Das tönende Gemälde
Es war eine schöne Idee von Modest Mussorgsky, dem Werk seines verstorbenen Freundes, des russischen Malers und Architekten Viktor Hartmann, mit einem akustischen Museumsrundgang durch fünf Galerien zu gedenken. Eine Idee, die zwangsweise mit einem monumentalen Konzept verbunden ist.
Kein Wunder also, dass auch eine progressive Rockband wie Emerson, Lake and Palmer, von ausufernden Konzepten magisch angezogen, ihre Version von „Pictures at an Exhibition“auf Vinyl presste. Das Münchner Modern String Quartet, seit fast 40 Jahren Grenzgänger zwischen neuer Musik, Pop und Experiment, stellte am Freitagabend seine eigenen Interpretationen der Bilder im Kongress am Park aus – und rahmte sie in Jazz, so jedenfalls die Idee laut Konzert-Untertitel „framed in jazz“. Nur waren, so viel sei vorweggenommen, die Jazzrahmen der Bilder oft dünn wie Papier, und manchmal fehlten sie ganz. Das tat der Kurzweiligkeit der virtuos gespielten Museumsführung der vier Streicher keinen Abbruch. Die Arrangements von Bratschist Andreas Höricht und Violinist Joerg Widmoser ließen die Gemälde vor dem geistigen Auge des Publikums bunt und plastisch erstrahlen, bei „Gnomus“meinte man, dieses Fabelwesen geduckt durch die disharmonischen Farbklekse eines Jackson Pollock huschen zu sehen. Das folgende „One More Picture“aus der Feder von Widmoser klang
wie eine Notwist-LP, aus deren Rillen man alles Elektronische und Verstärkte gekratzt hat. Das ist spannende Neue Musik und bei den Soli von Geigen und Viola hörte man den Einfluss der großen, breitbeinigen Gitarrensolos der Rockdinosaurier der 70er Jahre. Und auch anders herum wird ein Schuh daraus: Hochinteressant, wie gut das Stück „Modest Moves“in ein klassisches Streicherarrangement passt. Die Klassik ist der Rockmusik als recht konservatives Genre eben doch oft näher als dem Jazz. Wenn Thomas Wollenweber den Bogen zur Seite legt und einen Walking Bass auf dem Cello zupft, wenn die Violine von Winfried Zrenner einen ihrer furiosen Django-Reinhardt-Momente hat, dann blitzt der Jazzrahmen kurz auf.
Ansonsten fehlte der Groove und der Platz für auch mal den Rahmen sprengende Improvisationen – zwei Komponenten, die den Jazz nicht nur charakterisieren, sondern definieren. Die gut 80 Augen- und Ohrenzeugen im fantastisch klar und transparent klingenden Saal Baramundi dürften auch ohne Jazz ihre Freude an der Ausstellung der Kuratoren des Modern String Quartets gehabt haben. Die Bilder, die sie zeigen, sind abstrakt und modern, hängen aber eher in einer klassischen, altehrwürdigen Institution wie den Münchner Pinakotheken als in der New Yorker UndergroundGalerie eines freien Künstlerkollektivs aus Harlem.