Zwei SPD Frauen – zwei Siegerinnen
SPD-Politikerin Franziska Giffey zittert sich zum Erfolg gegen die gebürtige Augsburgerin Bettina Jarasch von den Grünen. In Mecklenburg-Vorpommern fährt Manuela Schwesig (SPD) einen ungefährdeten Wahlsieg ein
Berlin/Schwerin Eine Augsburgerin als Wahlsiegerin, ja eventuell sogar als Regierende Bürgermeisterin in Berlin? Über Stunden konnte Bettina Jarasch hoffen, die SPD zu besiegen. Für sie war der ganze Wahlkampf eine veritable Achterbahnfahrt: Erst war die 52-Jährige in den Umfragen auf 27 Prozent in die Höhe geschossen, dann wiederum auf 17 bis 18 Prozent abgesackt. Parallel dazu waren die Werte für Franziska Giffey langsam aber sicher gestiegen. Sie hatte ihr Amt als Bundesfamilienministerin für die SPD-Spitzenkandidatur aufgegeben. So gesehen ist das knappe Ergebnis eine Überraschung. Entsprechend losgelöst reagierte Jarasch auf die ersten Zahlen: „Berlin hat gewählt und es ist großartig.“
Sicher ist, dass Rot-Rot-Grün in der größten deutschen Stadt weiterregieren könnte. An Jarasch jedenfalls dürfte dieses Projekt nicht scheitern: „Wir haben eine klare Präferenz geäußert, ja. Natürlich würde ich im Roten Rathaus vieles anders machen als der Amtsinhaber von der SPD. Alles in allem aber hat die bisherige Koalition aus Grünen, Sozialdemokraten und der Linken der Stadt gutgetan. Warum also nicht auf dieser Basis weitermachen?“, sagte die Journalistin, die auch für unsere Zeitung tätig war, im Wahlkampf in einem Interview mit unserer Redaktion.
Giffey hatte sich den Abend etwas anders vorgestellt. Sie hatte gehofft, ihrem Parteifreund Michael Müller im Amt nachfolgen zu können – ohne Zitterpartie. Artig bedankte sie sich bei Unterstützern und Freunden, wirkte anfangs aber doch etwas angeschlagen.
Die in Frankfurt an der Oder geborene 43-Jährige hat alles darangesetzt, als Ur-Berlinerin wahrgenommen zu werden. Ihre manchmal fast schon penetrante Freundlichkeit, das auf Jeden-und-jede-Zugehen hat sich nur zum Teil ausgezahlt. Dass sie sich bei ihrer Doktorarbeit nicht nur auf eigene Geistesblitze verlassen hatte, hat zwar die CDU immer wieder angemerkt, spielte aber letztlich im Wahlkampf kaum eine Rolle. Eher wurde darüber gesprochen, dass sie mit einigem Erfolg 2015 das Erbe des in Berlin fast schon legendären Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky in Neukölln angetreten hat. Ihren Vorgänger, der deutschlandweite Bekanntheit durch seinen Kampf gegen Clankriminalität und Parallelwelten erlangt hatte, nennt sie, wenn sie nach einem politischen Mentor gefragt wird. Und genau an diesem Punkt wird es interessant, denn wenn sie das ernst meint, wäre sie tatsächlich sehr weit weg von einer Neuauflage der rot-rot-grünen Koalition. Das ist auch dem früheren Berliner Regierenden BürgerFranziska meister Klaus Wowereit nicht entgangen, der Giffey via Tagesspiegel warnte, eine Koalition mit der CDU und der FDP anzustreben: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das in der SPD durchsetzen kann“, sagte der Privatier. Als sicher gilt, dass sie gerne auf die Linke und deren bekanntesten Politiker Klaus Lederer als Partner verzichten würde. Giffey hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie nichts davon hält, Wohnungsbaugesellschaften zu enteignen. Doch nun waren plötzlich alle Gewissheiten wie weggeblasen. „Wir sind an einem Punkt, wo alles rauskommen kann“, sagte Giffey fast schon etwas ratlos.
Der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner versuchte nach dem äußerst mäßigen Abschneiden seiner Partei insofern in die Offensive zu kommen, als dass er sich offen für ein Bündnis mit SPD und FDP zeigte. Auch die Liberalen sahen darin am Sonntagabend eine Option.
Denkwürdig waren die Wahlen in der Hauptstadt auch aus einem anderen Grund: Mehrere Wahllokale mussten zwischenzeitlich schließen – die Stimmzettel waren ausgegangen. In einigen Stadtbezirken bildeten sich extrem lange Schlangen vor den Wahllokalen. Wer bis 18 Uhr da war, durfte dann auch wählen – zum Teil dauerte es sogar bis 20 Uhr, bis alle ihre Kreuze gemacht hatten.
Etwas weiter nördlich ist die Freude bei den Sozialdemokraten völlig ungetrübt: Manuela Schwesig zieht in Mecklenburg-Vorpommern einsam ihre Kreise an der Spitze. Sie hat offensichtlich alles, was man braucht, um an der Küste erfolgreich zu sein. Die strahlende Wahlsiegerin hat die richtige Balance gefunden: Sie kann spröde-norddeutsch sein, sie kann staatstragend wirken, sie kann aber auch warmherzig rüberkommen. So wie gestern nach ihrem, ja man muss es sagen, grandiosen Wahlsieg: Schwesig hat ganz bewusst im Wahlkampf auf einen Faktor gesetzt: auf sich selber, die „Frau für MV“. Mit Erfolg. Sie sprach von einem „wunderbaren Abend für unser Land“. Es gebe ein „ganz klares Bürgervotum für die SPD“, fügte Schwesig hinzu. Jetzt kann sie sich die Regierungspartner aussuchen. Das könnte interessant werden.
Mit der Union immerhin regierte die SPD bisher relativ geräuschlos. Die Frage ist allerdings, wie die unter Führung des Landesvorsitzenden und glücklosen Spitzenkandidaten Michael Sack nun nochmals geschrumpfte CDU diesen neuerlichen Tiefschlag verdaut. Besonders bitter ist, dass die Christdemokraten hinter der AfD landeten. Mit wem die SPD nach der Wahl regieren will, hatte Schwesig zuletzt offengelassen. Sie strebe eine Koalition an, mit der sie stabil und verlässlich arbeiten könne, erklärte sie. Als denkbare Alternative zur Neuauflage von Rot-Schwarz könnte Rot-Rot infrage kommen.