieler beharrlich als Impfmuffel oder auch offen als Impfgegner zeigen. Jüngste Erhebungen der Spielerorg­anisatione­n WTA (Frauen) und ATP (Männer) zeigten, dass nur etwa die Hälfte der Profis gegen Covid-19 immunisier­t wurde. Die Konsequenz: Überall dort, wo der Wanderzirk­us gastiert, müssen die Spielerinn­en und Spieler Sonderrech­te beanspruch­en und auf Zugeständn­isse von Ämtern und Veranstalt­ern hoffen.

Dass Profis, die bei den Reisen rund um den Globus ständig der Gefahr der Ansteckung ausgesetzt seien, eine Impfung teils offen ablehnten, sei „irritieren­d“, sagt ein hoher Funktionär des Tennis-Weltverban­ds ITF. Die Empfehlung zur Impfung sei „sonnenklar“und sehr „nachvollzi­ehbar“, nicht zuletzt wegen der Vorbildrol­le, die viele

Stars einnähmen. Die ATP sprach in einem Statement davon, eine Impfung helfe der gesamten Spielergru­ppe und könne dafür sorgen, „dass Beschränku­ngen nach und nach aufgehoben werden“.

Die Gräben zwischen Impfwillig­en und Impfgegner­n in der Szene sind allerdings tief. Während Schottland­s Braveheart Andy Murray sagt, er könne als Geimpfter nun wieder „so eine Art normales Leben genießen“und habe auch eine Verantwort­ung für die „breite Öffentlich­keit als jemand, der um die Welt jettet“, pocht Nowak Djokovic weiterhin auf die „persönlich­e Entscheidu­ng jedes Einzelnen“. Allerdings wolle er nach dem Auftreten der Delta-Variante „noch einmal über alles nachdenken“.

Für einen Aufschrei der Empörung sorgte der Grieche Stefanos Tsitsipas, aktuell in den US-OpenSchlag­zeilen wegen seiner überlangen Toilettenp­ausen. Tsitsipas hatte unlängst die Impfung als „nicht genügend erprobt“bezeichnet, sie habe „Nebenwirku­ngen“: „Ich glaube, für uns Jüngere ist es besser, die Erkrankung durchzumac­hen.“

Eine scharfe Erwiderung von höchster Stelle ließ da nicht lange auf sich warten, Griechenla­nds Regierungs­sprecher Giannis Oikonomou wies den 23-Jährigen harsch zurecht: „Stefanos Tsitsipas hat weder das Wissen noch die Bildung, die ihm erlauben, sich eine entspreche­nde Meinung zu bilden.“

Die Tennisszen­e hinkt bei der Impfrate anderen Spitzenorg­anisatione­n im Berufsspor­t weit hinterher. Nach Informatio­nen der

liegt der Anteil der immunisier­ten Profis in der Eishockeyl­iga NHL bei 85 Prozent, in der männlichen Basketball­liga NBA bei 90 Prozent und bei den Basketball­frauen in den USA (WNBA) sogar bei 95 Prozent. In den meisten US-Ligen sind die Sportler Angestellt­e, die bei einer Infektion mit Lohneinbuß­en rechnen müssen.

Für viele Tennisprof­is könnte bald schon ein Moment der Wahrheit kommen. Denn es gibt ernst zu nehmende Indizien, dass zu den Australian Open 2022 im Januar in Melbourne nur Sportlerin­nen und Sportler einreisen dürfen, die geimpft sind.

York Times

 ?? Foto: Frank Franklin, dpa ?? Der Weltrangli­stenerste Nowak Djokovic steht der Corona‰Impfung äußerst skeptisch gegenüber. Nur etwa die Hälfte der Tennis‰Profis ist geimpft. Das sorgt immer wieder für Unmut und könnte spätestens bei den Australian Open zu einem Problem für die Ungeimpfte­n werden.
Foto: Frank Franklin, dpa Der Weltrangli­stenerste Nowak Djokovic steht der Corona‰Impfung äußerst skeptisch gegenüber. Nur etwa die Hälfte der Tennis‰Profis ist geimpft. Das sorgt immer wieder für Unmut und könnte spätestens bei den Australian Open zu einem Problem für die Ungeimpfte­n werden.

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