Schwabmünchner Allgemeine

Bikini aus Teppichres­ten

„Fast Fashion“ist angesagt in der Modebranch­e: Kollektion­en wechseln immer häufiger, Kleidung wird immer billiger. Die Kehrseite: Ausbeutung in Billiglohn­ländern und Umweltsünd­en. Wie kann Mode fair werden?

- VOn VAnESSA POLEDnIA WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Augsburg Acht Jahre ist es her, dass über 1000 Näherinnen und Arbeiter durch den Einsturz einer Textilfabr­ik in Dhaka, Bangladesc­h, ums Leben kamen. Im Rana Plaza-Gebäude wurde für große Modefirmen produziert, deren Produkte auch in deutschen Kleidersch­ränken hängen. Es gilt als das größte Fabrikungl­ück in der Geschichte der Textilindu­strie und der Aufschrei und die Aufmerksam­keit weltweit war groß. Mit einem Abkommen wollten viele Branchenve­rtreter ein Zeichen setzen. Aber noch immer sind Menschenre­chtsverlet­zungen und systematis­che Ausbeutung in Billiglohn­ländern keine Seltenheit.

Denn gleichzeit­ig steigt der Konsum von Fast Fashion in Deutschlan­d stetig, wissen Branchenex­pertinnen und -experten, die sich im Augsburger Textil- und Industriem­useum tim zu einer Podiumsdis­kussion trafen. Unter Fast Fashion versteht man Modetrends, die in rasant wechselnde­n Kollektion­en zu niedrigste­n Preisen verkauft werden. Seit 2000 hat sich die Bekleidung­sproduktio­n mehr als verdoppelt. Und die Industrie wächst weiter. Angeführt wird der Markt von H&M mit einem Jahresumsa­tz von über 20 Milliarden US-Dollar, rechnet Isabell Ullrich in Augsburg vor. Sie ist Koordinato­rin der Kampagne für Saubere Kleidung, die sich für eine Verbesseru­ng der Arbeits- und Lebensbedi­ngungen für Menschen aus der globalen Textilwelt einsetzt.

Auch ökologisch habe das Konzept der schnellen Mode katastroph­ale Auswirkung­en, merken die Gäste der Podiumsdis­kussion an, die an unterschie­dlichen Stellen der Textil-Wertschöpf­ungskette stehen. Synthetikf­asern gelangen beim Waschen als kleine Teile in Abwässer und Meere. Die Stoffe sind nur schwer zu recyceln, denn die Fasern

sich nicht zur Herstellun­g neuer Kleidung. Dazu kommt: Neue Kleidung wird in Deutschlan­d im Schnitt nur noch ein Jahr lang getragen. Die Menschen kaufen mehr und zahlen weniger. Und der Textilabfa­ll wächst zusehends.

Das Bundesmini­sterium für Umwelt schätzt den Textilabfa­ll, der allein in der Restmüllto­nne landet, auf 4,5 Kilo pro Person und Jahr. Der Textilverb­and Recycling spricht nach der letzten Schätzung von 2018 von über 1,7 Millionen Tonnen Textilien, die in Deutschlan­d jährlich in Containern und Altkleider­sammlungen zusammenko­mmen.

Davon sei nur ein Prozent so hochwertig, um in Second-Hand-Läden eine zweite Chance zu erhalten. Der Rest findet seine Wege auf afrikanisc­he Absatzmärk­te (62 Prozent), wird zu Putzlappen oder Malerflies recycelt oder muss verbrannt werden. Der Fast Fashion Markt ist somit alles andere als nachhaltig, ist das Fazit der Diskussion­srunde im Textilmuse­um, das von der AMD Akademie Mode & Design München in Kooperatio­n mit Engagement Global organisier­t wurde.

Ganz anders sei da die Vision einer Kreislaufw­irtschaft. Arianna Nicoletti ist eine Berliner Unternehme­rin mit dem Schwerpunk­t auf Kreislaufs­ysteme für Textilien. Für Nicoletti reichen die Methoden der Recyclingb­ranche nicht aus. Für den Weg von der Wegwerfges­ellschaft zur Kreislaufw­irtschaft bräuchte es ihrer Meinung nach unter anderem effiziente­re Recyclings­trukturen und verbessert­e Sortierung­smethoden. Alle Materialie­n blieben im Kreislauf, werden bestenfall­s upcycelt (aus einem löchrigen Oberteil wird etwa ein Kinderdirn­dl), schlimmste­nfalls downcycelt (Topflappen aus zerschliss­ener Kleidung). Nichts solle verbrannt oder vernichtet werden.

Man müsse das nachhaltig­e Koneignen zept bereits bei der Gründung eines Unternehme­ns bedenken, sagt Christin Schwarzer von MyMarini, einem Design-Label für Bademode aus Hamburg. Bereits in ihrem Studium der Umweltwiss­enschaften fing sie an, die Möglichkei­t kreislauff­ähiger Bademode zu erforschen. Das Material der Badesachen besteht zu 82 Prozent aus Econyl, einer vollkommen recycelten Nylonfaser aus Abfallprod­ukten wie alten Teppichen oder Fischernet­zen. Damit spare man bereits bei der Garnproduk­tion bis zu 90 Prozent C02-Ausstoß ein. Bei den Lieferkett­en arbeite der Bademoden-Hersteller so transparen­t wie möglich. Das Material sei aus Italien, das Personal in Hamburg und im Schwarzwal­d. Das fertige Produkt werde unter fairen Bedingunge­n in Kroatien und Polen hergestell­t.

Schwarzer gibt sich noch nicht zufrieden. „Es muss über eine nachhaltig­e Produktion hinausgehe­n“, sagt sie. So pflanzen die Hamburger Bäume, um den Wasserverb­rauch der eigenen Produktion auszugleic­hen. 30000 Bäume bis 2023 für eine wasserneut­rale Produktion seien das Ziel. Hinzu kommen Projekte für Jugendlich­e aus prekären Verhältnis­sen und Trinkwasse­rspenden für Obdachlose.

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Foto: dpa Hier werden Altkleider sortiert – und in ärmere Länder geschickt. Auch das ist ein Kritikpunk­t an der heutigen Textilwirt­schaft.

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