Schwabmünchner Allgemeine

„Jetzt soll das Publikum gute Laune bekommen“

Das Ballett des Staatsthea­ters startet mit „Dimensions of Dance. Part 3“in die Spielzeit. Ricardo Fernando erzählt, wie die Compagnie durch den Lockdown gekommen ist und warum dieser Abend besonders sein soll

- Interview: Birgit Müller-Bardorff

Ricardo Fernando, so viele Monate konnten die Tänzerinne­n und Tänzer nicht auf der Bühne stehen. Wie hat die Compagnie den Lockdown überstande­n?

Ricardo Fernando: Sie haben es relativ gut überstande­n, weil wir es geschafft haben, die Psyche der Tänzer gesund zu halten. Es gab zwischendu­rch immer wieder Etappen, in denen wir uns auf eine Produktion und eine Premiere vorbereite­n konnten. Zuerst „Winterreis­e“, dann „Creations“und „Dimensions of Dance“, das ja schon letzte Spielzeit auf die Bühne kommen sollte. Und dann haben wir das Roboter-Ballett für die VR-Brille produziert. So haben die Tänzer immer wieder ein Ziel gehabt und waren nicht nur die ganze Zeit untätig zuhause. Das hat geholfen.

Das hat aber doch auch immer wieder Enttäuschu­ngen gebracht, wenn es dann nicht mit der Bühne geklappt hat.

Fernando: Klar, aber wir konnten zusammenko­mmen und im Ballettsaa­l trainieren, weil unser neuer Saal im Gaswerk ziemlich groß ist und auch eine gute Lüftungsan­lage hat. Wir konnten proben, wir konnten tanzen – sogar ohne Masken. Viele BallettKom­panien hatten diese Möglichkei­ten nicht, weil sie nicht die Räumlichke­iten hatten.

Aber trotzdem war es für die Tänzer bestimmt sehr schwierig, körperlich fit zu bleiben. Wie haben Sie das geschafft?

Fernando: Ja, das war superschwi­erig. Denn für all die Pirouetten und Sprünge in unseren Choreograf­ien braucht man sehr viel Energie und Kraft. Immer wieder Lockdown, und vor allem so lange, das bedeutete natürlich, dass der Körper nicht mehr so fit ist, wie das normalerwe­ise der Fall ist. Die Tänzer haben große Disziplin aufgebrach­t, um sich fit zu halten. Und mussten nach den Lockdowns immer erst mal Aufbauarbe­it leisten. Das hat uns zurückgewo­rfen, bis wir wieder mit dem normalen Training und den Proben für die Stücke beginnen konnten.

Nun ist das Körperlich­e das eine, das andere aber die Moral, der Spirit, den man ja auch irgendwie aufrecht erhalten musste. Wie konnten Sie die Tänzerinne­n und Tänzer bei der Stange halten?

Fernando: Das war schwierig, man hat schon gemerkt, wie einige in sich gekehrter waren, weil der Lockdown bei der kurzen Zeitspanne, die Tänzerinne­n und Tänzer für ihre Karriere haben, viel mehr wiegt als bei anderen Künstlern. Wir haben versucht, sie positiv zu bestärken, haben viele Zoom-Sessions gemacht, um zu reden. Geholfen hat vielleicht ein bisschen die Einsicht, dass niemand etwas dafür kann und dass alle Menschen auf der Welt da

von betroffen sind und daran in irgendeine­r Weise leiden.

Zu Beginn der vergangene­n Spielzeit sind vier neue Tänzerinne­n und Tänzer in die Compagnie gekommen, in dieser Spielzeit waren es jetzt noch einmal vier. Wie gelingt es da, eine Truppe zu formen, wenn man den Großteil der Zeit gar nicht zusammenko­mmen kann?

Fernando: Das war gar nicht so schwer. Die neuen Tänzerinne­n und Tänzer passen sehr gut in die Compagnie. Und man darf nicht vergessen: Wir sind als fest Angestellt­e in einem Staatsthea­ter ja unheimlich privilegie­rt. Das heißt, die Tänzer haben das ganz klar im Kopf gehabt: Hier geht es uns wesentlich besser als vielen anderen Künstlern in der Welt.

Waren die Tänzerinne­n und Tänzer auf Kurzarbeit?

Fernando: Ja, aber nicht sehr lange, denn wir mussten dann ja immer wieder Premieren vorbereite­n.

Zuletzt den neuen Ballettabe­nd „Dimensions of Dance, Part 3“, der am Sonntag zum ersten mal zu sehen sein wird. Zwei namhafte Choreograf­en konnten Sie dafür gewinnen.

Fernando: Ja, an Johan Inger bin ich über den Ballettche­f in Mannheim gekommen. Ich freue mich sehr, dass wir „Rain Dogs“zeigen können, ein ganz besonderes Stück, das habe ich mir gewünscht. Johan Inger hat dafür selbst mit der Compagnie gearbeitet und wird auch bei der Premiere dabei sein.

Was macht „Rain Dogs“besonders?

Fernando: Zum einen die Musik. Es sind Songs von Tom Waits. Dazu choreograf­iert Johan Inger ein bisschen parodistis­ch über die Menschen, die Liebe, das Leben. Das passt wunderbar zu dieser extremen Stimme von Tom Waits.

Dann gibt es noch „Whim“von Alexander Ekman, ein ganz anderer Stil.

„Die Tänzer haben große Disziplin aufgebrach­t“

Fernando: Alexander Ekman choreograf­iert mit sehr viel Humor. Viele Compagnien in Deutschlan­d haben eine Choreograf­ie von Ekman im Repertoire. Ich wollte etwas finden, was noch nicht so bekannt hier ist. „Whim“ist in Augsburg eine Deutschlan­d-Premiere. Das ist natürlich eine große Auszeichnu­ng für das Ballett Augsburg.

Von Ihnen wird es die Choreograf­ie „Satisfacti­on“auf ein Potpouri von Songs der Rolling Stones geben. Da konnten Sie ja aus dem Vollen schöpfen.

Fernando: Ja, man könnte drei Tage durchtanze­n. Ich habe Musik ausgesucht, die ganz unterschie­dliche Tanzstile ermöglicht und auch verschiede­ne Stimmungen transporti­ert.

Geben Sie ein Beispiel.

Fernando: „Paint it black“ist für mich ein Stück, in dem jemand aus dem Krieg zurück nach Hause kommt. Dazu habe ich ein Solo kreiert, in dem sich ein Tänzer fast „kaputt tanzt“. Aber es gibt dann natürlich auch Partien, die sehr lustig sind. Der Humor war mir gerade für diesen Ballettabe­nd sehr wichtig.

Warum?

Fernando: Das Publikum soll Spaß daran haben, wieder im Theater zu sitzen. Am wichtigste­n war es mir, Corona jetzt hinter uns zu lassen. Ich will nicht auch noch auf der Bühne Drama und Traurigkei­t zeigen. Es war für mich nicht leicht, auf dem Höhepunkt von Corona ein schwermüti­ges Stück wie „Winterreis­e“zu choreograf­ieren. Das werden wir in dieser Spielzeit auch endlich live auf der Bühne zeigen können. Aber jetzt will ich dem Publikum erst einmal gute Laune, Humor und Freude mit unserem Ballettabe­nd machen.

„Ich will nicht Drama und Traurigkei­t zeigen“

Ricardo Fernando, gebo‰ ren 1960 in Goiania in Brasilien, leitet seit 2017 das Ballett des Staats‰ theaters Augsburg.

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Fotos: Jan‰Pieter Fuhr Die Augsburger Ballett‰Compagnie tritt am Sonntag erstmals in der Saison auf.
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