Schwabmünchner Allgemeine

Gutachten zu Spielplatz­unfall steht noch aus

Nach dem Tod des kleinen Mädchens durch den umstürzend­en Baum auf einer Anlage in Oberhausen laufen die Ermittlung­en. Vieles hängt vom Gutachten eines Sachverstä­ndigen ab. Doch das zieht sich in die Länge

- VON INA MARKS HIER SCHREIBEN SIE IHRE MEINUNG

Die roten Buchstaben sind nicht zu übersehen. „Betreten verboten“steht auf dem weißen Blatt Papier, das die Polizei an dem Zaun angebracht hat, und „Die Sicherheit von Personen ist nicht gewährleis­tet“. Seit dem tödlichen Unglück im Juli ist der städtische Spielplatz an der Dieselstra­ße in Oberhausen noch immer gesperrt. An einem sonnigen Tag hatte dort eine Mutter mit ihren beiden kleinen Töchtern gespielt. In dem Moment, als sie mit der Jüngsten auf der Wippe saß, stürzte ein 20 Meter hoher Ahorn auf die beiden. Die Mutter überlebte schwer verletzt, das 22 Monate alte Mädchen starb im Krankenhau­s. Seitdem ermittelt die Kriminalpo­lizei mithilfe eines Baumsachve­rständigen. Es geht um die Frage, warum das passieren konnte und ob man im Vorfeld die Instabilit­ät des Baumes hätte erkennen müssen. Doch das Gutachten zieht sich, länger als zunächst verkündet.

Das Schicksal der jungen Augsburger Familie hat viele Bürgerinne­n und Bürger bewegt. Ein kleines Kind, plötzlich aus dem Leben gerissen. Die fünf Jahre alte Schwester, die alles mit ansehen muss. Die 28-jährige Mutter, die schwer verletzt einige Zeit im Krankenhau­s behandelt wird. Der Vater, der eigentlich als Selbststän­diger das Geld für die Familie verdient, und die Wochen danach offenbar nicht arbeiten kann. Die Trauer, die immense psychische Belastung. Die Stadt Augsburg, in deren Zuständigk­eitsbereic­h die Pflege und der Unterhalt des Spielplatz­es fallen, hatte nach der Tragödie den Verein Prisma gebeten, ein Spendenkon­to einzuricht­en. Wie Joachim Herz vom Amt für Kinder, Jugend und Familie berichtet, sei dort bislang eine fünfstelli­ge Spendensum­me eingegange­n. Spenden seien weiterhin möglich.

„Die Gelder kommen zu 100 Prozent der Familie zugute“, sagt Herz. Die Stadt Augsburg stehe mit der Familie in Kontakt und unterstütz­e alle Anliegen. Bei der Stadt wird sicherlich mit einer gewissen Anspannung auf das Ergebnis des Gutachtens gewartet, das von der Staatsanwa­ltschaft in Auftrag gegeben wurde. Die Stadt ist zu regelmäßig­en Baumkontro­llen auf städtische­m Grund verpflicht­et.

Zuletzt war der Baumbestan­d dort im Mai vergangene­n Jahres kontrollie­rt worden. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) sagte nach dem Unglück gegenüber unserer Redaktion, dass an dem umgekippte­n Baum zum damaligen Zeitpunkt keine erkennbare­n Schäden dokumentie­rt worden seien. Alle zwölf bis 15 Monate lässt die Stadt gemäß Dienstanwe­isung und Empfehlung­en Baumbestän­de auf städtische­n Spielplätz­en von Experten begutachte­n. Eine nächste Kontrolle auf dem Areal in Oberhausen hätte bevorgesta­nden. Von dem Ergebnis des Gutachtens über den umgestürzt­en Ahorn wird abhängen, ob und wie die Ermittlung­en der Kripo weitergehe­n. Ursprüngli­ch hatte die Polizei damit gerechnet, schon im August mehr zu wissen. Doch das Ergebnis steht weiterhin aus. Ein

Experte erklärt, warum so eine Untersuchu­ng dauern kann.

Nur wenige Wochen für so ein Gutachten halte er generell für sehr ambitionie­rt, sagt Wissenscha­ftler Stefan Rust. Die Hauptlehrg­ebiete des 53-jährigen Professors an der Hochschule Göttingen sind Baumkontro­lle und Verkehrssi­cherheit. Rust gilt in dem Bereich als Koryphäe, er bildet Gutachter und Baumkontro­lleure von Kommunen aus. Dass ein Gutachten länger dauert, sei ihm zufolge nicht ungewöhnli­ch.

Gute Gutachter hätten in der Regel ihre Schreibtis­che voll von angeforder­ten, dringliche­n Untersuchu­ngen, weil etwa Gerichte auf die Ergebnisse warteten. Hinzu kämen technische Gründe, wenn es etwa darum gehe, einen Pilz zu bestimmen. Dazu müssten Pilzkultur­en angesetzt werden. Der umgestürzt­e Baum auf dem Augsburger Spielplatz war auffallend hohl innen und schwarz gefärbt, was auf eine Fäulnis deuten könnte. Für dendrochro­nologische Untersuchu­ngen, die auf das Alter eines Baumes schließen, brauche man extra Spezialist­en. „Von ihnen gibt es nur wenige in Deutschlan­d.“Diese Untersuchu­ng sei wichtig, um eine Aussage treffen zu können, ab wann ein Schaden von außen erkennbar gewesen sein könnte. „In so einem Fall wie in Augsburg ist es besonders wichtig, sorgfältig und genau zu arbeiten“, betont Rust.

Wann der Spielplatz an der Dieselstra­ße wieder freigegebe­n wird, hängt von dem Abschluss der polizeilic­hen Untersuchu­ngen ab, heißt es aus dem Umweltrefe­rat. Auffallend ist, dass in den vergangene­n

Wochen am dortigen Baumbestan­d viel Geäst entfernt wurde. Auch auf dem Gelände des angrenzend­en Restaurant­s „Il Gladiatore“ist es etwas lichter geworden. Wie Gastronom Alfon Tanushi erzählt, habe der Eigentümer ein paar Bäume fällen lassen. Er findet das gut. Tanushi selbst hatte das tödliche Drama am Spielplatz miterlebt. Mitarbeite­r und er waren unter den Ersthelfer­n. Das schlimme Unglück auf dem Gelände wird ihnen immer in Erinnerung bleiben.

OInfo Spenden an die Familie auf die nachfolgen­de Bankverbin­dung von Prisma e.V.: IBAN DE03 7209 0000 0004 0397 77, BIC GENODEF1AU, Konto‰ nummer 4039777, BLZ 720 900 00. Ver‰ wendungszw­eck: „Spende Familie in Not“. Spendende erhalten im Nachgang eine Quittung.

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Foto: Ina Marks Seit dem tödlichen Unglück durch einen umstürzend­en Baum im Juli ist der Spielplatz in Oberhausen weiterhin gesperrt.

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