Schwabmünchner Allgemeine

Was wird aus Wolfgang Schäuble?

Weil im Parlament die stärkste Fraktion den Präsidente­n stellt, steht die graue Eminenz der Union vor einer ungewissen Zukunft

- VON STEFAN KÜPPER

Berlin Wer von den Nachgebore­nen vielleicht meint, Noch-Bundeskanz­lerin Angela Merkel sei das eigentlich nicht wegzudenke­nde Gesicht der Union, vergisst – möglicherw­eise – Wolfgang Schäuble. Der Noch-Bundestags­präsident hat gerade, zum 14. Mal in Folge, seinen baden-württember­gischen Wahlkreis Offenburg gewonnen. Seit 1972 geht das so. Angela Merkel war da noch auf der Polytechni­schen Oberschule (POS) in Templin und glänzte in Mathe und Russisch.

Was wird nun aus Schäuble? Die Legislatur­periode ist vorbei und damit endet auch seine Amtszeit an der Spitze des deutschen Parlaments. Es ist schon seit der Weimarer Republik Tradition, dass die stärkste Parlaments­fraktion

üblicherwe­ise – allerdings nicht gesetzlich vorgeschri­eben – den Bundestags­präsidente­n stellt. Nach Lage der Dinge werden diese im sich neu zu konstituie­renden Bundestag nicht CDU/ CSU haben sondern die SPD. Die hat das Vorschlags­recht und es ist eher schwer vorstellba­r, dass sie darauf verzichten wird.

Der 79-jährige Schäuble ist nicht nur Rekord-Abgeordnet­er, der bald dann den sechsten Kanzler im Bundestag den Amtseid ablegen sieht, er ist in der Union eines der einflussre­ichsten Schwergewi­chte – die graue Eminenz überhaupt.

Weil er so lange dabei ist, aber vor allem wegen seiner Erfahrung. Schäuble, der bis zur Spendenaff­äre als Nachfolger Helmut Kohls galt, war unter anderem CDU-Chef,

Fraktionsv­orsitzende­r, Innenminis­ter und Finanzmini­ster. Er ist mit allen politische­n Wassern gewaschen und sein Wort gilt in der Union etwas. Die Frage ist, wie schwer es künftig noch wiegt.

Denn es wird dem hessischen Ministerpr­äsident Volker Bouffier und eben Schäuble zugeschrie­ben, entscheide­nden Einfluss darauf genommen zu haben, dass der Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur zwischen Laschet und Markus Söder zugunsten des Nordrhein-Westfalen ausging. Nun ist die Wahl für die Union gelaufen, wie sie gelaufen ist. Und zwar historisch schlecht. Und auch wenn das Kanzleramt für Laschet noch drin ist, werden sich die SöderFans in der Union bestärkt fühlen. Der „Kanzlerkan­didat der Herzen“hatte nach der Nominierun­g Laschets

im Frühjahr davon gesprochen, dass niemand die „alte Union der 90er-Jahre“mehr wolle. Das ging gegen Laschet. Aber in der „Old-School“-Zuschreibu­ng klang auch Kritik an den Altvordere­n der Union mit.

Wenn man diese Haltung teilt – und das dürften in der 24-ProzentLas­chet-Union – nicht weniger geworden sein, müsste man die Zukunft der Union dann nicht ohne Schäuble – in einer wie auch immer herausgeho­benen Position – denken?

Am 26. Oktober wird der neue Bundestag zu seiner konstituie­renden Sitzung zusammenko­mmen. Schäuble wird dann – weil er auch am längsten im Parlament ist – als Alterspräs­ident die Sitzung eröffnen. Aber dass er sich danach als einfacher Abgeordnet­er in eine der hinteren Reihen zurückzieh­t?

Seine Motivation 2021 nochmals für den Bundestag zu kandidiere­n, beschreibt Schäuble so: „Meine Arbeit macht mir Spaß, ich fühle mich fit und bin mir sicher, dass ich noch einiges für unser Land bewegen kann.“Bundestags­vizepräsid­ent wäre noch denkbar. Und auch als Bundespräs­ident war Schäuble immer wieder im Gespräch, auch wenn das Amt mit den neuen politische­n Verhältnis­se für ihn nicht wahrschein­licher geworden ist.

Mit Blick auf die junge Generation hat Schäuble neulich in einem Fernsehint­erview im

ZDF-Format Am Puls Deutschlan­ds

gesagt: „Die Jungen brauchen auch ein Stück weit Widerstand“. Nach letzter Reihe klingt das jedenfalls nicht.

 ?? Foto: dpa ?? Graue Eminenz in bunt: Wahlbrosch­üren von Wolfgang Schäuble.
Foto: dpa Graue Eminenz in bunt: Wahlbrosch­üren von Wolfgang Schäuble.

Newspapers in German

Newspapers from Germany