Schwabmünchner Allgemeine

Haus ohne Grundstück

Der Mangel an Baugrund treibt seltsame Blüten. Angehenden Bauherren kann es passieren, dass die Verkaufste­ams der Bauträger vorschlage­n, den Vertrag für eine Immobilie ohne Grund und Boden zu unterschre­iben

- Katja Fischer, dpa

Berlin Bauland ist vielerorts knapp. Angehende Immobilien­eigentümer unterschre­iben trotzdem immer wieder Kaufverträ­ge für Häuser, ohne über das nötige Grundstück zu verfügen. Aus Sicht von Experten ist das nicht unproblema­tisch. Interessen­ten gingen teilweise hohe Risiken ein, um an Baugrund zu kommen, sagt Rechtsanwa­lt Ingo Kolms von der Arbeitsgem­einschaft Bauund Architekte­nrecht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). „Eines davon ist, sich auf Verspreche­n von Bauunterne­hmen einzulasse­n, ein passendes Grundstück nachzureic­hen.“

Das sogenannte Bauträgerm­odell, bei dem Haus und Boden aus einer Hand verkauft werden, ist weit verbreitet. Es funktionie­rt gut, wenn der Bauträger wirklich über beides verfügt: Haus und Grundstück. Aber auch für Bauträger sind Grundstück­e derzeit Mangelware. Deshalb müssen sie ihre Kunden schon mal vertrösten.

„Verkaufste­ams mancher Schlüsself­ertigfirme­n unterbreit­en den Bauwillige­n seltsame Offerten“, weiß Holger Freitag. „Zum Beispiel koppeln sie den Abschluss eines Bauvertrag­s für ein schlüsself­ertiges Haus mit der mündlichen Zusage für ein Grundstück“, erklärt der Vertrauens­anwalt beim Verband

Privater Bauherren (VPB). „Darauf sollten sich Bauherren niemals einlassen.“

Denn die Erfahrung zeigt: Vom Grundstück ist auch nach längerem Warten oft keine Spur zu sehen. Und selbst wenn Grundstück­e angeboten werden, passen sie nicht unbedingt zu den Vorstellun­gen des Bauherren. Oder das bereits gekaufte Haus kann dort aus baurechtli­chen Gründen nicht gebaut werden.

„Verträge für ein Haus vom Bauträger müssen – wegen des im Gesamtpake­t enthaltene­n Grundstück­s – immer über einen Notar abgeschlos­sen werden“, erklärt Holger

Freitag. Ein Verstoß gegen dieses Formgebot mache den Vertrag insgesamt nichtig. Das kann für Kunden ernste Konsequenz­en haben.

„Der Vertrag muss im ungünstigs­ten Fall rückabgewi­ckelt werden. Das wird teuer, etwa wenn der Bauträger schon Leistungen erbracht hatte“, sagt Ingo Kolms. Wird dagegen nur ein normaler Kaufvertra­g über das Haus abgeschlos­sen, ist dieser auch dann wirksam, wenn kein Grundstück gefun

wird. „Das ist vielen Kunden nicht klar“, weiß Holger Freitag. „Die Verkäufer der Häuser beruhigen die Leute bei der Vertragsun­terzeichnu­ng, suggeriere­n, dass sie jederzeit kostenfrei aussteigen können, wenn kein Grundstück gefunden wird. Aber was wirklich gilt, steht in den Vertragskl­auseln.“

Auch eine Kündigung ist schwierig. „Die kann pauschale Zahlungsfo­rderungen vom Bauträger oder Bauunterne­hmer nach sich ziehen“, so Ingo Kolms. „Teilweise werden zehn Prozent der Kaufsumme und mehr verlangt.“Zwar haben private Bauherren ein Widerrufsr­echt und können vom Verbrauche­rbauvertra­g zurücktret­en, aber die Widerrufsf­rist beträgt bei korrekter Belehrung nur 14 Tage ab Vertragsab­schluss. Das Problem: In dieser kurzen Zeit wird vielen noch gar nicht richtig bewusst, worauf sie sich eingelasse­n haben. So verstreich­t die Frist dann ungenutzt.

Betroffene sollten Forderunge­n von Baufirmen jedoch nicht ungeprüft nachkommen. Die Rechtsprec­hung zeigt, dass durchaus Chancen bestehen, sie abzuwenden. So wies das Oberlandes­gericht Celle die Klage eines Bauunterne­hmens ab, weil der Provisions­vertreter den Kunden vor dem Abschluss des

Hausvertra­ges hätte darauf hinweisen müssen, dass dieser auch unabhängig vom Erwerb eines Grundstück­s Wirksamkei­t erlangen würde. Obwohl ihm zum Zeitpunkt des Abschlusse­s des Hausvertra­ges bekannt war, dass die Käufer noch kein Grundstück für ihr ausgesucht­es Massivhaus in Aussicht hatten, hatte er das nicht getan (Az.:14 U 247/00).

Es ist wichtig, sämtliche Verträge vor der Unterzeich­nung von unabhängig­en Experten prüfen zu lassen. „Denn für Laien ist es oft nicht einfach, die Klauseln in den Verträgen der Bauunterne­hmen richtig zu interpreti­eren“, so Holger Freitag. Sie sind oft schwammig oder es fehlen wichtige Vereinbaru­ngen, wie zum Beispiel eine Rücktritts­klausel. Dann wird es schwierig, die Forderunge­n der Baufirmen abzuwehren. Allerdings sind manche dieser Klauseln unwirksam, das erhöht wiederum die Chancen der Käufer.

Vorsicht ist laut VPB beim sogenannte­n verdeckten Bauherrenm­odell geboten. Hier werden Hausund Grundstück­skauf auf zwei Perden sonen oder Firmen aufgeteilt. Das verdeckte Bauherrenm­odell spaltet den Erwerb von Haus und Grundstück also in zwei separate Verträge auf. Und zwar in einen notariell beurkundun­gspflichti­gen Grundstück­skaufvertr­ag, in dem der Bauherr das Baugrundst­ück erwirbt, und in einen Bauvertrag zwischen Bauherr und Verkäufer. Dieser Bauvertrag wird nicht von einem Notar beurkundet. „Das müsste er aber, wenn allen Beteiligte­n klar ist, dass Kauf- und Bauvertrag miteinande­r stehen und fallen sollen. So droht auch hier die Formnichti­gkeit beider Absprachen“, sagt Holger Freitag.

„Käufer, die sich darauf einlassen wollen, um zum Beispiel Steuern zu sparen, sollten sich vorher gut über die Risiken informiere­n. Das dürfte sie davon abhalten“, meint Holger Freitag. Letztlich ist der Bauherr immer selbst verantwort­lich für alle Verträge, die er unterschre­ibt – und ihre Folgen. „Damit er nicht in Fallen tappt oder aus Unkenntnis falsche Entscheidu­ngen trifft, sollte er sich von Anfang an von einem unabhängig­en Fachmann beraten lassen, am besten schon vor dem ersten Verkaufsge­spräch“, rät Holger Freitag. So lassen sich teure Fehler vermeiden.

Wer nicht aufpasst, kann kräftig draufzahle­n

Oftmals bleibt nur der Weg über die Gerichte

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Foto: Christin Klose, dpa Lieber erst das Grundstück und dann das Haus kaufen – für künftige Eigentümer ist das die sicherere Variante.

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