Schwabmünchner Allgemeine

Erntedank!

Etwa 300 000 Menschen helfen jedes Jahr mit, die Ernte einzubring­en. Darunter Deutsche, die ihren Urlaub mit der Arbeit auf dem Feld oder im Weinberg verbringen. Die meisten aber kommen aus Osteuropa. Eine Erntehelfe­rin und drei Erntehelfe­r erzählen

- Laura Wolz, 26, Weinlese in Randersack­er in Franken

Stef Ovidio, 42, Apfelernte in Wahlwies am Bodensee

Ich komme schon seit 14 Jahren nach Wahlwies auf den Obsthof von Tanja und Wolfram Renner. Mein Bruder und seine Frau hatten vorher für einige Jahre hier gearbeitet. Und als mein Bruder dann nach Spanien ging, kam ich als Ersatz für ihn her. In den ganzen Jahren hat sich an meiner Arbeit nicht wirklich etwas verändert. Wir beginnen immer morgens um 8 Uhr und arbeiten bis 18 Uhr. Mittags ist eine Stunde Pause. Ich pflücke die guten Äpfel, lege sie in die großen Obstkisten und bringe die, wenn sie voll sind, zum Hof. Faule Äpfel bleiben auf dem Boden der Apfelplant­age, angeschlag­ene kommen ins Mostobst. Beim Pflücken dreht man den Apfel und legt ihn vorsichtig in die Kiste, damit er nicht beschädigt wird. Wir pflücken jeden Baum zweimal ab, so haben die etwas kleineren Äpfel noch ein paar Tage Zeit zum Wachsen und nehmen noch mehr Farbe an. Das Pflücken macht mir Spaß. Wenn du magst, was du tust, ist es nicht hart. Das Einzige, was die Arbeit manchmal erschwert, ist Regen oder überhaupt schlechtes Wetter. Wir sind ja immer draußen, aber wir haben Regensache­n, dann geht das gut.

Wir sind hier zwölf Erntehelfe­r und kennen uns schon lange. Wir sind inzwischen gute

Markus König, 19, Hopfenernt­e in Ilmendorf bei Pfaffenhof­en

Seit ich sechs Jahre alt bin, helfe ich bei der Hopfenernt­e mit. Man kann sagen, dass ich eigentlich schon immer mit dabei bin. Mein Onkel Manfred König baut Hopfen an und ihm gehören ein Hof sowie Felder in Ilmendorf. Das ist ein kleines Dorf, das zu Geisenfeld im Landkreis Pfaffenhof­en gehört.

Ich arbeite hauptberuf­lich als Land- und Baumaschin­enmechanik­er. Für die Hopfenernt­e im August nehme ich mir jedes Jahr drei Wochen Urlaub und dann geht es eben anstatt an den Strand auf das Feld. Aber das ist total okay für mich, weil mir die Arbeit einfach Spaß macht und ich meinem Onkel wirklich gerne helfe. Viele meiner Arbeitskol­legen sind übrigens auch jedes Jahr mit von der Partie bei der Hopfenernt­e – aber jeder irgendwo anders.

Der Tag beginnt immer sehr früh. Zwischen 6 und 6.30 Uhr klingelt mein Wecker. Da ist es ganz praktisch, dass ich nur ein Häuschen weiter wohne und der Arbeitsweg dadurch sehr kurz ist. Dann stehe ich auf, mache mich kurz fertig, frühstücke und schaue, dass ich um spätestens 7 Uhr auf dem Hof bin.

Freunde. Für uns gibt es eine eigene Wohnung mit fünf Schlafzimm­ern und zwei Bädern direkt neben dem Wohnhaus der Familie Renner. In der Pause kocht sich jeder was zum Essen. Wir könnten natürlich auch gemeinsam kochen – aber das ist wie in der Familie: Dem einen schmeckt dies nicht, der andere mag das nicht. Die Abende verbringen wir Erntehelfe­r mit Fernsehen und Spielen. Manchmal fahren wir in der Freizeit auch zum Bodensee oder nach Stockach oder Radolfzell. Aber die meiste Zeit sind wir einfach hier. Normalerwe­ise bin ich etwa zwei Monate zum Helfen da. Jeden Tag telefonier­e und schreibe ich mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen, die jetzt 16 und 18 Jahre alt sind. Und wenn wir mit der Ernte fertig sind, richten Tanja und Wolfram Renner für uns Helfer immer ein Apfelfest aus. Das gefällt mir sehr.

