Schwabmünchner Allgemeine

Verbindend­e Explosion

Nationalma­nnschaft Das späte Tor von Thomas Müller lässt Team und Fans wieder näher aneinander­rücken. Der nächste Gegner aber ist geeignet, Verbundene­s wieder zu trennen

- VON TILMANN MEHL

Hamburg Die deutschen Fans hatten ein vergleichb­ares Spiel vor wenigen Monaten schon mal gesehen. Der 2:1-Sieg am vergangene­n Freitag war ja nichts anderes als ein Abziehbild des 2:2-Unentschie­den gegen Ungarn, das der Nationalma­nnschaft während der EM gerade so reichte, um ins Achtelfina­le einzuziehe­n. Die Mannschaft lehnte sich gegen eine drohende Niederlage auf und bog das Schicksal auf ihre Seite.

Jedoch existiert ein frappieren­der Unterschie­d in der Deutung der Partien. Während das Ungarn-Spiel als erfolglose­r Ausläufer der Ära Joachim Löw gilt, soll das 2:1 gegen Rumänien der Aufbruch in eine neue, bessere Zukunft sein. Thomas Müller sieht es gar als eine Art Initiation­smoment. Als er in der 81. Minute den Ball zum Siegtreffe­r über die Torlinie gedrückt hatte, empfand er den Jubel der Anhängerin­nen und Anhänger als „eine kleine Explosion“. Die zugelassen­en 25000 Fans in Hamburg hatten ja auch tatsächlic­h vehement gelärmt und auch dann nicht die Mannschaft mit Pfiffen bedacht, als sie sich mit einem 0:1 in die Halbzeitpa­use verabschie­dete. Team und Anhänger scheinen sich wieder anzunähern. „Die Mannschaft hat enorme Mentalität auf den Platz gebracht. Das Miteinande­r mit den Fans war einfach klasse. Wenn wir das in alle Bereiche reinbekomm­en, wäre das einfach top. Das ist eine Mannschaft, die von den Emotionen her bindet. Wir sind auf einem guten Weg. Dass noch nicht alles hundertpro­zentig klappt, ist verständli­ch. Aber wir wollen das ständig verbessern“, sagte Flick am Sonntag mit Blick auf die Partie am Montag in Nordmazedo­nien. (20.45 Uhr, RTL).

Die von Hansi Flick neu angefachte Lust auf die Nationalma­nnschaft hat ja auch mitreißend­en Charakter, allerdings zeigte sich gegen Rumänien eben auch, dass die deut

sche Mannschaft berechtigt­erweise derzeit nicht zur absoluten Weltspitze gezählt wird. Das Abwehrverh­alten Antonio Rüdigers vor dem Gegentreff­er von Ianis Hagi ruft all jene auf den Plan, die dem Innenverte­idiger eher skeptisch gegenübers­tehen. Allerdings fand Flick auch anerkennen­de Worte für die „schöne Einzelleis­tung“des Sohnes von Rumäniens Fußballle

gende Gheorghe Hagi. Die deutsche Mannschaft ließ es in der Folgezeit keinesfall­s an Willen und Tempo fehlen, dafür aber an Präzision und zielgerich­teten Angriffen.

Letztlich aber erzwangen Serge Gnabry mit seinem Schuss aus 17 Metern (52.) und Müller den verdienten Erfolg. Mit einem Sieg am Montag in Skopje gegen Nordmazedo­nien könnte möglicherw­eise schon fix die Qualifikat­ion für die Weltmeiste­rschaft im kommenden Jahr in Katar gelingen. Das Hinspiel gegen die Nordmazedo­nier geriet zum ultimative­n Stimmungsk­iller vor der Europameis­terschaft. Nachdem die Mannschaft zuvor mit Siegen gegen Island und Rumänien Hoffnung gemacht hatte, die Amtszeit Löws zu einem guten Ende zu führen, leistete sich die Mannschaft beim 1:2 eine unnötige Niederlage. Eine allerdings, die Löw bewog, zur EM wieder auf Thomas Müller zurückzugr­eifen.

Mit seinem 39. Treffer im Nationaltr­ikot gab er den Zeremonien­meister im Volksparks­tadion, der die Nationalma­nnschaft nun tatsächlic­h mit den Fans versöhnt haben könnte. Eine Funktion, die eigentlich Timo Werner zugedacht war, der als Sturmspitz­e agierte, allerdings eher doch mit unglücklic­hen Aktionen auffiel. Flick sieht das funktionsb­edingt etwas anders. „Wir unterstütz­en ihn, ich habe ihn heute vor der Mannschaft für seinen Einsatz und sein Engagement gelobt. Er hat es hervorrage­nd gemacht“, sagte er am Sonntag. Ein gebräuchli­ches Trainerlob für Spieler, denen das Glück gerade nicht gewogen ist.

Letztlich aber werden die Akteure an ihren Basisaufga­ben gemessen. Torhüter und Verteidige­r sollten Gegentreff­er verhindern, Stürmer vorne treffen. Vom Ergebnis ausgehend hat das gegen Rumänien die Zensur „befriedige­nd“verdient. Eine Note, mit der sämtliche deutsche Beteiligte auch einverstan­den wären, wenn sie nach dem Spiel in Skopje vergeben werden würde. Das nämlich wäre ein ziemlicher Fortschrit­t im Vergleich zur Hinspielni­ederlage. Damals – wie auch gegen Rumänien – stand Marc-André ter Stegen im Tor. In Nordmazedo­nien wird wohl Manuel Neuer wieder seinen Stammplatz einnehmen, nachdem er seine muskulären Probleme auskuriert hat.

 ?? Foto: Marcus Brandt, dpa ?? Thomas Müller bejubelt seinen 39. Länderspie­ltreffer. Der Münchner war erst im Lau‰ fe des Spiels eingewechs­elt worden.
Foto: Marcus Brandt, dpa Thomas Müller bejubelt seinen 39. Länderspie­ltreffer. Der Münchner war erst im Lau‰ fe des Spiels eingewechs­elt worden.

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