Schwabmünchner Allgemeine

Linke im Niedergang

Die Linksparte­i kommt nicht mehr über die Fünf-Prozent-Hürde und schrammt nur haarscharf an der Katastroph­e vorbei. Obwohl ihre Themen viele bewegen, verliert die Partei vor allem an ihrer wichtigste­n Basis

- VON MICHAEL POHL

Berlin Die harte Wahlnacht und die Enttäuschu­ng der herben Niederlage hat auf den Gesichtern der Linken-Doppelspit­ze ihre Spuren hinterlass­en. „Die Partei Die Linke muss sich aus meiner Sicht neu erfinden“, sagt Parteichef­in Susanne Hennig-Wellsow und klingt dabei eher müde statt kämpferisc­h. „Das war das letzte blaue Auge“, fügt die Thüringeri­n hinzu. Tatsächlic­h rettete nur die Prominenz der Parteilege­nden Gregor Gysi und Gesine Lötzsch, sowie eine Ausnahmekl­ausel im Wahlgesetz Die Linke vor dem bundespoli­tischen Knock-out.

Die Partei riss erstmals seit ihrer Fusion aus PDS und WASG mit 4,9 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde. Doch bei drei gewonnenen Direktmand­aten zählt die Klausel nicht mehr, eine Partei kann dann auch ihre Listenkand­idaten in den Bundestag retten. Der 71-jährige Gysi holte zum fünften Mal in Folge das Direktmand­at in Berlin, die 60-jährige Gesine Lötzsch im Berliner Bezirk Hellersdor­f Mahrzahn ihres sogar ununterbro­chen zum sechsten Mal. Doch das dritte bisherige Berliner Direktmand­at von Petra Pau ging verloren. Nur weil der Leipziger Linke Sören Pellman mit 22,8 Prozent gegen seine Grünen-Konkurrent­in trotz herber Verluste seinen Wahlkreis verteidige­n konnte, blieb es Gysi und Lötzsch erspart, künftig ihre Partei als einsames Duo im Bundestag zu vertreten.

Nun stellt die Partei immerhin 39 Abgeordnet­e – 30 weniger als bisher, aber ausreichen­d viele, um weiter eine Fraktion zu bilden. Doch der Bedeutungs­verlust der Partei als einst maßgeblich­e Kraft in Ostdeutsch­land schreitet ebenso voran wie ihre Kraftlosig­keit im Westen.

Obwohl laut Wahlbefrag­ungen das Thema soziale Sicherheit noch eine wichtigere Rolle spielte als Klima, Umwelt und Wirtschaft, schaffte es die Linksparte­i nicht, mit ihren Kernthemen aus dem Zeitgeist bundesweit Kapital zu schlagen. Nicht einmal über einen überrasche­nd klaren Triumph in Berlin kann sich die

deshalb richtig freuen: 56 Prozent der Berlinerin­nen und Berliner stimmten für das von den Linken als ideologisc­hes Herzensanl­iegen mitvorange­triebene Volksbegeh­ren für die Enteignung großer Wohnungsko­nzerne. Bei der Bundestags­wahl büßte die Partei in der Hauptstadt zeitgleich über ein Drittel ihrer Zweitstimm­en ein.

Ihr Hauptprobl­em liegt klar im Osten der Republik. Dort erklären zwar 38 Prozent der Bevölkerun­g, die Linke vertrete von allen Parteien ostdeutsch­e Interessen am meisten. Doch in mehreren Ostländern stürzte die lange von Ergebnisse­n über 20 Prozent verwöhnte Partei auf einstellig­e Prozentwer­te ab.

In Brandenbur­g halbierte die Partei ihr schlechtes Ergebnis von 2017 auf nun 8,5 Prozent. In Sachsen wurde die Partei mit einem ähnlichen Wert sogar nur fünftstärk­ste Kraft hinter der FDP. In Berlin, Thüringen und Mecklenbur­g-Vorpommern rettete sich die Partei immerhin knapp über elf Prozent. Statt der Linken wählte der Osten mit großen Stimmenzuw­ächsen in der nördlichen Hälfte SPD und in der südlichen AfD.

„Wir müssen unsere Ostkompete­nz wieder sichtbar machen“, betont daher Linke-Spitzenkan­didat Dietmar Bartsch. „Doch wenn man Verantwort­ung übernimmt in den Ländern, verliert man ein Stück weit den Protestcha­rakter“, erklärt er mit Blick auf Thüringen, wo die AfD mit 24 Prozent als stärkste Partei doppelt so viele Zweitstimm­en holte wie Die Linke. Zudem erodiert auch die Verwurzelu­ng vor Ort, wie Bartsch einräumen muss. „Wir haben in Mecklenbur­g-Vorpommern­keine Landräte mehr, das hatten wir mal“, berichtet er aus seiner Heimat.

Damit rührt Bartsch an einem weiteren Problem der Linken. Wie der Erfolg von Lötzsch, Gysi aber auch von Bodo Ramelow zeigt, hängt auch die Linke sehr stark von der Popularitä­t ihrer Personen ab. Doch weder entfalten neue Kräfte wie die zweite Linken-Vorsitzend­e Janine Wissler Zugkraft, noch können Personen die harten internen Auseinande­rsetzunPar­tei gen der chronisch zerstritte­nen Partei überdecken. Im Gegenteil: Mitten im Wahlkampf leistete sich die LinkenSpit­zen einen heftigen Dauerstrei­t mit ihrer populären Ex-Fraktionsc­hefin Sarah Wagenknech­t. Dass die streitbare Ex-Fraktionsc­hefin den Einzug in den Bundestag geschafft hat, war am Tag nach der Wahl nur Ramelow lobende Worte Wert.

Die Linken-Spitze will nun in einer grundlegen­den Ursachenan­alyse ihr schlechtes Wahlergebn­is aufarbeite­n. Hennig-Wellsow und Wissler machen klar, dass die Gründe für den Niedergang tiefer gehen, als der Wahlkampf, der Streit um die Linken-Enthaltung bei der Afghanista­nRückholmi­ssion oder die „Rote-Socken-Kampagne“der Union.

Die große Frage der kommenden Wochen wird sein, ob Die Linke bei ihrer Analyse auch über Wege aus ihrem Dauerstrei­t und ihr Personal spricht. Wissler und Hennig-Wellsow schlossen personelle Konsequenz­en schon mal aus: Sie wollten in der jetzigen Situation die Partei nicht im Stich lassen, betonten sie.

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