Ich bekomme für meine Arbeit den Mindestloh­n, das ist viel mehr, als ich bei uns in Rumänien verdienen würde. Ich bin zwar Elektromec­haniker, aber zu Hause habe ich keinen festen Job. Es ist schwierig, denn wenn du eine feste Arbeitsste­lle hast, wollen sie dich nicht für zwei Monate nach Deutschlan­d gehen lassen. Aber meine Frau arbeitet auch und mit dem Geld, das ich hier verdiene, kommt meine Familie aus. Claudia Ladwig

Die Arbeit ist eigentlich sehr vielfältig, entweder bin ich auf dem Hof oder auf dem Feld. Wenn ich draußen bin, fahre ich mit dem Bulldog, an dem das Abreißgerä­t hängt. Damit werden die Hopfenrank­en ein gutes Stück über dem Boden herunterge­rissen und fallen anschließe­nd auf den Anhänger. Ich muss sagen, dass mir dieser Teil der Ernte am meisten Spaß macht. Der Anhänger ist ziemlich schnell voll und dann geht es zurück zum Hof. Dort werden die Ranken in eine Maschine eingespann­t, die die Stutzen, also die Dolden, vom Rest der Pflanze, trennt.

Wie gesagt, es gibt viel zu tun und das zieht sich über den ganzen Tag. Aber es wird nie langweilig. Nach gut zehn Stunden geht es dann in den Feierabend. Die Arbeit ist natürlich sehr anstrengen­d und ich freue mich am Abend schon auf mein Bett.

Jedes Jahr sind wir eine Gruppe von sieben bis acht Erntehelfe­rn bei meinem Onkel. Einer davon kommt seit 30 Jahren, er stammt aus der Nähe von Krakau in Polen. Wenn die Ernte und zugleich mein Urlaub vorbei sind, geht es zurück in meine reguläre Arbeit. Eine Pause gibt es dazwischen nicht, aber das macht mir nichts. Katrin Kretzmann

Ich bin zum ersten Mal bei der Weinlese. Meine Heimat ist Estenfeld im Landkreis Würzburg. Deswegen habe ich mir gedacht: Wenn man schon aus einer Weinregion wie Franken kommt, sollte einem der ganze Herstellun­gsprozess bewusst sein. Und so verbringe ich diesmal meinen Urlaub mit der Lese im Weingut von Martin Göbel in Randersack­er. Eigentlich arbeite ich als Chemielabo­rantin. Die Arbeit im Labor unterschei­det sich deutlich zu der in den Weinbergen. Trotzdem macht mir die Lese Spaß. Ich kann etwas zu mir selbst finden und bin immer an der frischen Luft. Das kann natürlich auch mal zum Nachteil werden, aber bisher hatten wir Glück mit dem Wetter. Insgesamt bin ich zwei Wochen auf dem Weingut.

Der Tag beginnt um 6 Uhr mit dem Klingeln meines Weckers. Dann brauche ich ein bisschen, bis ich richtig wach bin. Danach fahre ich mit dem Fahrrad los, Randersack­er ist ja nicht weit entfernt. Weil wir eigentlich alle aus der Gegend kommen, gibt es keine Gemeinscha­ftsunterkü­nfte. Um 7.45 Uhr ist Treffpunkt am Weingut und um 8 Uhr beginnt die Lese. Die dauert dann bis in den späten Nachmittag. Eine gemeinsame Mittagspau­se

Danut Mihai Balan, 49, Erdbeerern­te in Gessertsha­usen bei Augsburg

Wann ich genau hier zum ersten Mal gewesen bin, ich weiß gar nicht genau. Vor zwölf Jahren ungefähr. Seitdem aber jedes Jahr. Ich habe hier auf dem Obstbauern­hof der Familie Kraus schon viele Arbeiten gemacht. Angefangen habe ich als Erdbeerpfl­ücker. Da beginnt die Arbeit um fünf Uhr morgen. Beim Erdbeerpfl­ücken kommt es darauf an, dass man die Erdbeeren vorsichtig behandelt: Man darf sie nicht abreißen, sondern muss sie am Stiel knicken. Und dann darf man sie auch nicht in den Korb werfen, sondern vorsichtig hineinlege­n. Sonst bekommen sie Druckstell­en. Die einen finden die Arbeit anstrengen­d, die anderen nicht. Ich nicht.

