Nach Mord: Bauarbeiter wünscht eine Therapie
Prozess Vor dem Augsburger Landgericht hat die Revisionsverhandlung zu einer Bluttat unter polnischen Kollegen in einem Wohncontainer in Täfertingen begonnen. Es geht vor allem um die Frage der Schuldfähigkeit
NeusäßTäfertingen Vor dem Augsburger Landgericht wird eine grausame Tat in einem Wohncontainer in Täfertingen neu verhandelt. Die Tat ist ein Mord in einer Arbeiterunterkunft. Im Februar 2019 hatte dort ein damals 33-jähriger Elektriker seinen ebenfalls erheblich alkoholisierten 24-jährigen polnischen Landsmann umgebracht. Dafür war der Arbeiter im Februar 2020 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Mordes aus Heimtücke verurteilt worden. Nachdem der Angeklagte Revision gegen das Urteil eingelegt hatte, hob der Bundesgerichtshof es in Teilen wegen Rechtsmängeln auf und verwies es an eine andere Kammer des Landgerichts zur Neuentscheidung zurück.
Dort muss jetzt die Frage der (eingeschränkten) Schuldfähigkeit des Elektrikers erneut beurteilt werden. Sollte solch eine Beeinträchtigung des Angeklagten festgestellt werden, könnte das Strafmaß abgeändert werden. Es könnte auch eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt angeordnet werden – eine Maßnahme, die der alkoholabAngeklagte inzwischen gemäß seiner Verteidiger wünsche, um ein abstinentes Leben führen zu können. Unstrittig ist laut Bundesgerichtshof die Beurteilung der Tat als Mord.
In seinem Urteil hatte sich die 8. Kammer des Landgerichts 2020 auf die Gutachten zweier Mediziner gestützt. Gerichtsmediziner Prof. Oliver Peschel hatte damals unter anderem die Alkoholabhängigkeit und die mögliche maximale Alkoholkonzentration von etwa 2,42 Promille zum Tatzeitpunkt festgestellt. Der Psychiater Dr. Fabian Lang, der auch jetzt wieder den Angeklagten begutachtet, hatte geringfügige Ausfallerscheinungen festgestellt, aufgrund des durchaus planmäßigen Verhaltens des Angeklagten vor, während und nach der Tat hatte er aber keine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit erkannt. Auch habe nicht von einer Affekttat gesprochen werden können. Folge: Der Angeklagte wurde als voll schuldfähig betrachtet und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt war entsprechend nicht angeordnet worden.
der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 2019 hatte der heute 36-jährige Angeklagte seinen 24-jährigen Arbeitskollegen nach geselligen Stunden gegen 0.45 Uhr zunächst durch 17 heftige Schläge mit einer ein Kilo schweren Hantelscheibe niedergeschlagen und ihn massiv am Kopf verletzt. Danach, so stellten es die Ermittler fest, hatte der Angeklagte mit einem Fleischermesser dem Opfer den Kopf nahezu abgetrennt und ihm zusätzlich schwerste Stichverletzungen im Brust- und Bauchbereich zugefügt. Warum, das ist bis heute nicht eindeutig beantwortet. Der Angeklagte selbst sagt aus – auch jetzt wieder in seiner Erklärung –, keine Erinnerung mehr an die Stunden zu haben. Im Gegenteil: Bis heute ringe er darum, zu erfahren, was ihn zu der Tat bewegt habe, die er nach wie vor nicht abstreiten könne.
Im Umfeld des Mordes hatte es Ereignisse gegeben, die auf die unvorstellbare Tat Auswirkungen gehabt haben könnten. Zunächst war der Angeklagte etwa ein halbes Jahr zuvor ins Bezirkskrankenhaus nach Günzburg eingeliefert worden, nachdem er sich selbst durch massihängige ves Schlagen seines Kopfes gegen die Wand zu verletzen drohte und über eine Brüstung hatte springen wollen. Eine Alkoholhalluzination wurde als Grund genannt. Aufgrund seines anhaltenden Alkoholkonsums war es bereits zuvor mehrfach zu Problemen mit der Ehefrau und Mutter der gemeinsamen vier Kinder gekommen. Bei einem VideoTelefonat nach Polen am Nachmittag
vor der Tat hatte die Frau ihren Ehemann erneut als alkoholisiert erkannt. Deswegen hatte sie ihm erklärt, ihr mehrfach angekündigtes Vorhaben, die Trennung einzureichen, in die Tat umzusetzen. Eine Ankündigung, die der Angeklagte nach eigenen Worten der Vorsitzenden Richterin Caroline Hillmann gegenüber als glaubwürdig eingeschätzt habe. Ebenfalls eine wichtige Rolle für die Bluttat könnte eine Beleidigung des späteren Opfers nur wenige Stunden vorher spielen. Da hatte der 24-Jährige nach einem Wortgefecht dem Angeklagten anIn gekündigt, dessen Frau und Kinder vergewaltigen zu wollen.
Für die drei Berufs- und die beiden Laienrichterinnen der dritten Strafkammer, geht es darum, Anhaltspunkte für eine möglicherweise verminderte Schuldfähigkeit des Elektrikers zu erkennen. Befand sich der Mann in einer psychischen Ausnahmesituation? Hat die Mischung aus Alkohol plus Marihuana plus Medikamenten bei ihm zu einem „Ausraster“geführt? Um dies zu klären, werden nicht nur erneute Gutachten über den Angeklagten erstellt, sondern auch Zeugen der Ereignisse angehört werden.
Der Angeklagte selbst, seit Februar 2019 im Gefängnis, verfolgte das Verfahren ohne erkennbare Regung. Bekleidet mit einer hellen Hose und Jackett, modischer Brille, Kurzhaarfrisur, ließ er zunächst eine persönliche Einlassung zum Tatvorwurf von seinem Wahlverteidiger Marc Durchon verlesen, Pflichtverteidiger ist wie im ersten Verfahren Bernd Scharinger. Anschließend beantwortete er Fragen des Gerichts persönlich, so jene nach seiner Besorgnis wegen der Trennungsabsicht seiner Frau.
Es sollen auch wieder Zeugen gehört werden