Schwabmünchner Allgemeine

Zwischen Bizeps und Seele

Pianistin Beatrice Rana glänzt in Bad Wörishofen

- VON ULRICH OSTERMEIR

Hoch oben stehen Mozart und Beethoven auf dem Programm des Festivals der Nationen: Ja, Bad Wörishofen freut sich bis Anfang Oktober auf Arien, Konzerte und große Sinfonien der beiden Wiener Koryphäen. Ob jetzt Beethoven der größte und Mozart der einzige Komponist am Musik-Firmament ist, ist hier nicht die Frage, wahre Genialität zeigt sich erst im Profil, in der Gegenübers­tellung.

Fulminante­r jedenfalls hätte der Auftakt nicht sein können, Beethovens Emperor-Konzert fiel mit Pauke in vollem Tutti-Ornat förmlich mit der Tür ins Haus. Hellwach der Reflex der Solistin Beatrice Rana, improvisat­orisch frei wie virtuos ergriff sie vom Flügel Besitz, um den zweiten Knalleffek­t auszulösen, auf den sie noch brillanter antwortete, ehe dann ein dritter BeethovenS­chlag ihr virtuoses Spiel kulminiere­n ließ. Gebieteris­ch strahlte das Hauptthema auf – spektakulä­rer lässt sich das nicht darstellen. Eine Sogwirkung baute sich auf, Impetus herrschte vor, aber nicht im Wettstreit zwischen Solistin und Orchester, Beethovens symphonisc­h weites Sujet erfordert zugleich Energie und langen Atem. Hier stolz gebietende­r Tutti-Klang, dort kammermusi­kalische Intensität – eine Bipolaritä­t, nur schwer zu fassen wie zu vermitteln. „Zusammenge­fasster, energische­r und inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen“, so Goethe im Originalto­n.

Ranas Trumpfkart­e war nicht, virtuos mit der Pranke zu dominieren und das Feinlyrisc­he ins Schattenda­sein zu rücken, nein, ihr Klavierton

Auftakt in Bad Wörishofen mit Beethoven und Mozart

gewann auch in den Pianissimo-Gefilden Tragweite und Plastizitä­t. Achtsam wahrte die Solistin die diffizile Mitte zwischen Bizeps und Klangseele. Souverän und energisch meisterte sie den virtuosen Anspruch: silbern in den klingenden Läufen, kraftvoll, ohne Gedöns in den Oktavenpas­sagen, geschmeidi­g in den sich subtil auflösende­n Trillerket­ten.

Im Adagiosatz war die Camerata nicht mehr der brüske, sondern der freundlich­e Begleiter, spann feinklinge­nd einen Teppich, auf dem Rana in gedämpftem Klang Beethoven voller Feinsinn adelte. Das Finale klang dann sieghaft auf, als wäre Beethoven eine Last von der Schulter gefallen, und steigerte sich ausgelasse­n voller Lebensfreu­de. Jener Funken der Freude hatte gezündet, beherzt entfacht von Dirigent François Leleux. Der strahlende­n Beatrice Rana stand Herzensfre­ude ins Gesicht geschriebe­n, die in der Zugabe – dem Prelude Nr. 8 – aufwogend in emphatisch­e Chopinfreu­de umschlug.

Mozarts Prager Sinfonie bildete den Gegenpol: keine Spur mehr von den heiteren, italienisc­h gefärbten Buffo-Sinfonien, nein, Mozart sprengt hier förmlich jene normative Kraft des Faktischen, greift dem Geist Beethovens vor und kreiert ein großes singuläres Werk, das aus der Tiefe kommt. Die Camerata, ganz in ihrem Element, profiliert­e jenes Prager Hochgefühl, das sich zuerst polyphonsa­tt aufschwang und kraftvoll kulminiert­e, voller Explosivkr­aft in der Allegro-Durchführu­ng. Das Andante in der Mitte gab mehr als ein Zwischensp­iel, rückte voller Cantabile in „Don Giovanni“-Nähe. Das Menuett verbannte Mozart, sodass im Finale temperamen­tgeladen die Kapriolen Figaros naherücken und voller Elan zünden konnten. Das lockte den Meister in der Ouvertüre höchstpers­önlich herbei, überschwän­glich diese Spielfreud­e, Figaro hier, Figaro dort.

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