Gefährliche Kurven mit Bergblick
Der Riedbergpass im Oberallgäu besteht seit 60 Jahren. Die Kreisstraße wurde für 80 Millionen Euro umgebaut, um die Strecke sicherer zu machen. Doch jetzt häufen sich die Unfälle
Obermaiselstein Der Riedbergpass ist für Motorradfahrer ein Erlebnis – und ein Risiko. Bis auf 1400 Meter Höhe schlängelt sich die 16 Kilometer lange Straße zwischen den Oberallgäuer Gemeinden Obermaiselstein und Balderschwang. Doch die malerisch am Alpenrand gelegene Strecke, die am Freitag nach jahrzehntelangem Umbau mit einem Festakt für den Verkehr freigegeben wurde, ist gefährlich: Erst vor einer Woche verunglückte ein 21-jähriger Biker schwer. Seit Jahresbeginn registrierte die Polizei über 25 Unfälle – allein sechs Motorradfahrer stürzten in einer gefährlichen S-Kurve. Deswegen wurden Warnschilder und sogenannte Kurvenleittafeln aufgestellt. An einer Gefahrenstelle gilt jetzt ein Tempolimit und Überholverbot. Für den Großteil der Strecke gilt aber weiter freie Fahrt für Motorradfahrer.
Am Wochenende wird mit einem Festprogramm das 60-jährige Bestehen des Passes gefeiert. 1961 rollten die ersten Autos über die damalige Mautstraße. Für die 350 Bewohner von Deutschlands höchster Gemeinde Balderschwang ist der Riedbergpass die einzige Verbindung ins Heimatland. Bevor die Passstraße im Jahr 1956 in den Fels geschlagen wurde, war die Oberallgäuer Gemeinde nur über das Nachbarland Österreich oder über steile Alpwege entlang des Riedberger Horns zu erreichen – das durch das umstrittene Bergbahnprojekt in den vergangenen Jahren landesweite Bekanntheit erlangt hat. Die Straße zu erhalten ist ein finanzieller Kraftakt. 80 Millionen Euro hat der Landkreis Oberallgäu in den vergangenen 25 Jahren in den Riedbergpass investiert. Die Schattenseite: Den neuen Asphalt des ausgebauten Passes nutzen einzelne Motorradfahrer als Rennstrecke.
„Es ist eine sehr sichere Straße“, betonte Christoph Wipper, Tiefbau-Leiter im Landratsamt Oberallgäu bei einem Treffen der Unfallkommission mit Vertretern von Polizei, Behörden und Gemeinden, die Ende August wegen der Vielzahl von Kollisionen an der Passhöhe zusammenkam. Die Straße sei nach den geltenden Sicherheitsstandards gebaut worden, erklärte Wipper. An den Leitplanken ist ein Unterfahrschutz und vor scharfen Kurven sind reflektierende Schilder angebracht. Wer vernünftig ist, fährt jetzt sicherer über den Pass.
Doch nicht alle sind vernünftig, deswegen kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Häufig ist überhöhte Geschwindigkeit die Ursache, berichtet die Polizei. Im Juli kollidierte ein 57-Jähriger mit der Leitplanke, wurde von seiner Maschine geschleudert, stürzte 40 Meter die Böschung hinunter und wurde schwer verletzt. Ein 40-Jähriger starb im Juni. Er verlor die Kontrolle über sein Motorrad und prallte gegen ein Auto.
Obermaiselsteins Bürgermeister Frank Fischer ist früher selbst leidenschaftlich Motorrad gefahren und kennt den Reiz, Passstraßen auf einer schnellen Maschine hinaufzugleiten. Der Rathauschef hat seine Maschine inzwischen verkauft – für den Tourismusort sind die Gäste auf zwei Rädern weiter wichtig. Es gibt sogar Hotels, die sich auf Biker spezialisiert haben. „Motorradfahrer sind uns willkommen“, sagt Fischer. „Wir können nicht alles verbieten und müssen darauf setzen, dass die Biker die Hinweisschilder an der Passstraße ernst nehmen – im eigenen Interesse.“
Tempo 60 und Überholverbot: Die neuen Schilder wurden jetzt zwischen dem Parkplatz einer Alpe und der Einfahrt zu einem Steinbruch montiert. Auch dort hat es schon mehrere schwere Unfälle gegeben. Die Polizei hat zudem die Kontrollen am Pass verstärkt und mobile LED-Anzeigen sollen die Fahrer künftig vor gefährlichen Stellen warnen – wenn sie zu schnell unterwegs sind. Im Sommer 2022 will die Unfallkommission eine erste Zwischenbilanz ziehen und weitere Schritte wie ein generelles Tempolimit prüfen. Zumindest am Samstag dürfte es auf der Kreisstraße relativ sicher zugehen. Zur Feier des 60. Pass-Geburtstages ist die Strecke von 10 bis 14 Uhr gesperrt. Erlaubt sind neben Bussen nur Fußgänger, Radler und E-Biker.