Das sind die elf historisch bedeutendsten Wohnhäuser
Die Augsburger Gebäude zeichnen sich vor allem durch ihre Architektur aus. Sie haben viele Jahrhunderte, Krieg und Zerstörung überstanden. Was diese Bauwerke so besonders macht und welche Geschichten sie erzählen
Nicht nur die Brandruine in der Karolinenstraße war ein besonderes Baudenkmal in Augsburg. Viele der architektonisch auffälligsten historischen Gebäude sind auch heute noch ehemalige Wohnhäuser wohlhabender Bürger – wie Patrizier, Kommerzienräte, Fabrikbesitzer. In der Zeit der „Freien und Reichsstadt Augsburg“lebten vor allem in den Steuerbezirken um das Rathaus herum finanzkräftige Familien. Dutzende Häuser zeigten gestaltete Fassaden, Treppenhäuser oder Festsäle. Der größere Teil davon wurde 1944 zerstört, etwa das Wohnhaus der Welser an der Karolinenstraße, das Wohnhaus der Köpf/Münch am Martin-Luther-Platz oder die Wohnhäuser der Familien Rad und Schnurbein an der Ludwigstraße. In diesem Bereich gibt es deshalb nur noch sehr wenige historische Wohnhäuser. Dagegen blieb an der Maximilianstraße und in ihrer Umgebung mehr von der historischen Bebauung erhalten. Hier elf besondere historische Wohnhäuser in Augsburg. 1 HarterHaus, Maximilianstraße 39
Manchen Großbürgerhäusern sieht man von außen nicht an, was architektonisch an ihnen bedeutsam sein soll. Das Harter-Haus ist so ein Fall. Es ist ein recht schlichter Bau mit einem spitzen Dach und einem Erker. Solche Erker waren in Augsburg sehr beliebt, sie durften aber laut Bauordnung nicht zu weit in den Stadtraum ausgreifen. Warum nun ist dieses Haus etwas Besonderes? Das liegt vor allem am Inneren – dem Innenhof mit seinen Bögen und Diamantquadern und mehr noch an den Innenräumen mit üppigsten Stuckdecken aus dem 17. Jahrhundert. Und das liegt auch an dem prominenten Architekten – Elias Holl errichtete 1598/99 dieses Wohnhaus für den Bürger Hieronymus Harter.
2 Wintergasse 7 In diesem Fall ist es auch der Innenhof, der dieses Bauwerk zu etwas Einzigartigem macht: Als es um 1610/20 entstand, hatte man dergleichen in Augsburg noch nicht gesehen: Ein offenes Treppenhaus, das in die Arkaden des Seitenflügels übergeht. Vom obersten Stock kann der Blick zum Rathaus und über die Dächer des Lechviertels schweifen. Ähnliche „Logen-Architekturen“entstanden ab den 1570er Jahren, wenn auch in größerem Maßstab an den „Strade nuove“(Neuen Straßen) in Genua. Das Haus an der Wintergasse hatte noch einen zweiten, tiefer liegenden Innenhof, der vom Hunoldsgraben aus erreichbar war. Denn die Höfe hatten vor allem einen funktionalen Charakter: Sie sorgten für Licht und Luftzufuhr, sie dienten aber auch als Abstellplatz für Kutschen oder als Lieferzone für Waren. Deshalb mussten Innenhöfe in Handelshäusern befahrbar sein, was auf der engen Parzelle an der Wintergasse nur bedingt möglich, wohl aber zum Hunoldsgraben realisierbar war. 3Köpfhaus, PhilippineWelserStra
ße Nach dem 30-jährigen Krieg und im 18. Jahrhundert wurden in Augsburg nur wenige Häuser von Grund auf neu gebaut – dazu zählten das Palais Liebert (heute Schaezlerpalais) sowie der Gasthof „Zu den drei Mohren“(heute Hotel Maximilian’s). Meist ließen die Besitzer ihre Liegenschaften umbauen. Verändert wurde meist nur der Schmuck der Fassaden und der Innenräume. Vor allem die Architektursprache des Werkmeisters Johann Andreas Schneidmann (1698-1759) war sehr prägend für Augsburg. 1738 beauftragte ihn der Kaufmann Christian Georg von Köpf, ein älteres, 1578 von Johannes Holl errichtetes Gebäude umzubauen. Schneidmann verpasste dem Haus reich gegliederte, aber relativ flache Putzfassaden mit bekrönenden Schweifgiebeln.
Typisch für Augsburger Bürgerhäuser dieser Zeit waren der Verzicht auf Ornamente - sozusagen elegante Zurückhaltung in gebauter Form. Der erste Stock wies immer eine reichere Gliederung auf, weil er als das „schöne Geschoss“(Beletage / Piano nobile) galt, in dem sich die repräsentativen Festräume befanden. Das Innere - vor allem die Halle von 1578 mit dem im 18. Jahrhundert eingebauten Treppenhaus blieb weitgehend erhalten. Das Fresko mit dem „Triumph des Handels“im Treppenhaus malte Gottfried Bernhard Göz 1739.
