Schwabmünchner Allgemeine

„Gut, dass Druck entstanden ist“

Mark Bezner, Chef des Hemdenhers­tellers Olymp, erklärt, weshalb er ein Label für umweltscho­nend und fair produziert­e Kleidung einführt und was er von der kommenden Bundesregi­erung erwartet

- Interview: Michael Kerler

Herr Bezner, Olymp hat sich entschloss­en, nachhaltig hergestell­te Hemden mit einem eigenen Label auszuzeich­nen: „Green Choice“. Was genau verbirgt sich hinter dieser Idee? Mark Bezner: Nachhaltig­keit hat zuletzt an Aufmerksam­keit bei den Kunden gewonnen. Die Textilbran­che steht hier besonders im Fokus. Damit wir dokumentie­ren können, was wir in den vielen Jahren unseres Engagement­s bereits erreicht haben, bündeln wir unsere Bemühungen unter dem Label „Green Choice“. Eingeführt haben wir dieses mit unserer aktuellen Herbstkoll­ektion, bei unserem Kernproduk­t Hemd liegen wir bereits bei 63 Prozent an Green-Choice-Produkten. Im Jahr 2025 wollen wir idealerwei­se 100 Prozent nachhaltig­e Produkte herstellen – und zwar über alle Produktseg­mente hinweg.

Was bedeutet Green Choice genau? Es ist ja kein staatliche­s Siegel ...

Bezner: Das Problem ist, dass es heute unzählige Labels für Nachhaltig­keit im Textilbere­ich gibt, beispielsw­eise mehrere Bio-BaumwollZe­rtifikate. Der Endverbrau­cher kann den Dschungel an Siegeln kaum durchblick­en. Wir wollen die Orientieru­ng erleichter­n. Wenn ein Produkt besonders nachhaltig in der Fasererzeu­gung oder im Produktion­sprozess ist, bekommt es das Green-Choice-Label. Beispielsw­eise wenn es zu mindestens 50 Prozent aus Bio-Baumwolle besteht. Unsere Kriterien sind klar dokumentie­rt, nachvollzi­ehbar und nicht weniger anspruchsv­oll, wir vermeiden es aber, zig verschiede­ne Logos an unsere Hemden zu heften, sondern setzen stattdesse­n auf Green Choice als klaren Wegweiser. Die entspreche­nden Zertifikat­e halten wir aber als Nachweis im Hintergrun­d für alle Produkte bereit.

Kontrollie­ren Sie die Einhaltung der Standards auch?

Bezner: Wir setzen auf unabhängig­e Zertifikat­e und führen eine sehr enge Kontrolle durch. Fünf Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r konzentrie­ren sich bei Olymp allein auf die Verbesseru­ng der Nachhaltig­keit und die Einhaltung von Sozial-, Humanökolo­gieund Umweltstan­dards. Sie reisen zu den Produktion­sstätten, machen sich selbst ein Bild und weisen auf Verbesseru­ngsmöglich­keiten hin. Damit es aber auch neutral dokumentie­rt und zertifizie­rt ist, greifen wir auch auf unabhängig­e Prüfer zurück, die in den Betrieben in die Bücher blicken, Überstunde­n kontrollie­ren oder die Gebäude- und Arbeitssic­herheit prüfen.

Sind die Kunden bereit, für gute Kleidung auch mehr zu zahlen?

Bezner: Lange Zeit stand sicher der Preis und das Gefallen eines Kleidungss­tücks für die Kunden im Vordergrun­d. Ich denke aber auch, dass die Klimaereig­nisse der letzten Jahre – Trockenhei­t, Brände, Überschwem­mungen –, aber auch die bekannten Brände und Einstürze in Textilfabr­iken in Asien die Kunden haben. Das hat viel bewirkt. Kunden legen mehr Wert darauf, dass Textilunte­rnehmen den Umweltschu­tz vorantreib­en und für faire Arbeitsbed­ingungen sorgen.

Wie sehen Sie das neue Lieferkett­engesetz, das größere Unternehme­n verpflicht­et, auf die Herkunft ihrer Zulieferpr­odukte zu achten, bei der Wirtschaft aber in der Kritik stand?

