Schwabmünchner Allgemeine

So kam das Löschwasse­r ins Trinkwasse­r

Der Zwischenfa­ll beim Brand in Augsburg warf Fragen auf. Inzwischen ist klar, wie der Löschschau­m ins Trinkwasse­r kam – und warum es bis zur Warnung einige Zeit dauerte

- VON JÖRG HEINZLE

Das Wasser, das am Morgen des 11. September in einer Wohnung im Augsburger Domviertel aus dem Hahn kommt, sieht auf den ersten Blick aus wie Milch, es schäumt auch etwas. Sie habe es bemerkt, als sie Zähne putzen wollte, schreibt eine Augsburger­in dazu im sozialen Netzwerk Facebook. Das Fläschchen für ihr Kind sei da aber schon längst gemacht gewesen. Auch andere Bewohner der Innenstadt merken an diesem Samstagmor­gen, dass mit dem Trinkwasse­r etwas nicht stimmt. Einige melden sich deshalb bei den Stadtwerke­n und fragen nach. Schnell wird klar: Bei den Löscharbei­ten wegen des Brandes in dem historisch­en Haus in der Karolinens­traße ist mit Löschschau­m vermischte­s Wasser ins Trinkwasse­rnetz gelangt. Eigentlich darf so etwas nicht passieren - doch passiert ist es trotzdem. Inzwischen ist klar, wie es zu der Löschwasse­r-Panne gekommen ist. Und die Stadt erklärt, weshalb es fast drei Stunden gedauert hat, bis die ersten Warnungen veröffentl­icht wurden.

Der Einsatz in der Karolinens­traße war für die Augsburger Feuerwehr extrem fordernd. Die enorme Hitze, die Enge in der Innenstadt, das hartnäckig­e Feuer, das einfach nicht ausgehen wollte. Alarmiert wurde die Feuerwehr am späten Freitagnac­hmittag, gegen 17.20 Uhr. Nach stundenlan­gen Löscharbei­ten forderten die Augsburger Feuerwehrl­eute um 4.30 Uhr eine sogenannte Teleskopma­stbühne der Münchner Berufsfeue­rwehr zur Unterstütz­ung an. Das Fahrzeug sieht auf den ersten Blick einer Drehleiter ähnlich, hat aber anstelle der ausfahrbar­en Leiter einen Teleskopar­m, mit dem man bei einem Brand an schwer erreichbar­e Stellen kommt. Das Spezialfah­rzeug sollte dabei helfen, die historisch­e Fassade des Gebäudes zu retten, sagt Augsburgs Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU).

Gegen 6.30 Uhr passierte dann

Angaben der Stadt die Panne. Aus dem Teleskopfa­hrzeug wurde Löschwasse­r zurück in einen Hydranten gedrückt - der Druck im angeschlos­senen Schlauch war höher als im Wassernetz. Der hohe Druck war entstanden, weil aus dem Teleskopfa­hrzeug kurzzeitig kein Löschwasse­r ins Feuer gespritzt wurde. Eigentlich darf das nicht passieren. Es gibt sogenannte Systemtren­ner, die eingesetzt werden, um einen Rückfluss des Löschwasse­rs in das Trinkwasse­rnetz zu verhindern. Das Problem war aber, dass das Teleskop-Fahrzeug über zwei Leitungen mit Hydranten verbunden war. Bei der einen Leitung war ein Löschfahrz­eug der Augsburger Berufsfeue­rwehr „zwischenge­schaltet“- und die Augsburger Fahrzeuge haben nach Angaben der Stadt alle einen „Rückflussv­erhinderer“eingebaut. Die zweite Leitung aber war nicht entspreche­nd gesichert. Laut sagen will es bei der Stadt niemand, weil man den Münchner Feuerwehrl­euten für ihren schnellen nächtliche­n Einsatz dankbar ist - aber den Fehler sieht man offenbar bei ihnen. Zwar war das Missgeschi­ck den Feuerwehrl­euten sofort aufgefalle­n, zu diesem Zeitpunkt war zumindest eine kleinere Menge Löschwasse­r aber schon im Trinkwasse­r.

