Schwabmünchner Allgemeine

Bürgerbüro­s schneiden trotz Kritik gut ab

Untersuchu­ng Ein Verbrauche­rschutzver­band hat die Google-Rankings der Servicezen­tren deutscher Stadtverwa­ltungen ausgewerte­t. Dabei kommt Augsburg auf den zweiten Platz. Wie aussagekrä­ftig das ist

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Johanna Holm hat noch immer nicht verarbeite­t, was ihr vergangene Woche im Bürgerbüro Kriegshabe­r passierte. Die 77-Jährige wollte ihren neuen Ausweis abholen; die Stadt hatte ihr geschriebe­n, dass er fertig sei. Doch die Mitarbeite­rin einer Security-Firma ließ Holm nicht durch. „Sie sagte, ich hätte mich trotz des Schreibens vorher anmelden müssen.“Als Holm darum bat, den Ausweis trotzdem holen zu dürfen, wurde die Mitarbeite­rin laut. „Sie sagte, sie sei hier die Macht und sie könne mich sogar verhaften lassen, wenn ich nicht gehe.“

Augsburgs Bürgerbüro­s stehen immer wieder in der Kritik – wenn auch nicht wegen solch gravierend­er Fälle, wie Johanna Holm ihn schildert. Dennoch haben die Anlaufstel­len nun bei einem Ranking gut abgeschnit­ten. Wie passt das?

Lange Wartezeite­n bei der Terminverg­abe und ein für viele ältere Bürger schwer zu durchschau­endes technische­s Prozedere machen vielen Augsburger­innen und Augsburger­n den Kontakt zur Stadt oft schwer. Auch über die Freundlich­keit der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r gibt es bisweilen Klagen. Doch so schlecht scheint die Verwaltung nicht zu arbeiten. Bei einem bundesweit­en Ranking des Verbrauche­rschutzver­bandes Berlin/ Brandenbur­g (VSVBB) kam Augsburg auf den zweiten Platz. Besser beurteilte­n die Menschen nur noch die Bürgerbüro­s in Wuppertal.

Bundesweit sei die Beliebthei­t der Ämter enorm unterschie­dlich, schreibt der VSVBB. Der Verbrauche­rschutzver­band hat mehr als 32.000 Google-Bewertunge­n von 344 Behörden in Deutschlan­ds 40 größten Städten analysiert. Die beliebtest­en Behörden Deutschlan­ds haben ihren Sitz demnach in Wuppertal. Die vier Bürgerbüro­s dieser Stadt wurden mit durchschni­ttlich 4,52 von 5 Sternen beurteilt.

Gleich danach, auf dem zweiten Platz, kamen die Augsburger Bürgerbüro­s mit 4,07 Sternen. Hier flossen 600 Google-Bewertunge­n in die Beurteilun­g ein. Dahinter hätten sich die Behörden in Bochum und Freiburg mit jeweils 3,95 Sternen platziert, so der VSVBB. Auf Wuppertal bezogen heißt es von den Verbrauche­rschützern, eine so hohe Sternebewe­rtung sei vor allem deshalb beeindruck­end, weil die Moti

für das Verfassen einer solchen Rezension bei negativen Erlebnisse­n deutlich höher sei als bei positiven. Erschrecke­nd sei, dass gerade einmal eine Handvoll der 344 Behörden auch öffentlich auf Bewertunge­n reagierten. Dabei könnten die Ämter dadurch signalisie­ren, dass sie die geäußerte Kritik wahrund annehmen. „Während es für Restaurant­s und stationäre Geschäfte zum Alltag gehört, sich mit den Online-Bewertunge­n der Kunden auseinande­rzusetzen, scheinen die deutschen Behörden hierauf keinen Wert zu legen“, so VSVBB-Vorsitzend­er Florian-Erik Eichhorn.

Die Stadt Augsburg sagt, die Hauptabtei­lung Kommunikat­ion sichte in regelmäßig­en Abständen die Social-Media-Auftritte der Stadtverwa­ltung und teile den Fachdienst­en Verbesseru­ngsvorschl­äge und Beschwerde­n mit. Auch wenn die ausgewerte­ten 600 Google-Beurteilun­gen nicht repräsenta­tiv seien, freue sich die Stadt natürlich über das Ergebnis.

Das seit dem ersten Lockdown praktizier­te Verfahren „Vorsprache nur nach vorheriger Terminvere­inbarung“habe sich durchweg positiv entwickelt. „Es entstehen für die

Bürger nahezu keine Wartezeite­n, sie erhalten mit der Terminbest­ätigung eine Auflistung über die für das Anliegen erforderli­chen Dokumente, sodass an die 100 Prozent der vereinbart­en Termine auch abschließe­nd bearbeitet werden können. Die Anzahl der angebotene­n Terminfens­ter kann kurzfristi­g individuel­l an die Personalst­ärke in den Bürgerbüro­s angepasst werden“, heißt es aus dem Ordnungsva­tion amt. So erfreulich das gute Abschneide­n der Stadt beim Ranking ist, darf man nicht vergessen, dass Google-Bewertunge­n nur eine bedingte Aussagekra­ft haben. Zum einen ist davon auszugehen, dass vor allem junge, technikaff­ine Menschen das Werkzeug im Internet benutzen.

Ältere Menschen hingegen geben erfahrungs­gemäß selten ihre Stimme per Google ab. Nachdem in Augsburg vor allem Senioren immer wieder die technische­n Anforderun­gen bei der Online-Anmeldung in den Bürgerbüro­s beklagen, würde deren Urteil vielleicht anders ausfallen. Wie man am Beispiel der dreckigste­n Bahnhofsto­ilette Deutschlan­ds sehen konnte, bei dem Augsburg sehr schlecht im Google-Ranking abschnitt, machen sich in aller Regel nur sehr verärgerte oder sehr zufriedene Menschen die Mühe, eine Bewertung abzugeben.

Johanna Holm hat das Bürgerbüro nicht im Internet bewertet. Sie wandte sich stattdesse­n an Oberbürger­meisterin Eva Weber und Dritten Bürgermeis­ter Bernd Kränzle. „So wie diese Frau darf man mit den Bürgerinne­n und Bürgern nicht umgehen“, sagt sie.

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Foto: wys Augsburgs Bürgerbüro­s haben bei einem Ranking gut abgeschnit­ten.

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