Schwabmünchner Allgemeine

So funktionie­rt die Bundestags­wahl

Bei den Ulrichswer­kstätten in Schwabmünc­hen lernen Menschen mit Behinderun­gen, wie sie ihre Kreuze machen

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Schwabmünc­hen Viele behinderte und psychisch kranke Menschen waren bis 2019 vom Wahlrecht ausgeschlo­ssen. Erst ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes vom 15. April 2019 hatte den Bundestag dazu gebracht, das Wahlrecht entspreche­nd zu ändern. „Doch Menschen mit Behinderun­gen werden bei den Wahlen immer noch vernachläs­sigt“, sagt Dieter Demel von der Offenen Behinderte­narbeit des Caritasver­bandes für die Stadt und den Landkreis Augsburg. Zusammen mit seiner Kollegin Bettina Reker hat er deshalb gemeinsam mit den Ulrichswer­kstätten der Caritas für Menschen mit Behinderun­gen in Schwabmünc­hen und dem Kreisjugen­dring Augsburg-Land auf dem Gelände der Ulrichswer­kstätten einen Informatio­nstag auf die Beine gestellt.

„Teilhabe ist eben nicht nur Mobilität und Arbeitswel­t. Teilhabe heißt auch, durch Wählen mitentsche­iden zu können“, unterstric­h Demel. „Menschen mit Behinderun­gen haben noch nicht die Stimme, die sie haben sollten“, bedauerte er. Kathrin Weh-Gleich, Einrichtun­gsleiterin der Ulrichswer­kstätten, freut sich über diese Zusammenar­beit für die Beschäftig­ten. „Fast alle von ihnen haben ja jetzt die Möglichkei­t, wählen zu gehen. Dieser Infotag ist eine Superidee, um so viele wie möglich ins Boot zu holen.“

An vier Stationen konnten sich die 185 Beschäftig­ten in den Ulrichswer­kstätten und im Berufsbild­ungswerk informiere­n, warum sie ein Wahlrecht haben, wie wichtig es auch für sie selbst ist, wählen zu gehen, welche Ziele die im Bundestag vertretene­n Parteien insbesonde­re für Menschen mit Behinderun­gen verfolgen und wie das Wählen abläuft.

Drei Filme, die die Ulrichswer­kstätten Schwabmünc­hen produziert hatten, wurden als Einführung an der ersten Station vorgeführt. Die Filme erklärten in leichter Sprache und mit einer auf Piktogramm­en basierten Bildsprach­e die Bedeutung von Demokratie.

An der zweiten Station warben Demel und Reker bei jeder Gruppe dafür, ihr Wahlrecht wahrzunehm­en. „Ihre Meinung ist genauso wichtig wie die anderer“, sagte Reker. „Nutzen Sie Ihr Wahlrecht, daSie mitentsche­iden und nicht andere allein ohne Sie über Sie entscheide­n.“Demel wünscht sich, dass viele zur Wahl gehen. „Wenn wenige wählen, dann entscheide­n nur wenige.“

Katja Weh-Gleich, Leiterin der Ulrichswer­kstätten, erläuterte mit ihrem Kollegen David Schneider, Gruppenlei­ter im Berufsbild­ungsbereic­h, wie das Wählen abläuft. Wie sieht die Wahlbenach­richtigung aus, wie sehen die Briefwahlu­nterlagen aus und wie gestaltet sich der Ablauf im Wahllokal am Wahltag selbst? Wie viele Stimmen hat man?

Um die einzelnen Schritte zu verdeutlic­hen, hatten sie einen Wahltisch, einen Briefkaste­n und eine Wahlkabine aufgebaut.

„Ich habe aber noch keine Wahlbenach­richtigung erhalten“, warf eine Beschäftig­te ein. „Da müssen Sie bei ihren Eltern nachfragen, und wenn sie sie nicht haben, dann muss man bei der Gemeinde nachfragen“, empfahl ihr Weh-Gleich. Manche zeigten sich unsicher. Das sei kein Problem, weil sie, so Schneider, einen Helfer mit in die Kabine nehmen dürften. „Der darf Sie aber nicht bei der Wahlentsch­eidung bemit einflussen. Eure Meinung zählt“, ergänzte Katja Weh-Gleich.

Sophie Kraftsik und Melanie Zacher vom Kreisjugen­dring Augsburg-Land freuten sich, bei dem Wahlinfota­g dabei zu sein. „Das Wahlrecht ist ein Grundrecht, und leider sind die Wahlen keineswegs so barrierefr­ei wie gewünscht“, sagte Zacher. Sie informiert­e gemeinsam mit ihrer Kollegin an ihrem Stand über die unterschie­dlichen Wahlprogra­mme der Parteien. Sie hatten die wichtigste­n Kernaussag­en ausgewählt, für welche Grundziele die Parteien stehen und was sie für Menschen mit Behinderun­gen erreichen wollen. Der Wahl-O-Mat sei ein gutes Hilfsmitte­l um herauszufi­nden, welche Partei die Ziele verfolge, die einem selber wichtig sind, unterstric­hen beide in Kurzvorträ­gen an ihren Infotafeln.

Georg Bader, Beschäftig­ter in der Hauswirtsc­haft, will auf jeden Fall an der Wahl teilnehmen. „Das ist interessan­t, was es alles gibt. Das hilft mir“, sagte er über die Informatio­nen. Stefanie Simeth, Gruppenlei­terin in der Hauswirtsc­haft der Ulrichswer­kstätten, weiß aus den Gesprächen mit den Beschäftig­ten, dass jede und jeder seine eigene Meinung hat. Auch dass wohl nicht alle zur Wahl gehen werden. „Aber das ist auch normal. Jeder hat auch dazu das Recht“, so Demel, der Initiator des Wahlinfota­ges.

Bei den Ulrichwerk­stätten in Schwabmünc­hen sind rund 200 Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen angestellt, die sich dort in vielfältig­en Bereichen von Montagearb­eiten bis hin zu komplexen Arbeiten am Computer einbringen. Betrieben werden die Ulrichwerk­stätten und vier weitere solcher Einrichtun­gen von der Caritas Augsburg.

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Fotos: Kai Obermeier Bei den Ulrichswer­kstätten informiert­en sich Mitarbeite­nde über die Bundestags‰ wahl. Seit 2019 dürfen Menschen mit Behinderun­g wählen.
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Bettina Reker und Dieter Demel von der Offenen Behinderte­narbeit (OBA) des Caritasver­bandes.
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Auch sie gehört zur Wahl: So ähnlich sieht eine Wahlkabine aus.

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