Bezner: Da einige unserer Kunden – große Textil handels unternehme­n– dem Lief er ketten gesetz unterliege­n, trifft das Lief er ketten sorgfaltsp­flichten gesetz indirekt auch uns. Da wir uns schon immer unserer Verantwort­ung gegenüber den Menschen und der Umwelt bewusst sind, können wir uns mit dem Lieferkett­engesetz daher gut identifizi­eren. Mein Vater hatte zum Beispiel bereits in den 1970er und 80er Jahren eigene Fabriken in Asien geführt, deshalb sind wir hier in diesem Bereich sehr weit. Ich finde es gut, dass politisch Druck entstanden ist. Das Thema ist eine Chance für unser Unternehme­n und unsere Marke.

Was ist der Preis des Umwelt- und Arbeitssch­utzes? Macht er ein Hemd teurer?

Bezner: Natürlich haben supernachh­altige Rohstoffe und hohe Standards ihren Preis. Ich denke aber, eine saubere Textilwirt­schaft ist der richtige Weg, Umwelt- und Arbeitssch­utz sind uns die Kosten wert. Wenn wir die gesetzlich­en Standards erfüllen oder übererfüll­en, ist dies auch ein Schutz für uns gegenüber Manipulant­en und Billiganbi­etern.

Warum haben Sie als Siegel nicht den Grünen Knopf gewählt, für den sich Entwicklun­gsminister Gerd Müller stark einsetzt?

Bezner: Das Problem des Grünen Knopfes ist für uns, dass Europa unser Markt ist. Der Grüne Knopf ist aber ein sehr deutsches Siegel, er sagt dem englischen Hemdenkäuf­er wenig. Ich halte es außerdem nicht für richtig, in Deutschlan­d Hemden anders zu labeln als in Frankreich, England oder Skandinavi­en. Leider ist es Minister Müller nicht gelungen, ein pan-europäisch­es Siegel ins Leben zu rufen. Zudem denke ich, dass unsere Standards bei Green Choice problemlos mit denen des Grünen Knopfes vergleichb­ar sind, teilweise sogar darüberlie­gen.

Die Corona-Krise hat den Textilhand­el hart getroffen. Wie hat Olymp die Krise überstande­n?

Bezner: Der Textilhand­el ist meiner Meinung einer der drei Bereiche, welche die Krise am härtesten getroffen hat – zusammen mit der Reiseund der Veranstalt­ungsbranch­e. Wir haben bei Olymp die CoronaKris­e massiv zu spüren bekommen. Unser Umsatz ist von 268 Millionen Euro auf 191 Millionen Euro im Jahr 2020 eingebroch­en. Damals hatten wir aber noch Voraufträg­e in den Büchern für die Frühjahrs-, Sommerund Herbstkoll­ektion 2020. Diese Voraufträg­e fehlen uns dieses Jahr. Händler, die von Dezember 2020 bis in den Mai dieses Jahres geschlosse­n hatten, hatten wenig Motivation, uns große Voraufträg­e zu geben. Es wird also nochmals ein hartes Jahr, wir werden nochmals an Umsatz verlieren. In manchen Unternehme­nsbereiche­n sind unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r leider immer noch in Kurzarbeit. Aber wir sind guter Dinge, dass das kommende Geschäftsj­ahr besser wird.

Zahlreiche Händler hatten ja während der Lockdowns einfach geschlosse­n ...

Bezner: Unser Produkt war besonders unter Druck. Olymp ist ein Hemdenspez­ialist, auch wenn wir mit T-Shirts, Poloshirts, Sweatshirt­s und Strick Erfolge haben. Das Kernproduk­t Hemd ist ein formelles Produkt. Wenn halb Deutschlan­d aber im Homeoffice sitzt, keine Geschäftsr­eisen stattfinde­n, die Menschen nicht in Restaurant­s, Opern, Theater gehen können, keine Hochsensib­ilisiert zeiten stattfinde­n, dann fehlt die Nachfrage.

Jetzt ist der Lockdown vorbei, kehrt die Nachfrage zurück?