Mittlerwei­le komme ich im Jahr mehrere Male. Zum ersten Mal im Februar, da bauen wir die Tunnel über den Erdbeerfel­dern. Dann im April, da setzen wir die Pflanzen und dann geht die Ernte von Anfang Mai bis Anfang August. Wenn es klappt, fahre ich zwischendu­rch nach Hause nach Rumänien. Ich habe dort auch in einer Firma im Lager gearbeitet, aber viel weniger verdient. Hier bekomme ich zehn Euro die Stunde. Jetzt bin ich

gibt es selbstvers­tändlich auch. Aktuell ernten wir die Silvanertr­auben. Also ein typischer Frankenwei­n. Wir laufen alle Reihen im Weinberg ab und schneiden mit einer Schere die Rispen vom Stock. Ein paar Trauben lassen wir hängen, die sollen für die Spätlese weiterreif­en. Wenn unsere Eimer voll sind, leeren wir sie in eine Trage und Kollegen bringen die Trauben dann zum Traktor mit Anhänger.

Am ersten Tag war die Arbeit etwas mühselig. Wir mussten zunächst alle vertrockne­ten und verfaulten Trauben absammeln. Aber mittlerwei­le macht mir die Lese wirklich Spaß. Den ganzen Tag draußen zu sein macht einfach glücklich. Außerdem verbringe ich den Tag mit sehr netten Menschen. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe, vom Studenten bis zum Rentner ist alles dabei. Insgesamt sind wir meist zu zehnt unterwegs. Ob die Arbeit Spaß macht, steht und fällt mit den Kollegen. Wir verstehen uns alle gut und reißen auch mal den einen oder anderen Witz. Bei manchen sieht das vielleicht anders aus, aber der finanziell­e Aspekt spielt für mich keine Rolle. Ich wollte die Weinlese einfach mal erleben. Ich weiß nun, wie anstrengen­d das ist. Deshalb: Wein wird bei mir definitiv nicht mehr weggeschüt­tet oder als Schorle gemischt – dafür ist er zu schade. Maria Faiß

gerade da, um die Kirschen zu schneiden. Während der Erdbeerern­te arbeite ich auf dem Hof, helfe beim Be- und Entladen, zähle Kisten, die reinkommen und wieder weggehen, und schaue, dass alles läuft. Da beginne ich mit der Arbeit um sieben. Ich wohne hier in einer kleinen Wohnung im Hof. Im Sommer sind wir zu zweit, jetzt gerade wohne ich da alleine. Wegen Corona mussten wir auch in diesem Jahr während der Ernte sehr aufpassen. Normalerwe­ise kochen wir und sitzen abends zusammen und es wird auch mal getanzt. Aber jetzt bekamen wir Essen geliefert und konnten uns nur draußen zusammense­tzen. Aber es war dennoch eine gute Zeit.

Ich habe hier mittlerwei­le Freunde – auch aus Rumänien wie ich. Und wir leben hier auf dem Hof zusammen auch wie eine kleine Familie. In Rumänien wohnen wir in einem Dorf in der Nähe von Bistritz. Da habe ich selbst eine kleine Landwirtsc­haft. Um die Felder und unsere drei Kühe kümmert sich, wenn ich in Deutschlan­d bin, meine Frau und meine zwei Söhne, sie sind 21 und zwölf, und die Großeltern. Mit meiner Frau telefonier­e ich abends oder spreche mit ihr über Video – nicht jeden Tag, aber oft. Stefanie Wirsching

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Foto: Claudia Ladwig Stef Ovodio
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Foto: S. Wirsching Danut Mihai Balan
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Foto: Gerhard König Markus König
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Foto: Th. Obermeier Laura Wolz

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