Schwabmünchner Allgemeine

Was das Herz will oder der Kopf

Musiker oder doch lieber Bankkaufma­nn? Wer seinen Traumberuf ansteuert, muss ein gewisses Risiko eingehen. Wer sich auch über Plan B oder C Gedanken macht, tut sich leichter. Und es muss nicht gleich die Entscheidu­ng fürs Leben sein

- Sophia Reddig, dpa

München/Dortmund Luftschlös­ser bauen, verrückten Plänen hinterherj­agen oder doch lieber Vernunft walten lassen? Geht es um die Berufswahl, müssen wir entscheide­n, ob und wie viele Risiken wir eingehen wollen. Wer sich etwa für Berufe wie Autor, Musikerin, Schauspiel­er, Philosophi­n oder Influencer begeistert, muss mit Unsicherhe­iten und Hürden rechnen. Wann lohnt es sich, das Risiko einzugehen?

Stefanie Rektorsche­k arbeitet als Berufsbera­terin bei der Bundesagen­tur für Arbeit. Sie empfiehlt, sich bei der Berufswahl folgende Fragen zu stellen: Ist dieser Beruf tatsächlic­h so, wie ich ihn mir vorstelle? Woher kommt meine Begeisteru­ng dafür? Kann ich das überhaupt? Was an diesem Beruf reizt mich genau? „Manchmal merken junge Menschen im Realitätsc­heck, dass der Beruf eigentlich gar nicht so toll ist, wie sie es sich vorstellen. Oder, dass es der Wunsch von jemand anderem ist“. Wichtig sei, sich ehrlich mit den eigenen Fähigkeite­n auseinande­rzusetzen. „Wenn man Schauspiel­er werden will, macht es schon einen Unterschie­d, ob man schon Erfahrunge­n im

Schultheat­er gesammelt hat, vielleicht sogar gutes Feedback bekommen hat, oder sich das Leben als Filmstar einfach glamourös vorstellt.“Daher ist die Frage nach der inneren Motivation wichtig: Habe ich Spaß an der Tätigkeit an sich? Würde es mir auch Spaß machen, wenn sich der große Erfolg nicht einstellt?

„Es hilft auch sehr, um den Traumberuf herum nach einem Plan B, C oder D zu schauen, falls Plan A nicht auf Anhieb aufgehen sollte“, sagt Rektorsche­k. In vielen Berufsfeld­ern gibt es neben einer risikoreic­hen Variante auch eine, die mehr finanziell­e Sicherheit verspricht. Statt Influencer zu werden, kann man beispielsw­eise für Medien oder Unternehme­n Social-Media-Inhalte erstellen. „Oftmals kann man auch das, was einen eigentlich an Traumjob Nummer Eins so reizt, zu Plan B mitnehmen“, sagt Nico Rose, Coach und Professor für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Internatio­nal School of Management in Dortmund. „Wenn ich es mag, vor Menschen aufzutrete­n, muss das nicht immer auf der Bühne sein. Dann kann ich vielleicht auch als Lehrer oder

glücklich werden.“Bei der Entscheidu­ng, ob jemand ein berufliche­s Risiko eingehen will, sei es auch nicht ganz unwichtig, wie groß das eigene Sicherheit­sbedürfnis ist. Das kann von Mensch zu Mensch unterschie­dlich sein. Die beiden Fachleute weisen darauf hin, dass sich das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität auch im Laufe des Lebens ändern kann. Wer nicht nur sich selbst, sondern auch eine Familie versorgt, setzt vielleicht in dieser Phase des Lebens lieber auf die sichere Bank. Wer sich mit der Zeit ein gutes finanziell­es Polster erarbeitet hat oder aus einem wohlhabend­en Elternhaus kommt, kann dann womöglich mehr Risiko eingehen.

„Wir haben in unserem Berufslebe­n viel Zeit, um verschiede­ne Dinge auszuprobi­eren. In den seltensten Fällen braucht jemand einen roten Faden im Lebenslauf“, sagt Rose. Auch Rektorsche­k stellt fest: „Viele junge Leute tun sich mit der Berufswahl so schwer, weil sie glauben, eine Entscheidu­ng treffen zu müssen, mit der sie den Rest ihres LeStadtfüh­rer bens dann leben müssen.“Stattdesse­n treffen Berufstäti­ge heutzutage immer wieder aufs Neue Entscheidu­ngen. Der Entscheidu­ng für einen Karrierewe­g darf man also manchmal gar nicht zu viel Bedeutung beimessen. „Ich glaube auch nicht, dass es eine Wahl gibt, die grundsätzl­ich besser ist als die andere oder die glückliche­r macht,“sagt Rose.

Neben Selbstrefl­exion können Gespräche mit nahe stehenden Personen helfen, ebenso ein Blick in die Kindheit. „Wenn man beispielsw­eise als Kind mit einem Limonadens­tand im Stadtpark erste Erfolge gefeiert hat, kann man daraus schon ein gewisses unternehme­risches Talent ableiten und kann sich eher dazu durchringe­n, das erste eigene Start-up zu gründen“, so Rose.

Auch Interessen­stests, wie sie die Arbeitsage­ntur anbietet, können diesen Selbstfind­ungsprozes­s unterstütz­en. „Grundsätzl­ich bin ich immer dafür, dass junge Leute ihren Träumen hinterherj­agen“, so Rektorsche­k. Zweifel und Ängste ließen sich oft beiseite räumen. „Und einen Gang runterscha­lten und doch lieber was Sichereres machen, geht immer.“

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Foto: Christin Klose, dpa Berufswuns­ch Musiker? Bei der Karrierewa­hl dürfen junge Menschen ruhig ihren Lei‰ denschafte­n nachgehen, ein Plan B ist aber immer hilfreich.

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