4 Weite Gasse 10 Auch das Bürgerhaus an der Weiten Gasse, dessen Architekt unbekannt ist, zeigt eine ähnliche Gestaltung: Einen flach vorspringenden Mittelteil (Risalit) mit Schweifgiebel, und eine flache Putzgliederung, jedoch keinen Stuck. Hintergrund ist, dass damals jeder Bauaufgabe die Idee des Schicklichen zugrunde gelegt wurde: Die Gesellschaft war hierarchisch organisiert, jeder Stand musste gewisse Verhaltensregeln einhalten. Dazu gehörte eine bestimmte Kleidung, aber auch die Architektur war hiervon betroffen. Zu starkes Ornament nach außen hin wurde für ein Bürgerhaus als „nicht schicklich“angesehen. Dies schrieben zum Beispiel die Architekturtheoretiker Nicolai Goldmann und Leonhard Christoph Sturm in ihrer „Anweisung zu der Civil-BauKunst“, die 1715 in Augsburg gedruckt wurde. Im Haus an der Weiten Gasse lebte im 18. Jahrhundert die aus Danzig zugezogenen Silberarbeiterfamilie Bartermann. Heute sieht man an diesem Gebäude, wie stark die Wirkung von Architektur auch mit dem Umfeld zusammenhängt: Die umgebenden Neubauten und die triste Gestaltung des öffentlichen Raumes entwerten die Architektur des historischen Hauses. 5 Welserhaus, PhilippineWelser
Straße 13 An der Philippine-Welser-Straße blieb das Zusammenspiel historischer Gebäude erhalten; und die Fassade des Hauses Nummer 13 kann als Schmuckstück gelten. Das Bauwerk geht auf 16. Jahrhundert zurück. 1529-37 wohnte hier Franz Anton Welser, der Vater der schönen Philippine. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert gehörte das Gebäude unter anderem den Kaufmannsfamilien Pfeiffelmann, de Crignis und Kremer. Es hatte 1730 noch eine freskierte Fassade. Ganz am Ende des 18. Jahrhunderts wurde dann eine streng symmetrische Schauseite vorgeblendet. Sogar auf den in Augsburg heiß geliebten Schweifgiebel verzichtete der unbekannte Architekt zugunsten eines tempelartigen Dreiecksgiebels.
Um 1800 beschäftigten sich Architekturtheoretiker mit adäquaten Fassadenfarben, etwa 1790/94 Friedrich Christian Schmidt in seinem Werk „Der Bürgerliche Baumeister“. Hell und zurückhaltend wie bei dieser Fassade, wenn nicht sogar an Natursteinfarben orientiert, sollten die Schaufronten sein. Eine bittere Pille für die Freskoverliebten Augsburger, die nur durch reichlich Ornament ausgeglichen werden konnte. Aber halt, war das nicht „unschicklich“? Nun, die strengen Standesregeln waren mittlerweile in Auflösung begriffen: Die Bürger behängten ihre Häuser förmlich mit Ornamenten aus der Antike. Spätestens ab 1810 war diese Architektur veraltet und man sprach abfällig von „Zopfstil“– benannt nach der ebenfalls altmodischen Zopfperücke. 1944 wurde das Haus sehr stark beschädigt, aber mit der alten Fassade aufgebaut.
6 HalderHaus, Fuggerplatz, 8
Gleich benachbart zum vorher gezeigten Haus steht ein recht ähnliches Wohngebäude. Der Architekt
Johann Konrad Ganzenmüller betonte die Lage in der Straßenkurve durch einen mit Halbsäulen vorspringenden Mittelteil. Während Ganzenmüller auf Zierrat verzichtete, wählte er eine sehr geschichtete Putzgliederung, deren Strenge durch die monochrome Fassung in einem Naturstein-Ton unterstrichen wird. Die Architektur entstand 1804 im Auftrag des „Banquiers“Georg Walther von Halder. Später kam das Haus in den Besitz des Infanterie-Regiments-Generals Bothmer. Im Inneren blieben bezaubernde Deckenbilder aus dem 19. Jahrhundert erhalten.
