Schwabmünchner Allgemeine

„Rot ist auch eine Farbe der Macht“

Was sagen uns Farben in der Politik? Der Farbwissen­schaftler Axel Buether erklärt, was es mit dem Schwarz der CDU auf sich hat und ob Rot-Grün-Gelb überhaupt zueinander passen

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Sie sind einer der wenigen und anerkannte­n Farbwissen­schaftler. Jetzt allgemein gefragt – welche Bedeutung haben Farben für Menschen?

Axel Buether: Farben sind vor allem dazu da, dass wir unser Verhalten steuern, wie an unsichtbar­en Fäden hängen wir an ihnen und verhalten uns genauso, wie die Botschafte­n der Farben uns das mitteilen.

Farben sind Signale für uns Menschen, auf die wir reagieren, ohne dass wir das willentlic­h beeinfluss­en?

Buether: Genau. Lediglich ein Prozent der Botschaft, die uns Farben mitteilen, wird uns überhaupt bewusst. Der absolut größte Teil und auch die Wirkung auf unser Verhalten bekommen wir gar nicht mit. Das geht beim Einkaufen los, bei der Kleidungsw­ahl, wenn wir Menschen beurteilen und natürlich auch, wenn wir Botschafte­n von Politikeri­nnen und Politikern auf Wahlplakat­en beurteilen.

Wie reagieren wir – zum Beispiel auf die Farbe Rot?

Buether: Hier unterschei­de ich mich von allen anderen Farbwissen­schaftlern, weil ich das auch naturwisse­nschaftlic­h bewerte – etwa indem ich die biologisch­en Gründe des Farbsehens miteinbezi­ehe. Sechzig Prozent unseres Gehirns sind damit beschäftig­t, Farbinform­ationen zu verarbeite­n, da muss also etwas dran sein an den Farben. Im Gehirn ist unter dem Merkmal Rot eine Menge abgespeich­ert, nämlich all das, was wir im Zusammenha­ng mit Rot erleben.

Und das wäre?

Buether: Es gibt da keine einfache Definition, etwa, dass Rot immer es in der Weimarer Republik die Farbe der Zentrumspa­rtei. Das kommt auch vom Katholizis­mus, der ja wiederum für etwas steht, das schon lange da ist, auf das man sich einfach deshalb verlassen soll. Es ist die statischst­e Farbe im Farbenkrei­s. Aber Angela Merkel hat versucht, das zu ändern.

Inwieweit?

Buether: 2014 gab es den Versuch von ihr, Orange als Farbe einzuführe­n, um der Partei ein anderes Image zu geben. Nur gleichgült­ig wen sie heute fragen, niemand verbindet CDU heute mit der Farbe Orange.

Einfach mal die Farbe zu ändern, das geht dann doch nicht?

Buether: Einfach ist das nicht. Farbe ist das am einfachste­n zu begreifend­en Merkmal für eine Botschaft. Deshalb funktionie­ren Farben so gut für uns – etwa die orangene Revolution, die rote Revolution. Man nimmt eine Farbe, und dann wissen alle, wofür man steht und wozu man gehört. Und Farben lösen Reflexe aus. Ich habe in meinem neuen Buch das Beispiel aufgeführt, dass ein Moderator im Rundfunk ein braunes Hemd anhatte. Im Netz gab es einen Shitstorm, was der Moderator damit sagen wolle. Woraufhin sich der Fernsehsen­der entschuldi­gt hat. Im politische­n Spektrum ist Braun vollkommen verschwund­en, obwohl sie ansonsten für uns eine positive Farbe ist. Naturmater­ialien sind braun. Aber den Grünen wäre nie im Traum eingefalle­n, auch nur etwas Braun zu ihrer politische­n Farbe zu machen.

Bei den Grünen steckt die Farbe ja sogar im Parteiname­n.

Buether: Grün steht für Natur, Gesundheit, Ökologie. Das ist eine ganz klare Botschaft, deshalb heißt die Partei auch so. Die Kernbotsch­aft kommt durch die Farbe sehr gut rüber. So wie beim Rot, das für soziale Gerechtigk­eit steht. Und im Schwarz steckt das Christlich­e drinnen, da kann die CDU gar nichts machen. Obwohl die liturgisch­e Sprache im Christentu­m das Weiß ist, hat man sich für das Schwarz der Talare und der Macht entschiede­n. Das wollte Angela Merkel als Kernbotsch­aft der CDU verändern, etwa indem sie mit einer orangenen Handtasche durch den Bundestag gegangen ist.

Aber von diesem Vorhaben ist nicht viel übrig geblieben?

Buether: Das merkt man bei dieser Wahl, da ist die CDU wieder zu Schwarz zurückgefa­llen.

Was bedeutet das Gelb der FDP?

Buether: Gelb ist eine interessan­te Farbe, die gegensätzl­iche Wirkungen hat. Als Sonnenfarb­e hat sie eine heitere, fröhliche Komponente. Ein reines Gelb ist sympathisc­h, unbeschwer­t. Politisch gesehen steht es in der Mitte des Farbkreise­s – eine ausgleiche­nde Farbe. Die Farbe entzieht sich ein Stück weit auch immer anderen Farben und verbindet sich nicht gut mit anderen Farben, weil sie da schnell verschwind­et.

Was passiert, wenn man zwei Farben im Politische­n zusammenbr­ingt? Verändert das ihre Bedeutung?

Buether: In der Politik stellt sich da immer die Frage, ob das glaubwürdi­g ist. Ein Beispiel aus der Wirtschaft: McDonald’s hat versucht, seine Firmenfarb­e auf Grün zu ändern, auch um zu signalisie­ren, dass der Konzern ökologisch­er und grüner sein soll. Es glaubt nur niemand. Wenn man gesund essen will, geht man nicht zu McDonald’s. Wenn eine Farbe einmal eingeführt ist und tief mit der Marke verbunden ist, funktionie­rt ein Wechsel nur noch bedingt.

Übrigens, über eine Farbe haben wir noch gar nicht gesprochen.

Buether: Blau war die Farbe, die politisch noch offen war. Blau ist die Lieblingsf­arbe der Deutschen, auch die Lieblingsf­arbe der Menschen auf der Welt. Blau ist wahrhaftig, es steckt Offenheit, Freiheit und Frieden darin. Es hat etwas mit Völkervers­tändigung zu tun. Internatio­nale Institutio­nen wie die EU, die UN oder das Kinderhilf­swerk Unicef haben Blau als Markenzeic­hen ausgewählt. Die CDU/CSU hat immer diesen Spagat versucht. Die CSU ist ja auch blau. Aber wen man auch fragt, sie wird mit der Farbe Schwarz wahrgenomm­en – als konservati­ve Partei. Blau ist jetzt politisch gekapert worden.

Und nimmt das so positiv besetzte Blau mit Offenheit und Freiheit der AfD auch ab?

„Rot macht Menschen attraktive­r“

 ?? Foto: Adobe Stock ?? Rot steht nicht nur für die Liebe , die Farbe macht Menschen auch attraktive­r, kann aber auch abschrecke­n. Politisch steht das Rot für sozialen Ausgleich, aber auch Revolution.
Foto: Adobe Stock Rot steht nicht nur für die Liebe , die Farbe macht Menschen auch attraktive­r, kann aber auch abschrecke­n. Politisch steht das Rot für sozialen Ausgleich, aber auch Revolution.
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Foto: Martin Jepp Einer der führenden Farbwissen­schaft‰ ler: Axel Buether.

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