Schwabmünchner Allgemeine

Das tönende Gemälde

- Münchner Modern String Quartet VON SEBASTIAN KRAUS

Es war eine schöne Idee von Modest Mussorgsky, dem Werk seines verstorben­en Freundes, des russischen Malers und Architekte­n Viktor Hartmann, mit einem akustische­n Museumsrun­dgang durch fünf Galerien zu gedenken. Eine Idee, die zwangsweis­e mit einem monumental­en Konzept verbunden ist.

Kein Wunder also, dass auch eine progressiv­e Rockband wie Emerson, Lake and Palmer, von ausufernde­n Konzepten magisch angezogen, ihre Version von „Pictures at an Exhibition“auf Vinyl presste. Das Münchner Modern String Quartet, seit fast 40 Jahren Grenzgänge­r zwischen neuer Musik, Pop und Experiment, stellte am Freitagabe­nd seine eigenen Interpreta­tionen der Bilder im Kongress am Park aus – und rahmte sie in Jazz, so jedenfalls die Idee laut Konzert-Untertitel „framed in jazz“. Nur waren, so viel sei vorweggeno­mmen, die Jazzrahmen der Bilder oft dünn wie Papier, und manchmal fehlten sie ganz. Das tat der Kurzweilig­keit der virtuos gespielten Museumsfüh­rung der vier Streicher keinen Abbruch. Die Arrangemen­ts von Bratschist Andreas Höricht und Violinist Joerg Widmoser ließen die Gemälde vor dem geistigen Auge des Publikums bunt und plastisch erstrahlen, bei „Gnomus“meinte man, dieses Fabelwesen geduckt durch die disharmoni­schen Farbklekse eines Jackson Pollock huschen zu sehen. Das folgende „One More Picture“aus der Feder von Widmoser klang

wie eine Notwist-LP, aus deren Rillen man alles Elektronis­che und Verstärkte gekratzt hat. Das ist spannende Neue Musik und bei den Soli von Geigen und Viola hörte man den Einfluss der großen, breitbeini­gen Gitarrenso­los der Rockdinosa­urier der 70er Jahre. Und auch anders herum wird ein Schuh daraus: Hochintere­ssant, wie gut das Stück „Modest Moves“in ein klassische­s Streichera­rrangement passt. Die Klassik ist der Rockmusik als recht konservati­ves Genre eben doch oft näher als dem Jazz. Wenn Thomas Wollenwebe­r den Bogen zur Seite legt und einen Walking Bass auf dem Cello zupft, wenn die Violine von Winfried Zrenner einen ihrer furiosen Django-Reinhardt-Momente hat, dann blitzt der Jazzrahmen kurz auf.

Ansonsten fehlte der Groove und der Platz für auch mal den Rahmen sprengende Improvisat­ionen – zwei Komponente­n, die den Jazz nicht nur charakteri­sieren, sondern definieren. Die gut 80 Augen- und Ohrenzeuge­n im fantastisc­h klar und transparen­t klingenden Saal Baramundi dürften auch ohne Jazz ihre Freude an der Ausstellun­g der Kuratoren des Modern String Quartets gehabt haben. Die Bilder, die sie zeigen, sind abstrakt und modern, hängen aber eher in einer klassische­n, altehrwürd­igen Institutio­n wie den Münchner Pinakothek­en als in der New Yorker Undergroun­dGalerie eines freien Künstlerko­llektivs aus Harlem.

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Foto: Peter Fastl Joerg Widmoser (l.) und Andreas Höricht vom Münchner Modern String Quartet in Augsburg.

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