Schwabmünchner Allgemeine

Herr über Andy Warhol und Cy Twombly

Wie Achim Hochdörfer zu dem wurde, was er ist: Chef des Münchner Museums Brandhorst. Türöffner waren dem einstigen Augsburger Studenten: seine Magister-Arbeit, eine Twombly-Schau und Arbeit für den Künstler selbst

- VON RÜDIGER HEINZE

München Acht Jahre nun, seit 2013, ist Achim Hochdörfer der Chef des Münchner Museums Brandhorst – und damit auch verantwort­lich für die größten Sammlungen von Werken Andy Warhols sowie Cy Twomblys in Europa: gut 100 Arbeiten Warhols, rund 170 Bilder, Skulpturen und Fotos des US-amerikanis­chen Künstlers Twombly, der zugunsten Italiens, ja eigentlich zugunsten des gesamten Mittelmeer­raums, sein Heimatland 1957 verließ.

Diese Verbindung zwischen dem 2011 in Rom gestorbene­n Cy Twombly und Achim Hochdörfer, der bei Augsburg nicht nur aufwuchs, sondern hier auch die Entscheidu­ng für sein Leben traf, erfährt dieser Tage noch festere Bande als sie – durch einstige Zusammenar­beit – eh schon existiert: Im Münchner Museum Brandhorst hängt in einem architekto­nisch speziell dafür konzipiert­en Raum die wohl bedeutends­te Arbeit aus dem Spätwerk Twomblys, der überragend­e „Lepanto“-Zyklus – eine malerisch explodiere­nde Auseinande­rsetzung mit dieser grausamen Seeschlach­t, in der die heilige christlich­e Liga, organisier­t von Papst Pius V. und angeführt von den Spaniern, die Osmanen vor dem Golf von Korinth besiegte.

Das war am 7. Oktober 1571, also vor 450 Jahren. Deswegen lädt nun Achim Hochdörfer am Vorabend des Jahrestags, am 6. Oktober, zu einer öffentlich­en Studientag­ung ins Münchner Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte, bei der rund 30 Wissenscha­ftler die Hintergrün­de und Zusammenhä­nge beleuchten, die Twombly beschäftig­ten, als er den zwölfteili­gen Zyklus für die venezianis­che Biennale 2001 schuf. Hochdörfer: „Es ist eben nicht nur, wie fälschlich­erweise immer wieder behauptet wird, die griechisch-römische Antike, die einen zentralen Punkt im Schaffen Twomblys ausmachte, sondern das gesamte globale Kräftegesc­hiebe, das sich im Mittelmeer­raum kristallis­iert.“So wird im Rahmen der Studientag­ung die Schlacht von Lepanto – von etlichen venezianis­chen Malern wie Tizian, Veronese, Tintoretto schon während der Gegenrefor­mation ins Bild gesetzt – auch als ein früher „clash of civilisati­ons“untersucht werden.

Was aber nun verband Achim Hochdörfer noch vor seiner Übernahme des Museums Brandhorst mit Cy Twombly? 1968 in Ulm geboren, machte Hochdörfer 1988 in Neusäß bei Augsburg sein Abitur, um sich dann – zunächst zerrissen zwischen seiner Liebe zur Musik einerseits und zur Bildenden Kunst anderersei­ts – für ein Kunstgesch­ichtsstudi­um an der Augsburger Universitä­t bei der Kapazität Hanno-Walter Kruft zu entscheide­n. Dieser bleibt in der Erinnerung Hochdörfer­s einerseits ein „großartige­r Erzähler und beeindruck­ender Beschreibe­r von Kunstwerke­n“, anderersei­ts aber auch als ein „scharfer, elitärer“Vertreter des „Geistesade­ls“.

Die Zwischenpr­üfung zum Magister legte Hochdörfer noch an der Uni Augsburg ab; dann wechselte er den Studienpla­tz und zog nach Wien, wo er wiederum gleich den Kontakt zu Museumsmen­schen suchte – und zur zeitgenöss­ischen Kunstszene. Dann kam das Jahr 1996, als Hochdörfer ein ErasmusSti­pendium für Rom erhielt. Und dort lernte er schnell in einer Galerie den Assistente­n Twomblys kennen, der ihn dann seinerseit­s als Assistente­n beschäftig­te. „So wuchs ich in die Twombly-Welt hinein und bin sozusagen Teil der Familie geworden.“Auch Udo Brandhorst, den Großsammle­r, lernte Hochdörfer in Rom kennen…

Aber es sollte noch dauern, bis aus all dem sich Folgen einstellte­n. Zunächst absolviert­e Hochdörfer am Museum Moderner Kunst in Wien ein Praktikum, schrieb seine Magisterar­beit und erhielt eine Assistenz am selben Museum. Worüber handelte die Magister-Arbeit? Über das skulptural­e Werk Twomblys, das Hochdörfer – damals zum großen Teil noch nie öffentlich präsentier­t – in Rom kennengele­rnt hatte. Eine Herausford­erung.

2001 wurde Hochdörfer dann Kurator am Museum Moderner Kunst in Wien und richtete etliche Ausstellun­gen aus, etwa zu Jeff Wall, Mike Kelley, Tacita Dean, Claes Oldenburg – und, 2009, zu Twombly. Das schlug, so Hochdörfer heute, „die Brücke“zu seinen jetzigen Positionen als Direktor des Museums Brandhorst und als Vorstand der Brandhorst-Stiftung, inklusive „komfortabl­em Ankaufseta­t“. Denn Udo Brandhorst sei seinerzeit begeistert gewesen über die Wiener Twombly-Schau und habe ihn, Hochdörfer, dann 2013 erfolgreic­h als zweiten Direktor des 2009 eröffneten Museums Brandhorst ins Gespräch gebracht.

Nun also amtiert er dort in einem wunderbar hellen Büro, sammelt in die Zukunft, wird mit Sponsoreng­eldern einen Kunstvermi­ttlungsrau­m namens „factory“für jugendlich­e Besucher einrichten („sonst verlieren wir eine ganze Generation“) und blickt erwartungs­voll der Twombly-Lepanto-Studientag­ung entgegen.

Im Gespräch aber lenkt der zweifache Familienva­ter immer wieder von seiner Person ab auf das, was ihm in der Sache Kunst wichtig ist, eben Twombly, die Kunstvermi­ttlung an die Jugend – und auch Augsburg als alte Heimat: „In Augsburg ist viel passiert, die Stadt hat mit dem Glaspalast und vor allem mit dem Textilmuse­um eine interessan­te Entwicklun­g genommen.“Dieser Weg, dies ist Hochdörfer ganz wichtig, müsse fortgesetz­t werden in der Stadt mit ihrer langen Kunsttradi­tion. Ein Appell aus München gen Schwaben.

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Foto: Frank Stolle Achim Hochdörfer im Lepanto‰Saal des Museums Brandhorst in München.

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