7 MartiniHaus, Ulrichsplatz 12
Nachdem Augsburg 1806 dem Königsreich Bayern eingegliedert worden war, entwickelte es sich zu einer wichtigen Industriestadt. Die neue Oberschicht, die „Textilbarone“und ihre Finanziers, ließen zunächst innerhalb der Stadtmauern prächtige Wohnhäuser bauen, etwa die Riedinger oder Forster. Die Familie Martini erwarb ein Bürgerhaus am Ulrichsplatz und beauftragte den Star-Architekten Jean Keller 1897 mit dem Umbau. Keller griff tief in die Klaviatur des sogenannten Historismus. Das heißt, er wählte Schmuckformen der Vergangenheit aus. Die Platzfassade überzog er mit Rokoko-Ornamenten. Der Hof sieht aus wie der eines LoireSchlösschens. Auch im Inneren ließen die Martinis sich nicht lumpen: Vertäfelungen, schmiedeeiserne Geländer und Lampen zieren zum Beispiel Einfahrt und Treppenhaus. 8 Wohnhausgruppe Völkstraße
2830 und Frohsinnstr. 11 Während des 19. Jahrhunderts verloren Augsburgs einstige Goldmeilen - die Maximilianstraße, die Annastraße, die
Philippine-Welser-Straße, die Karolinenstraße sowie die Ludwigstraße - an Strahlkraft. Vor allem ums Rathaus herum wurden Wohnhäuser zu Geschäftsbauten umfunktioniert. Viele, die es sich leisten konnten, zogen in neuere Viertel in eine Villa oder ein elegantes Mehrparteienhaus. Architektenbüros kauften Areale auf der grünen Wiese auf und bebauten sie. Besonders erfolgreich waren Walter Krauss und Hermann Dürr sowie Albert Jack und Maximilian Wanner. Eine der schönsten Wohnhausgruppen entstand um 1910 an der Völkstraße. Jedes der drei aneinandergebauten Häuser hat einen Giebel, der auf einem anderen Ornamentmotiv basiert. Diese Ornamente kommen im Zaun wieder vor. Die Inspiration für diese Motivik liegt quasi in Sichtweite: Die Giebel von St. Ulrich sind aus ähnlichen geometrischen Mustern aufgebaut. Um 1900 schätzte man zudem eine leuchtende Farbigkeit, die für Augsburg ungewöhnlich war. Sie wurde von fortschrittlichen Architekten und Kunsthandwerkern in München, der sogenannten Sezession, propagiert. Später nannte man diesen Stil nach der Zeitschrift „Die Jugend“auch den Jugendstil. 9 Wohnhaus Strauß, Nibelungen
straße 17 Nur gut 20 Jahre später, der Erste Weltkrieg war über Europa hinweggefegt, war es schon wieder vorbei mit Blütenornamenten oder geometrischen Mustern. Nun strebten die Architekten nach etwas Neuem. Das „Neue Bauen“oder die „Moderne“entstand. Und diese Art zu Gestalten schwappte in den 1920er Jahren bis nach Augsburg: An der Nibelungenstraße 17 ließ sich der Justizrat Eugen Strauß 1930 ein kubisches Wohnhaus errichten,
das mit seinen weißen Fassaden aus der Umgebung herausstrahlte. 0 PfaudHaus, Mittleres Pfaffen
gässchen 12 Die Nazi-Diktatur hinterließ Augsburg als Trümmerhaufen, viele der schönsten Häuser sind seitdem verloren. Der Architekt Robert Pfaud, der später auch Stadtheimatpfleger war, erwarb Anfang der 1950er Jahre eine kriegszerstörte Turnhalle am Mittleren Pfaffengässchen. Die Ruine brach er nicht ab, sondern nutzte die Außenmauern weiter. Das neue, ganz bescheidene Wohnhaus und ein Rückgebäude entstanden quasi in der Turnhalle, deren Westfront nun einen kleinen Garten abschirmt. Die Architektur ist damit ein Musterbeispiel für das Recycling von bestehender Architektur, wie es zwischen 1945 und 1955 häufiger vorkam. Erst mit dem Wirtschaftswunder setzte dann eine Abbruchwelle ein, die Augsburg noch einmal zahlreicher historischer Bauten beraubte. ! Seyssel d’Aixsches Schlösschen, Klausenberg 20 Schon im 16. Jahrhundert ließen sich reiche Bürger Gärten mit eigenen Gartenhäusern anlegen. Vorbildlich hatte hier Italien gewirkt. Im Frühjahr fuhren die Augsburger Patrizierfamilien also mit der Kutsche auf den Landsitz, wo sie dann die Sommerzeit verbrachten. Einige dieser Gartenhäuser entstanden in Göggingen. Schon 1650 ist am Klausenberg 20 ein „Lusthaus“bezeugt, das sich der Bürger Daniel Buroner hatte errichten lassen. Peter Paul von Ritsch ließ das Gartenhaus 1786-88 durch Johann Martin Pentenrieder umbauen. In den 1920er Jahren erwarb die Familie Seyssel d’Aix das Gartenschlösschen. Nach ihr ist es heute benannt.