Gesundheitsamt warnt vor vierter Welle
Vor ziemlich genau einem Jahr schoss die Corona-Inzidenz in Augsburg nach oben und erreichte Rekordwerte. Es deutet einiges darauf hin, dass das wieder passieren könnte
Nach Einschätzung des Gesundheitsamtes steht eine vierte CoronaWelle mit hohen Inzidenzwerten in Augsburg unmittelbar bevor. „Ich gehe davon aus, dass die Werte jetzt relativ schnell steigen werden“, so der stellvertretende Gesundheitsamtsleiter Dr. Thomas Wibmer. Es seien zwar 71 Prozent der Augsburger Bevölkerung ab zwölf Jahren vollständig geimpft (61 Prozent über alle Altersgruppen hinweg), gleichzeitig sei die Delta-Variante deutlich ansteckender. Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Augsburg laut Robert-Koch-Institut bei 113,2. Vergleiche man den aktuellen Verlauf mit dem vor exakt einem Jahr, sehe man große Parallelen. Zwischen der ersten und zweiten Oktoberwoche begann damals der ungebremste Anstieg auf Werte über 350, die zu den höchsten in Deutschland gehörten. „Wir müssen auch in diesem Jahr wahrscheinlich mit sehr hohen Zahlen rechnen“, so Wibmer.
In Augsburg war die Corona-Lage den Sommer über relativ ruhig, Anfang September gab es dann einen kleinen Gipfel mit einem Wert von etwa 160 (wir berichteten), der inzwischen überschritten wurde. Diesen Sondereffekt mit Reiserückkehrern, so Wibmer, habe man auch vor einem Jahr festgestellt, damals aber noch auf einem insgesamt geringeren Niveau. Inzwischen sei diese Vorwelle durchgelaufen. Nach einer kleinen Delle Ende September mit Werten unter 100 gehen die Zahlen in der Tendenz jetzt wieder nach oben. Die Impfungen könnten den Anstieg womöglich etwas verlangsamen. „Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass jetzt schon viele geimpft sind, die Inzidenzen aber dennoch hoch sind.“Auch wenn man den Inzidenzwert beiseitelasse und sich die Krankenhausbelegung anschaue, sei die Entwicklung nicht allzu positiv. Die Zahl der Corona-Patienten und -Patientinnen in der Uniklinik ist seit Wochen höher als vor einem Jahr.
In der Uniklinik waren am Freitag 33 Patienten und Patientinnen mit Corona in Behandlung, 14 davon auf der Intensivstation. Der Großteil der Betroffenen sei ungeimpft, so die Uniklinik. Aktuell habe man noch keine weiteren Corona-Stationen öffnen müssen. Die Uniklinik hat zwei Corona-Normalund zwei -Intensivstationen mit je 25 Betten in Betrieb. Das entspricht der untersten Stufe eines Stufenplans. Allerdings verzeichne man eine „angespannte“Lage. Uniklinik-Vorstand Prof. Michael Beyer hatte kürzlich gesagt, dass man mit steigenden Zahlen rechne, aber hoffe, besser durch den Winter zu kommen als vor einem Jahr. Laut Wibmer gibt es an der Uniklinik schon erste Einschränkungen, etwa bei Krebs-Operationen. Rein auf Augsburg bezogen könne man sich fragen, ob das bayernweite Ampelsystem, das momentan noch auf Grün steht, nicht schon umspringen müsste. „Es wird hier langsam eng, aber letztlich zählt die bayerische Ampel. Aktuell ist bayernweit die Hälfte der Bettenkapazitäten ausgeschöpft, bevor die Schwelle zur gelben Ampel erreicht wird. In ein paar Wochen schon könnte das aber der Fall sein“, warnt Wibmer.
Inzwischen hat das Gesundheitsamt einen Erklärungsansatz dafür entwickelt, warum Augsburg mitunter relativ früh von Wellen getroffen wird, während andere bayerische Städte erst mit Verzögerung nachziehen. Der Grund, vermutet Wibmer, sei die Lage in Südbayern gepaart mit dem relativ hohen Anteil an Bürgern und Bürgerinnen mit familiärer Bindung in süd- und südosteuropäische Staaten. „Die Wellen, die aus dem Süden kommen, kommen hier früher an“, so Wibmer. Das liege an Urlaubsfahrten, aber eben auch an Familienbesuchen. In Balkanländern sei zu Beginn der Ferien die Inzidenz teils extrem niedrig gewesen. „Die Leute sind sorglos hingefahren. Das Problem: Es waren dann nicht nur ein paar, sondern viele“, so Wibmer. Familienfeste, wegen der Ferien in anderen Bundesländern häufig schon Anfang August, hätten dann in kurzer Zeit dort Werte von über 700 zur Folge gehabt, was zu schnellen Rückreisen führte. In der Vorwelle seien viele Bürger und Bürgerinnen mit Migrationshintergrund betroffen gewesen. „Inzwischen stellen wir das so aber nicht mehr fest“, betont Wibmer.
Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) sagte, die Stadt könne das Gesundheitsamt mit Personal aus anderen Ämtern zügig verstärken, wenn Werte weiter steigen. Inzwischen habe der Freistaat festgelegt, dass die Gesundheitsämter sich dann auf bestimmte Fälle konzentrieren sollen, etwa wenn ein Zusammenhang
mit einer Großveranstaltung im Raum steht. Man plane auch eine weitere Motivationskampagne zum Thema Impfen. In der Stadtratssitzung sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) unter Bezug auf eine Befragung der Uniklinik bei Infizierten, dass die meisten gut informiert seien über Impfangebote. „In der Regel kamen dann Antworten wie ,Hatte noch keine Zeit‘ oder ,Wollte erst noch in den Urlaub fahren‘ “, so Weber. Die Uniklinik gehe davon aus, dass jeder, der nicht geimpft ist, sich infizieren werde, sei es mit einem schweren oder leichten Verlauf, so Weber.
Im Stadtrat gab es unterschiedliche Meinungen zur Frage, ob weitere Impfkampagnen sinnvoll sind. Frederik Hintermayr (Linke) forderte, das Impfmobil der Stadt solle nicht nur am Nachmittag in den Stadtteilen stehen, sondern auch mal am frühen Abend, um Beschäftigten die Impfung am Feierabend zu ermöglichen. Lars Vollmar (FDP) forderte von Erben deutlich mehr Kreativität. Manche FußballZweitligisten in der Provinz böten an, dass Spieler einen Eintrag ins Impfbuch machen. In Augsburg gehe das wohl nicht. Peter Schwab (CSU) entgegnete, er frage sich, ob weitere Bemühungen in diese Richtung überhaupt noch ziehen. „Wir können beim Impfen nicht noch Purzelbäume machen.“Dass es ein Angebot gebe, müsse inzwischen wohl überall angekommen sein. Schwab klagte auch darüber, dass es in Augsburg nun einen Test-anbieter gibt, der eine monatliche 79-Euro-Testflatrate anbieten will. „Das Rennen gegen solche Angebote verlieren wir“, so Schwab.
Ab 11. Oktober wird der Staat nur noch für bestimmte Personengruppen wie Schüler Gratis-Tests anbieten. Andere Testwillige müssen zahlen, wenn sie den Test etwa für einen Gaststättenbesuch benötigen. Das soll die Impfquote steigern. Die Kosten für einen Schnelltest werden in den Teststationen an Plärrer, Maximilianstraße und in Haunstetten, die bisher im Auftrag der Stadt betrieben wurden, künftig bei 15 Euro liegen. Die Kosten für PCR-Tests werden deutlich höher liegen.