Die Gewinner haben verloren
Die Stimmen sind gezählt, die Wahlschlacht ist geschlagen. Fünf Lehren aus der Bundestagswahl im Wahlkreis Augsburg Land
Landkreis Augsburg Schon am Dienstag muss der CSU-Abgeordnete Hansjörg Durz zur Fraktionssitzung in Berlin antreten. Er ist nicht der einzige Abgeordnete aus dem Augsburger Land. Auch der AfD-Mann Rainer Kraft ist wieder mit dabei. Heike Heubach (SPD) aus Stadtbergen hat das Mandat dagegen offenbar knapp verpasst. Allein, dass Heubach überhaupt so weit kam, ist eine faustdicke Überraschung und führt uns direkt zu These eins.
● Politik ist eine Wundertüte
Die SPD im Augsburger Land hatte sich schon etliche Abgesänge anhören müssen. Nach einer Reihe von Wahlschlappen wurden die Genossen zuletzt auch bei den Kommunalwahlen schwer gebeutelt. Unter den Verlieren damals: eine junge Frau namens Heike Heubach, die es nicht in den Stadtberger Stadtrat schaffte.
Eineinhalb Jahre später hätte es Heubach, die schon am Wahlabend verkündete, sie habe Lust auf weitere Kandidaturen, fast geschafft. Nun ist sie erste Nachrückerin, was heißt: Es könnte in den kommenden Monaten durchaus was werden mit dem Traum vom Bundestag. Möglich machten es neben ihrem Mut und ihrer Beharrlichkeit der ScholzEffekt und die Besonderheiten des Wahlrechtes, die für einen besonders großen Bundestag sorgen.
● Die Gewinner haben verloren Blickt man auf die Gewinn-undVerlust-Rechnung der Parteien im Augsburger Land, dann haben Stefan Lindauer (Grüne) und Marina Jakob (Freie Wähler) die höchsten Stimmenzuwächse erzielt. Lindauer bekam bei der Erststimme 4,7 Prozent mehr als vor vier Jahren Franz Bossek, Jakob legte um 2,8 Prozent zu. Bei den Zweitstimmen glückte den Freien Wählern sogar der höchste Zuwachs aller Parteien: Mit plus 4,8 Prozent landeten sie am Ende bei 8,1 Prozent. Doch weder Lindauer noch Jakob haben etwas davon. Lindauer, weil er zu weit hinten auf der Grünen-Liste ist, Jakob, weil die Freien Wähler deutschlandweit an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind. Doch das muss ja nicht auf ewig so bleiben. Und das führt direkt zu These drei.
● Für die CSU könnte es auf Dauer noch schlimmer kommen
Nur mit Ach und Krach hat Hansjörg Durz das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der CSU im Wahlkreis erreicht, und dazu hat sicher vieles beigetragen: Corona, Laschet, Maskenaffäre und so weiter. Eine Ausnahmesituation also? Möglicherweise aber sind die Ergebnisse vom Sonntag Vorboten neuer Kräfteverhältnisse in einer Republik, die keine Volksparteien mehr kennt.
Vergleicht man die Wahlergebnisse von 2013, als die CSU bei Bundestagswahlen letztmals in alter Stärke auftrumpfte, und 2021, so fällt auf: Mit der AfD und den FW sind seitdem zwei Konkurrenten aufgetreten, die es so vorher nicht gab bei Wahlen zum Bundestag. Ob die einfach so wieder weggehen? Ein Trost bleibt den Christsozialen, die weiter wie vor die dominierende Kraft im Augsburger Umland sind. Denn:
● Die AfD schwächelt
Deutliche vier Prozentpunkte weniger bei der Zweitstimme, und ein zweistelliges Ergebnis verfehlt. Nach der CSU erlitt die AfD die höchsten Einbußen. Waren die Rechtspopulisten im Wahlkreis vor vier Jahren noch auf Platz zwei in der Wählergunst (Zweitstimme), so sind sie jetzt auf Rang vier abgerutscht.
Einbußen gab es in den großen Gemeinden Königsbrunn und Gersthofen. Hohe Stimmenanteile verbuchte die AfD weiter in kleineren Orten im Norden und Westen des Landkreises Augsburg. „Unter seinen Erwartungen“sei er geblieben, sagt der amtierende AfD-Abgeordnete Rainer Kraft, richtet sich aber gleichzeitig auf eine längere Zukunft im Politikbetrieb ein. „Die AfD ist gekommen, um zu bleiben.“
● Kandidaten haben kaum einen Heimvorteil
Nehmen wir mal die Zweitstimme, um zu untersuchen, ob die Partei dort heimischer Kandidaten in den jeweiligen Orten gut abgeschnitten hat. Bei Stefan Lindauer hat es schon mal nicht geklappt: Die Grünen kamen in Todtenweis im Landkreis Aichach-Friedberg nicht mal auf ein zweistelliges Ergebnis. AfDMann Kraft hatte daheim in Langweid auch eher ein Auswärtsspiel. Seine Partei verlor dort vier Prozent. Immerhin in Stadtbergen, wo Heike Heubach wohnt, kam die SPD auf fast 20 Prozent. Andererseits sind die Genossen dort meistens besser als im Schnitt der Region. Auch die FDP von Matthias Krause hat in dessen Heimatort Klosterlechfeld nicht überragend gut abgeschnitten. Lässt sich wenigstens für CSU-Matador Durz ein Heimvorteil nachweisen? Auch nicht so richtig: Ein Zweitstimmenanteil von 34 Prozent ist für Neusäß registriert, das liegt nur geringfügig über dem Stimmenanteil der CSU im ganzen Wahlkreis. Immerhin: Bei den Erststimmen kommt der frühere Bürgermeister der Stadt noch auf 48 Prozent.