Tour de France war ein Kindheitstraum
Radsport Georg Zimmermann beendet seine Saison mit einer Erkältung frühzeitig. Doch der Neusässer betrieb mit mutigen Auftritten in Frankreich und bei der WM viel Eigenwerbung
Seinen Saisonabschluss hatte sich Georg Zimmermann anders vorgestellt. Eigentlich wollte der 23-jährige Radprofi von Team Intermarché Wanty Giobert am Sonntag bei der traditionsreichen eintägigen Lombardei-Rundfahrt noch einmal alles geben, ehe es in die Renn- und Trainingspause gehen würde.
Zur Vorbereitung war Zimmermann während der vergangenen Woche für zwei kleinere Rennen in Italien gemeldet worden. Beim „Tre Valli Varesine“und „Gran Piemonte“. Doch schon vor dem Start am Dienstag in Varese, 55 Kilometer nördlich von Mailand, spürte er eine Erkältung aufziehen und am Ende musste er aufgeben. Für Piemont sagte er dann ebenso ab wie für die Lombardei-Rundfahrt. „In Varese habe ich es noch einmal probiert, aber es hatte keinen Wert mehr. Meine Saison ist zu Ende und ich bin froh, dass ich jetzt erst einmal drei, vier Wochen trainingsfrei habe“, sagt Zimmermann. Das erste richtige Team-Trainingslager ist im Dezember geplant. Im heimischen Hainhofen, einem Ortsteil von Neusäß (Lkr. Augsburg), erholt er sich jetzt von seiner zweiten richtigen Saison als Radprofi: „Ich will gar nicht woanders jetzt hin. Ich war so viel unterwegs.“
Weit über 10000 Rennkilometer absolvierte Zimmermann seit Ende März, als er beim zweitklassigen Rennen „Pays de la Loire“in Frankreich startete. Seitdem hat er sich in knapp sieben Monaten innerhalb seines Teams vom Wasserträger zum angesehenen Spitzenfahrer entwickelt – er fuhr bei der deutschen Meisterschaft auf Platz drei, ging bei der Tour de France an den Start und wurde einmal EtappenAchter, feierte bei der Tour de l’Ain seinen ersten Etappen-Sieg als Profi, wurde bei der Deutschland-Tour im Gesamtklassement Fünfter und gewann das Weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer und trug bei der Rad-WM zum zweiten Mal in seiner Karriere das deutsche Trikot. All das ahnte Zimmermann damals nicht.
Und darum ist es einfach seine zurückhaltende Art, dass er Mitte Oktober sagt: „Diese Saison war für mich superintensiv.“Nur superintensiv? Nein, gesteht Zimmermann ein: „Mit der Teilnahme an der Tour de France ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Es war das Größte, was ich je erleben durfte.“Damals, als er mit elf oder zwölf bei den E-Racers Augsburg mit dem Straßenrennen begann, träumte er davon, in Paris über die Ziellinie beim berühmtesten Straßenrennen der Welt zu fahren.
Doch beinahe hätte er das Ziel in Paris nicht erreicht. Schon während der ersten Etappe stürzte er und brach sich das Kahnbein. „Es war ein Auf und Ab der Gefühle. Aber je länger die Tour lief, desto besser habe ich mich gefühlt und auf der vorletzten Etappe konnte ich noch den achten Platz erringen“, erinnert sich Zimmermann. „Es gab noch ein Happy-End nach der ganzen Quälerei. Es war wie ein Drehbuch, das für mich geschrieben wurde. Das war Wahnsinn.“
Die Tour stand sinnbildlich für seine ganze Saison. Den Saisonstart verpasste er wegen muskulärer Probleme, die Baskenrundfahrt Anfang April konnte er nach einem Sturz nicht beenden. Danach musste er
Wochen pausieren. Doch Zimmermann kämpfte sich durch, überwand Schmerzen und Tiefs und will in der kommenden Saison erst einmal – nichts ändern. „Ich will so weiter machen. Es läuft, ich bin super zufrieden.“Auch beim Team Intermarché fühlt er sich wohl. „Ich
habe ein Super-Standing.“Der belgische Rennstall, der von einem Supermarkt-Konzern gesponsert wird, ist genauso ehrgeizig wie Zimmermann. „Der Rennstall arbeitet sehr professionell und will sich nach seinem ersten Jahr in der WorldTour weiter entwicklen“, sagt Zimvier mermann. Derzeit steht Intermarché auf Platz 16 der Weltrangliste der Teams, doch der Blick geht nach oben. So haben die Belgier bereits umfangreiche Personalumbauten vorgenommen. Der prominenteste Neuzugang ist der 33-jährige Norweger Alexander Kristoff. Er verlässt den Rennstall UAE-Team Emirates nach vier Jahren. Der Gewinner von Mailand-Samremo, der Flandern-Rundfahrt und mehreren Tour-Etappen soll das Team von Manager Jean-François Bourlart in den Sprints und den Klassikern anführen. „Das ist ein Top- Star, ein echter Topsprinter“, freut sich Zimmermann auf die Zusammenarbeit mit dem Routinier.
Ganz auf der anderen Seite der Skala steht Biniam Girmay Hailu aus Eritrea. Der 21-Jährige gewann die Silbermedaille bei der U23-WM und gilt als das größte Radsporttalent Afrikas. „Das ist ein Riesenjuwel. Ich bin mir sicher, wir ergänzen uns gut“, sagt Zimmermann.
Die Frage nach seinem Platz im Team in der kommenden Saison, die Ende Februar beginnen wird, will der Neusässer jetzt noch nicht detailliert beantworten. Im November wird es eine wegweisende Teamsitzung geben. Sein Vertrag läuft noch ein Jahr, es gibt keinen akuten Handlungsbedarf. „Ich werde mir Gedanken über meine Vorstellungen machen, wenn es so weit ist. Ich denke derzeit nicht viel an den Sport.“Allerdings hat er sich vor kurzem professionelle Unterstützung durch eine Beraterfirma gesichert. Denn Zimmermann, der sich in seiner Freizeit intensiv mit der Börse beschäftigt, ist nach dieser Saison eine Aktie mit viel Steigerungspotenzial.