Zwischen dem Zwischenfa­ll gegen 6.30 Uhr und der Warnung der Bevölkerun­g vergingen rund drei Stunden. Bei manchen Augsburger­innen und Augsburger­n sorgte das für Ärger. „Wozu braucht es eine Warn-App, wenn sie erst mit stundenlan­ger Verspätung über verunreini­gtes Trinkwasse­r informiert?“, meinte ein Betroffene­r. Eine Augsburger­in schrieb im Internet, als sie von der Verunreini­gung des Trinkwasse­r erfahren habe, „war Körperpfle­ge und Frühstück längst vorbei“. Ordnungsre­ferent Frank Pintsch sagt, die Stadtwerke seien von der Feuerwehr umgehend informiert worden, der Krisenstab der Stadt habe dann um 8.50 Uhr von der Löschwasse­r-Panne erfahren und die Warnung veranlasst. Ab 9.30 Uhr seien Lautsprech­erwagen durch die betroffene­n Gebiete gefahren, bereits eine Viertelstu­nde zuvor hätten die Stadtwerke die Medien informiert und auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen die Warnung verbreitet, gegen zehn Uhr sei die Warnung dann auch auf den städtische­n Kanälen online gewesen. Der Alarm über die Warn-App Nina habe sich auch deshalb etwas verzögert, so Pintsch, weil man für die App zunächst eine Karte des betroffene­n Bereichs habe anfertigen müssen.

Dass nicht sofort am frühen Morgen gewarnt wurde, begründen die Stadtwerke damit, das zunächst „die Gefährdung­slage beurteilt werden musste und auch gleich Handlungse­mpfehlunge­n erfolgen mussten“. Der Bereitscha­ftsdienst der Stadtnach werke sei etwa 30 Minuten nach der ersten Informatio­n vor Ort gewesen, um die Lage zu beurteilen. 30 Minuten seien bereits die Leitungen gespült worden. Dabei sei festgestel­lt worden, dass das Wasser aus der Leitung Schaum bildete. Allerdings sei auch schnell klar gewesen, dass keine größere Gefahr bestehe. „Bei dem Mittel kann es zu Reizungen der Schleimhäu­te der Augen und im Rachen kommen, wenn dieses konzentrie­rt in Augen oder Rachen gelangt“, sagt ein Stadtwerke-Sprecher. Die Konzentrat­ion sei durch die Lösung im Wasser aber so gering gewesen, dass eine tatsächlic­he Reizung sehr unwahrsche­inlich gewesen sei. Deshalb habe man auch nur vom Verzehr abgeraten, nicht aber vom Duschen.

Auch im Nachhinein gibt die Stadt Entwarnung. Frank Pintsch sagt: „Auch rückblicke­nd hat sich die erste Einschätzu­ng bestätigt, dass die Verunreini­gung nur in sehr geringer Dosis und mit sehr großer Verdünnung erfolgte.“Nach derzeitige­m Stand habe zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheit­sgefahr für die Bevölkerun­g bestanden. Bei den Stadtwerke­n heißt es, es seien bisher keinerlei Gesundheit­sbeschwerd­en bei Kunden bekannt geworden.

Kann sich ein Zwischenfa­ll wie beim Brand in der Karolinens­traße in der Zukunft wiederhole­n? Eigentlich nicht, meint Frank Pintsch. Zum einen seien die Augsburger Löschfahrz­eug alle mit einem Rücklaufsc­hutz ausgestatt­et. Dass man bei Fahrzeugen, die von außen kommen, besonders aufpassen muss, werde nun zudem ein fester Bestandtei­l des Schulungsp­rogramms.

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Foto: Jörg Heinzle (Archivbild) Beim Einsatz in der Karolinens­traße ist Löschschau­m ins Trinkwasse­r gelangt.
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Foto: Julia Reif‰Mack So sah das verunreini­gte Trinkwasse­r im Waschbecke­n einer Augsburger Woh‰ nung aus.

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