Drei Männer, drei Frauen
Die Shortlist für den Deutschen Buchpreis
Frankfurt am Main Der Proporz mag Zufall sein, aber er passt ins Bild: Drei Männer und drei Frauen stehen auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2021.
Mithu Sanyals „Identitti“ist vielleicht das Buch der Stunde. Darin bastelt sich eine weiße Professorin für Postkolonialismus eine exotische Biografie zurecht, um mehr „of color“zu sein. Die Jury ist begeistert: „Ein enorm vergnüglicher, hochenergetischer Diskursroman, bei dessen Lektüre viel zu lernen ist und der dabei grandios unterhält.“
Der bekannteste Name auf der Shortlist ist Christian Kracht. Sein Pubertätsroman „Faserland“wurde nach 1995 zum Klassiker der Popliteratur. „Eurotrash“heißt sein neues Werk: laut Jury „das seltene Kunststück, eine komplexe literarische Poetik in stilistischer Virtuosität zum Leuchten zu bringen“. Es geht um familiäre Schattenwelten, eine Mutter-Sohn-Beziehung und neureiche Herkunft.
Versagende Eltern und gefährdete Kinder sind das zentrale Thema von Monika Helfer. Mit „Die Bagage“begann die Autorin ein autobiografisches Erzählprojekt, das sie nun mit „Vati“fortsetzt. „Ein Buch von zärtlicher Traurigkeit – in dem Gefühl und sprachliche Klarheit vollständig ausgewogen sind“, findet die Jury.
Norbert Gstrein ist mit rund einem Dutzend Romanen der produktivste und am meisten geehrte Autor auf der Liste. „Der zweite Jakob“handelt von einem zwielichtigen Schauspieler, der gern Mörder spielt und im realen Leben manche Leiche im Keller hat. Gstreins Buch habe „seine virtuose Erzählkunst noch einmal auf eine höhere Stufe gehoben“, findet die Jury.
Für preiswürdig hält die Jury auch „Zandschower Klinken“von Thomas Kunst. „Dieses Buch lässt einen freier atmen“, auch durch seine formale Radikalität. Radikal sind auch die Bewohner des erfundenen Provinzdorfs, die der feindlichen Realität mit absurden Ritualen trotzen, ihr Nest zu Sansibar, ihren Teich zum Ozean umdeuten.
Antje Rávik Strubel erzählt in „Blaue Frau“von den Gewalterfahrungen einer jungen Frau. Adinas Weg führt von Tschechien über Berlin in die Uckermark. Nach einer Vergewaltigung flieht sie nach Helsinki und ins innere Exil. „Ein OstWest-Roman, ein Europaroman, eine Geschichte über Machtmissbrauch“, fasst die Jury zusammen.
Die Preisverleihung findet am 18. Oktober statt.