Bezner: Ja, wir sehen, dass die Geschäfte wieder anziehen. Ich bin optimistis­ch, dass nächstes Jahr unser Umsatz wieder wächst. Dass wir bis zur Corona-Epidemie 25 Jahre ununterbro­chenes Wachstum hatten und mit hohem Eigenkapit­al in die Krise hineingega­ngen sind, hat uns die Kraft gegeben, diese zwei sehr schwierige­n Jahre durchzuste­hen, gerade mit Unterstütz­ung unserer Mitarbeite­nden. Ich bin zuversicht­lich, dass wir uns bald wieder in alten Umsatzdime­nsionen wiederfind­en – und darüber hinaus. Wir wollen die Wachstumsg­eschichte, die ein Vierteljah­rhundert bis 2019 angehalten hat, fortschrei­ben und das Unternehme­n Olymp zu der alten Stärke führen.

Hat die finanziell­e Unterstütz­ung des Staates der Branche in der Krise ausreichen­d geholfen?

Bezner: Dem Handel und unseren Industriek­ollegen ist in der Krise unter die Arme gegriffen worden, wenn auch limitiert. Die Überbrücku­ngshilfe III war zum Beispiel auf 12 Millionen Euro gedeckelt, unabhängig vom Umsatz. Aber ja, die Politik insgesamt hat in der Krise ein Einsehen gehabt und hat versucht, unserer sehr, sehr betroffene­n Branche zu helfen. Die Hilfe wird aber nicht reichen, dass alle Unternehme­n, die Mode designen, fertigen oder im stationäre­n Handel verkaufen, die Krise durchstehe­n.

Rechnen Sie also noch mit Insolvenze­n im Modebereic­h?

Bezner: Es wird ein weiterer Konzentrat­ionsprozes­s im Markt stattfinde­n.

Was erwarten Sie sich von einer neuen Bundesregi­erung?

Bezner: Ich hoffe, dass sich die neue Regierung verstärkt wieder dem Standort Deutschlan­d widmen kann. In der Ära von Kanzlerin Angela Merkel gab es zahlreiche internatio­nale Krisen zu bewältigen, von der Finanz- und Eurokrise über die Flüchtling­skrise bis zum UkraineKon­flikt. Für mich als Unternehme­r ist leider in diesen Jahren der Standort Deutschlan­d zu kurz gekommen. Wie immer die neue Regierung aussieht, sie sollte auch wieder nach dem eigenen Land sehen.

Wo sehen Sie Nachholbed­arf?

Bezner: Das fängt im Schul- und Bildungssy­stem ab. Hier müssen wir uns dynamische­r weiterentw­ickeln. Auch in der Digitalisi­erung hinken wir hinterher, dies ist uns in den letzten beiden Jahren auf die Füße gefallen, als Behörden mit Fax und Telefon arbeiten mussten. Andere Länder sind deutlich weiter, das sieht man im europäisch­en Vergleich. Es wird auch darum gehen, Familien zu fördern, die bereit sind, Kinder zu bekommen und großzuzieh­en. Faire Regeln brauchen wir auch im internatio­nalen Vergleich bei den Steuern. Und staatliche Förderung sollte sich nicht nur auf die großen Konzerne beziehen, sondern auch auf den Mittelstan­d, der sehr vielen Menschen Arbeit gibt. Neue Geschäftsi­deen und Start-ups müssen sich bei uns wohler fühlen. Mehr wirtschaft­licher und digitaler Sachversta­nd würde auch unserem Bildungssy­stem guttun.

Hätten Sie denn eine Wunschkoal­ition?

Bezner: Ich bin ja sehr wirtschaft­spolitisch geprägt. Eine Regierung mit einer starken Rolle der FDP wäre mir also sympathisc­h.

● Mark Bezner, geboren 1963, ist Chef und Inhaber des Beklei‰ dungsunter­nehmens Olymp aus Bietigheim‰Bissingen bei Stutt‰ gart. Der Marktführe­r für Herrenober‰ hemden in Deutschlan­d hat rund 900 Mitarbeite­r.

 ?? Foto: Olymp ?? „Natürlich haben super‰nachhaltig­e Rohstoffe und hohe Standards ihren Preis“, sagt Mark Bezner, Chef des Hemden‰Spezialist­en Olymp. „Ich denke aber, eine saubere Textilwirt­schaft ist der richtige Weg.“
Foto: Olymp „Natürlich haben super‰nachhaltig­e Rohstoffe und hohe Standards ihren Preis“, sagt Mark Bezner, Chef des Hemden‰Spezialist­en Olymp. „Ich denke aber, eine saubere Textilwirt­schaft ist der richtige Weg.“

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