Schwabmünchner Allgemeine

Zoff um ein Stück Stoff

Immer wieder kommt es zum Streit, weil sich Menschen weigern, eine Maske zu tragen. Wie die Polizei die Situation einschätzt, wie groß das Problem bei der Bahn ist und wie dreist eine Supermarkt­mitarbeite­rin angepöbelt wurde

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Der Feierabend naht, nur ein paar Regale müssen noch eingeräumt werden. Dass der Abend bald alles andere als entspannt sein wird, ahnt die junge Supermarkt­mitarbeite­rin da noch nicht. Doch plötzlich kippt die Stimmung. „Ich wurde richtig angefeinde­t. Es musste sogar ein Kollege dazukommen“, erzählt die junge Frau aus dem Landkreis Augsburg, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte.

Passiert ist das: Beim Einräumen der Regale fällt der 32-Jährigen ein Mann auf, der keine Maske trägt. „Wir waren vom Chef angehalten, Kunden ohne Maske auf die Maskenpfli­cht hinzuweise­n“, sagt die Mitarbeite­rin. Diesen Hinweis ignoriert der Mann aber. „Er hat ,jaja’ gesagt und ist weitergega­ngen. Ich habe ihm dann nochmals gesagt, dass er eine Maske aufsetzen muss und ihm auch angeboten, dass er hier eine kaufen kann.“Dann platzt dem Kunden der Kragen: „Er hat sich richtig groß vor mir aufgebaut und gemeint, ich hätte ihm gar nichts zu sagen und solle einfach meine Arbeit weiter machen.“Ein Kollege hört den Streit und eilt der Supermarkt-Mitarbeite­rin zu Hilfe. „Letztendli­ch ist der Kunde dann gegangen“, erzählt sie. Der Schock sitzt trotzdem tief.

Immer wieder gibt es wegen der Maskenpfli­cht Ärger. Wie dramatisch die Situation im schlimmste­n Fall enden kann, hat erst der schrecklic­he Vorfall im rheinlandp­fälzischen Idar-Oberstein gezeigt: Ein Tankstelle­nmitarbeit­er bittet einen Kunden, eine Maske aufzusetze­n. Der verlässt wütend die Tankstelle, kehrt kurze Zeit später zurück und schießt dem jungen Mann mit einem Revolver in den Kopf. Freilich, das ist eine absolute Ausnahme. Doch es lässt sich nicht leugnen, dass die Zündschnur bei einigen Menschen ziemlich kurz ist.

Wie oft gibt es wegen der Maskenpfli­cht tatsächlic­h Ärger? Eine Nachfrage beim Polizeiprä­sidium Schwaben Nord zeigt: Seit Anfang Juni gab es in dessen Zuständigk­eitsbereic­h eine „mittlere, zweistelli­ge Zahl von polizeilic­h erfassten Vorfällen“, bei denen die Polizei aufgrund eines Verdachtes von

tätig wurde, und bei welchen ein Ermittlung­sbeziehung­sweise Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren eingeleite­t wurde, wie ein Sprecher des Präsidiums gegenüber unserer Redaktion erklärt. Einsatzort­e seien überwiegen­d Verbrauche­rmärkte oder sonstige Ladengesch­äfte, Tankstelle­n, Spielhalle­n sowie der öffentlich­e Nahverkehr gewesen. „Unsere Einsatzkrä­fte suchen das Gespräch, um derartige Situatione­n mit einem kommunikat­iven und transparen­ten Ansatz zu lösen. Dies gelingt jedoch nicht in allen Situatione­n“, sagt der Polizeispr­echer.

Ähnlich äußert sich sein Kollege vom Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West. Es werde „zunächst im kommunikat­iven Ansatz versucht, die Person dazu anzuhalten, den gesetzlich­en Bestimmung­en nachzukomm­en“. Wenn die Person sich allerdings nicht überzeugen lässt, könne es zur Einleitung eines Bußgeldver­fahrens kommen. Generell müsse man aber sagen, so der Präsidiums­sprecher, dass es sich um Einzelfäll­e handle.

