Kunstpreis des Bezirks geht an „Kuhflüsterer“
Kultur Kühe und ein Didgeridoo-Alphorn – der neue Kunstpreisträger des Bezirks Schwaben hat ein außergewöhnliches Projekt gestartet. Und es ist noch nicht vorbei
Oberschönenfeld Er hat eigens ein Mischinstrument geschaffen, das die Eigenschaften von Alphorn und Didgeridoo kombiniert. Der am Dienstagabend in der Schwäbischen Galerie Oberschönenfeld gekürte neue Kunstpreisträger des Bezirks Schwaben, Jonas Maria Ried, will Traditionen des 19. Jahrhunderts und Heutiges miteinander kombinieren. Er spielt sein Instrument auch. Doch seine Zuhörerinnen sind außergewöhnlich. Es handelt sich nämlich um Kühe. Was der „Kuhflüsterer“mit seinem neuen Projekt bezwecken möchte und warum es die Jury als preiswürdig erachtet.
„Mein jetziger Wohn- und Arbeitsort Weitnau im Allgäu ist geprägt von der bäuerlichen Landwirtschaft“, erklärte Jonas Maria Ried im Gespräch mit unserer Redaktion. Kühe sind allgegenwärtig. Die Weiden und Futterwiesen, der Geruch und die Geräuschkulisse prägen das Landschaftsempfinden. Da Kühe ein sehr sensibles Gehör besitzen und Geräusche im Ultraschallbereich wahrnehmen können, kam dem 32-jährigen Künstler die Idee für ein Projekt: „Ich besuche mit einem eigens gebauten, vier Meter langen und auf Kühe abgestimmten Mischinstrument aus Alphorn und Didgeridoo verschiedene Ställe.“
Dabei unterbricht er den zyklischen Tagesablauf von Bauern und Kühen. Ein tiefer Ton mit einer Frequenz von 52 Hertz erfüllt die Ställe, die zu individuellen Klangkörpern werden. „Es hat sich herausgestellt, dass die Tiere auf diese Frequenz ansprechen, ich den ,Kuhton‘ getroffen habe, also ein Kuhflüsterer bin.“Der intime Ort Kuhstall wird zur Kulisse für ihn als Performer. Wie sich die Kühe verhalten, bleibt offen.
Jonas Maria Ried möchte hier die Sehnsüchte und Vorstellungen vom ländlichen Raum ansprechen, umdeuten und hinterfragen. Die Romantiker hätten im Zuge der auf
kommenden Folklore das ursprünglich als Signalhorn verwendete Instrument als Regional- und Nationalsymbol wiederentdeckt. Bis heute würden auf Berg, Wald und Wiesen die Landschaft und das heimatliche Idyll „besungen“. „Ich greife mit meinem zwittrigen Alphorn diesen Funktionswandel auf und gehe nun wieder in die Interaktion.“
Bei seinen Besuchen in bisher zwei Ställen hätten die Kühe unterschiedlich reagiert. Manche seien beinahe in Trance verfallen, andere brummten, sodass ein eigentümlich dröhnendes Klanggewebe entstanden sei. Weitere zehn bis 15 Ställe möchte er so noch bespielen. Seine Auftritte zeichnet er mit der Videokamera auf, die fest an einem Platz im jeweiligen Stall aufgestellt wird und Ried in den Mittelpunkt rückt. Die Kühe in ihren Boxen bilden
gleichsam das Spalier, ihre Reaktionen sind auf den Videos zu erkennen. So greift der Künstler laut eigener Worte die Landschaftsmalerei der Romantik auf, die in ihren Darstellungen Innenräume auch aus einer zentralen Perspektive heraus gestaltete.
Durch die Gegenüberstellung der Videos will Ried die Dynamik und die Reaktion der Kühe studieren und anschließend eine passende Form der Präsentation herausarbeiten, die dann in einer Ausstellung in Oberschönenfeld gezeigt werden soll. „Bis jetzt weiß ich allerdings noch nicht, wie diese am Ende aussehen wird“, räumt er ein. „Da viele kleine Betriebe, die ich besuche, stark vom Strukturwandel betroffen sind und in letzter Generation betrieben werden, fließen sicher auch Erfahrungen aus den Gesprächen
mit den Bauern in die Arbeit mit ein.“
Stellvertretender Bezirkstagspräsident Alfons Weber ging auf die Geschichte des mit 15.000 Euro dotierten Kunstpreises ein, der seit 1966 im Wechsel alle zwei Jahre entweder an junge Künstler oder für das Gesamtwerk eines Künstlers oder einer Künstlerin vergeben wird. „Gegenwartskunst kann die Wahrnehmung dessen, was auf der Welt geschieht, schärfen“, so Weber. Jonas Maria Ried wolle die Situation des ländlichen Raums ansprechen und umdeuten.
Laudator Thomas Elsen, der die Bewertung der Jury erläuterte, betonte: „Rieds Kunst ist sehr offen, was er tut, ist einer Form sozialer Intervention, aber nicht nur mit dem Menschen, sondern auch im Gespräch mit Tieren.“Besonders gefallen habe der Jury Rieds Zitat: „Antrieb für mich ist, dass die Kunst mehr weiß als ich.“Was Ried mache, „ist nicht skurril – auf anderer Ebene gehen Wissenschaftler auch zu den Tieren und erforschen ihr Verhalten“, so Elsen weiter. Ried sei ein vielversprechender Künstler. „Der Preis ist daher auch ein Vertrauensvorschuss.“
Jonas Maria Ried wurde im Jahr 1989 in München geboren. Von 2009 bis 2012 machte er eine Ausbildung zum Holzbildhauer in Garmisch-Partenkirchen und besuchte von 2021 bis 2020 die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Zuletzt hatte er ein Stipendium der Stiftung Kunstfonds. Er war seit 2014 an zahlreichen Gemeinschaftsausstellungen beteiligt und gestaltete auch eigene Ausstellungen.