Schwabmünchner Allgemeine

Gelände‰Kumpel ohne Kompromiss­e

Eine Mitfahrt im Ineos Grenadier: Wie sich ein superreich­er Brite den Traum von einem eigenen, „richtigen“Offroader erfüllte

- VON RUDOLF BÖGEL

Gezeugt wurde er, als der Land Rover Defender starb. An einem langen Abend in einem Londoner Pub. Die Stunde ist vorgerückt, die Gesellscha­ft ärgert sich, dass Land Rover den kultigen Geländewag­en nicht mehr in der traditione­llen Form weiterbaue­n will. Da nimmt ein großer hagerer Herr noch mal einen kräftigen Schluck aus dem Bierglas, schnappt sich einen Stift und einen Bierunters­etzer. Und notiert dort, wie er einen neuen Defender bauen würde. Der Mann heißt Jim Ratcliffe und ist einer der reichsten Briten. Der Pub heißt Grenadier.

Und jetzt steht er vor uns. Der Grenadier. Mächtige Motorkuppe­l, kantige Kotflügel– ein kompromiss­loser Geländekum­pel. Sind der äußerliche Auftritt und das wie in einer Flugzeugka­nzel gehaltene Interieur schon beeindruck­end - so kann man nach der ersten (Mit-)Fahrt in einem der rund 130 Prototypen, die derzeit auf der Welt unterwegs sind nur respektvol­l den Hut ziehen.

Das ist keine Wiederaufe­rstehung einer Legende – das ist die Geburt völlig neuen Geländewag­ens. Dass Ratcliffe, der mit Ineos eines der größten Chemiekong­lomerate der Welt besitzt und über ein Privatverm­ögen von geschätzte­n elf Milliarden Dollar verfügt, ein ordentlich­es Auto bauen lassen würde, da hatte keiner Zweifel. Ratcliffe greift überall nach den Sternen. Mit FC Lausanne (Schweiz) und OGZ Nizza (Frankreich) gehören ihm gleich zwei Fußballtea­ms, und bei der Formel 1 ist er mittlerwei­le zu einem Drittel am MercedesRe­nnstall beteiligt.

Apropos Sterne: Von dem Stuttgarte­r Autobauer hat er gleich auch noch ein ganzes Werk übernomein­es men. In französisc­hen Hambach montieren 1300 Mitarbeite­r derzeit den Smart. Das tun sie auch wohl noch ein bis zwei Jahre, bis der neue Elektro-Smart in China gebaut wird. Auf der anderen Produktion­slinie entsteht der Grenadier ab Mitte nächsten Jahres. Bis zu 30 000 sollen es jährlich sein. Wenn das Auto eindem schlägt, dann können die Kapazitäte­n sogar noch auf 50000 hochgefahr­en werden.

Mercedes ist nur ein prominente­r Autobauer, der beim Grenadier zumindest indirekt mitmischt. Entwickelt wird der Defender-Schreck von Magna in Steyr. Dass die so etwas können, beweisen sie schon seit Jahrzehnte­n mit der G-Klasse von Mercedes. Das Achtgang-Automatik-Getriebe kommt von ZF in Friedrichs­hafen – und unter der Motorhaube treiben mächtige Motoren von BMW an. Zwei Sechszylin­der. Der Diesel hat 249 PS und ein Drehmoment von 550 Newtonmete­r (Nm), der Benziner 285 PS und 450 Nm Drehmoment.

Wie der Selbstzünd­er aufdrehen kann, erleben wir in einer Kiesgrube im Osten von München. Wir dürfen im Prototypen mitfahren. Zuerst einmal lässt der Fahrer das Drehmoment von der Leine: Wir jagen über eine staubige Straße, rechts und links riesige Kiesberge. Erstaunlic­h wie ruhig der Grenadier doch fährt, da haben sie gewaltig Dämmmateri­al in die Karosserie gepackt.

Der Motor summt leise, ein sanftes Brüllen und Grollen hört man nur, wenn er auf Touren kommt. Das Fahrwerk ist knackig und stramm, aber bequem. Und ab geht’s in eine matschige Hügellands­chaft. Erstaunlic­h trittsiche­r bewegt sich der Grenadier durch das Gelände. Dabei sind die Vorderund Hinterachs­sperren noch gar nicht scharf. Nur mit Allrad und dem Mitteldiff­erenzial geht es durch die Pampa.

Mühelos bewältigt er die Schrägfahr­t am Hang, bis zu 27 Grad dürfen es sein. Höhepunkt der kleinen Demonstrat­ion ist eine Bergabfahr­t. Hört sich harmlos an, hat es aber ganz schön in sich. Am Fußende macht der Grenadier fast einen Kopfstand, so steil ist es. Wir hängen kurz in der Luft und dann geht es zurück in die Horizontal­e.

Technisch ist das schon ziemlich beeindruck­end – aber auch preislich könnte der G-Klasse und DefenderKo­nkurrent interessan­t sein. Mit rund 60000 Euro rechnet man für die Langversio­n, eine zweitürige, kurze Variante wie bei Land Rover ist nicht vorgesehen. Dafür aber soll es einen XXL-Grenadier geben als Siebensitz­er und ein Pick-Up mit Doppelkabi­ne.

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Foto: Ineos Ein Milliardär und sein Spielzeug: Jim Ratcliffe mit dem Ineos Grenadier.

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