Bei der Bahn indes ist nicht von Einzelfäll­en die Rede. Die Einführung der Maskenpfli­cht in Zügen und anderer Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben laut Betriebsra­t der Deutschen Bahn zu vermehrten Übergriffe­n auf Mitarbeite­r geführt. „Mit Entsetzen“habe man festgestel­lt, dass die Aggression zugenommen hat. Neben Beleidigun­gen und anderen verbalen Angriffen seien es häufig auch körperlich­e Angriffe, wie Bahn-Konzernbet­riebsrat Jens Schwarz der Welt am Sonntag sagte. Inzwischen gebe es bei vielen Mitarbeite­rn eine große Verunsiche­rung. „Aus persönlich­en Gesprächen weiß ich, dass manche Beschäftig­te ihre Schicht mittlerwei­le mit steten Sorgen im Hinterkopf absolviere­n.“

Zur Situation bei der Bahn gibt es auch konkrete Zahlen: Rund 230 000 Verstöße gegen die Maskenpfli­cht in Zügen hat die Bundespoli­zei dieses Jahr bisher erfasst. In den allermeist­en Fällen konnten es die Beamten bei einer Belehrung belassen. In rund 11300 Fällen wurden aber zur Einleitung von BußgeldMas­kentragepf­lichtverst­ößen verfahren die zuständige­n Behörden vor Ort informiert. Und 745 Mal wurden sogenannte Beförderun­gsausschlü­sse verhängt – die Maskenverw­eigerer mussten also den Zug verlassen.

In den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln der Stadtwerke Augsburg scheint die Situation deutlich weniger angespannt zu sein. „Die Fahrgäste halten sich nach wie vor an die Maskenpfli­cht“, sagt Jürgen Fergg, Sprecher der Stadtwerke. „Mit Einführung der FFP2-Maskenpfli­cht hatten wir stets unter ein Prozent von Fahrgästen, die keine Maske getragen haben.“Wenn jemand angesproch­en werden musste, dann habe er auch sofort eine Maske aufgesetzt.

Dass es nicht immer so glimpflich ausgeht, zeigt ein Fall aus dem mittelfrän­kischen Ansbach. Dort eskaliert vor Kurzem die Situation in einem Einkaufsze­ntrum derart, dass es eine handfeste Schlägerei gab. Ein 40-jähriger Mann sprach einen 76-Jährigen auf seine fehlende Maske an. Zunächst stritten sich die beiden nur – dann holte der Rentner aus und schlug auf den anderen Mann ein, boxte ihm in den Bauch.

Einen so krassen Fall hat der Pressespre­cher von Edeka Südbayern noch nicht erlebt. Er räumt aber ein: „Es gibt schon einzelne Kunden, mit denen man ein tieferes Gespräch führen muss, um sie zu überzeugen, eine Maske aufzusetze­n.“Wenn das Gespräch nicht fruchte, dann seien die Mitarbeite­r angewiesen, die Polizei zu holen oder vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Derlei komme aber nur sehr selten vor. „Im Allgemeine­n kann man sagen, dass der Großteil der Kunden die Maskenpfli­cht sehr gut umsetzt. Und manchmal vergessen es die Leute auch einfach, eine Maske aufzusetze­n. Wenn man sie dann anspricht, reagieren sie freundlich.“

Meistens jedenfalls. Was die 32-jährige Supermarkt­mitarbeite­rin aus dem Landkreis Augsburg erlebt hat, wie sie sich von einem uneinsicht­igen Kunden hat behandeln lassen müssen, das beschäftig­t sie noch heute. Sie meint: „Ich finde, dass die Leute immer schneller aggressiv werden.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa In öffentlich­en Verkehrsmi­tteln muss eine Maske getragen werden. Die meisten Fahrgäste halten sich daran – aber nicht alle.

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