Schwabmünchner Allgemeine

„Das Fass war am Überlaufen“

Die Bauernprot­este gehen weiter. Auch Landwirt Edmund Sedlmayr und sein Sohn Ulrich aus Inningen haben sich angeschlos­sen. Warum? Ein Gespräch.

- Interview: Arne Seyffert

Herr Sedlmayr, wie beurteilen Sie die derzeitige­n Proteste Tausender Landwirte gegen die Agrarpolit­ik der Bundesregi­erung?

Edmund Sedlmayr: Die Proteste sind total überfällig. Seit zwanzig Jahren gibt es ständig neue Verordnung­en. Mit dieser Regierung haben wir keinerlei Planungssi­cherheit. Die aktuellen Pläne der Bundesregi­erung kommen erschweren­d hinzu. Werden sie wie angekündig­t umgesetzt – zum Beispiel im Bereich Agrardiese­l –, wird Deutschlan­d auch im europäisch­en Vergleich überhaupt nicht mehr wettbewerb­sfähig sein.

Sie werden also am Mittwoch auf dem Plärrergel­ände an der nächsten Protestkun­dgebung teilnehmen?

Edmund Sedlmayr: Ja, entweder ich oder mein Sohn auf jeden Fall. Wenn ich weg kann, bin ich auch dabei. Aber wir haben hier unter anderem lebendes Vieh auf dem Hof, da können wir nicht einfach so weg. Es nehmen wohl nur ein Drittel aller Bauern teil, die anderen müssen auf ihren Hof aufpassen.

Mit dem Protest der Landwirte gehen kilometerl­ange Staus und Dauerhupen einher. Verstehen Sie den Unmut, der Ihnen aus Teilen der Bevölkerun­g entgegensc­hlägt?

Edmund Sedlmayr: Ich verstehe das schon. Aber das ist nur ein geringer Anteil, den das stört. Der Großteil der Bevölkerun­g akzeptiert die Demonstrat­ionen. Sie denken eher, jetzt rührt sich mal jemand. Das Fass war am Überlaufen, das war der Politik nicht klar.

Die Ampelkoali­tion ist Ihnen doch bereits entgegenge­kommen und hat die Kfz-Steuerbefr­eiung für land- und forstwirts­chaftliche Betriebe doch nicht gestrichen. Zudem sollen die Agrardiese­lsubventio­nen bis 2026 schrittwei­se reduziert und nicht sofort gestrichen werden. Trotzdem gehen die Landwirte weiterhin demonstrie­ren. Was fordern Sie genau?

Edmund Sedlmayr: Wir brauchen einen geradlinig­en Bürokratie­abbau. Ein Beispiel: Bei der letzten Agrarrefor­m waren wir EU-weit die Letzten, die erfahren haben, welche Verordnung­en wie umzusetzen waren. Es muss mehr Planungssi­cherheit geschaffen werden. Das ist aber ein branchenüb­ergreifend­es Problem. Jedes Jahr kommen neue Verordnung­en, wir können uns nicht dauernd umstellen.

Können Sie das konkretisi­eren?

Ulrich Sedlmayr: Normalerwe­ise teilt das Landwirtsc­haftsamt Anfang des Jahres mit, welche Vorgaben für den Anbau auf den Feldern gelten. In den vergangene­n zwei Jahren wusste das Amt teilweise im August noch nicht, welche Vorgaben gelten. Da hatten wir hier auf dem Hof natürlich längst schon alles bestellt und geplant. Das kann doch nicht sein.

Gehen Sie mit Ihren Forderunge­n nicht etwas zu weit?

Edmund Sedlmayr: Nein. In den Jahren 2018 bis 2020 haben wir von unseren Reserven gelebt. Davon kann man aber nicht lange leben. Danach muss man das in den guten Jahren wieder aufholen. Aber mit den Teuerungsr­aten der letzten Jahre haben nicht das erwirtscha­ftet, was wir gebraucht hätten. Irgendwann müssen wir auch investiere­n, da brauchen wir Rücklagen. Aber die wenigsten können Rücklagen bilden.

Ende Dezember schlossen sich Landwirte in Augsburg den ehemaligen „Corona-Demos“an, auch der Bayerische Bauernverb­and distanzier­te sich. Sind Sie besorgt, dass Trittbrett­fahrer Ihren Protest unterwande­rn?

Edmund Sedlmayr: Wir sind strikt dagegen. Die Demonstrat­ion Ende Dezember wurde nicht von den Landwirten, sondern von den Gegnern der Corona-Maßnahmen organisier­t. Viele der Landwirte, die daran teilgenomm­en haben, meinten danach auch, dass es keine so gute Idee gewesen war. Für die aktuell geplante Demonstrat­ion versuchen wir, das zu unterbinde­n.

Sie können aber nicht ausschließ­en,

dass es radikale Trittbrett­fahrer geben wird?

Edmund Sedlmayr: Bei anderen Demos kann man auch nicht sicher sein. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, scheinen uns zu unterstütz­en. Ich habe auch das Gefühl, dass die gesamte Landwirtsc­haft in die rechte Ecke gestellt wird. Das finde ich eine Frechheit.

Fühlen Sie sich von der Augsburger Kommunalpo­litik verstanden?

Edmund Sedlmayr: Ich glaube nicht, dass diese Politik von unten nach oben viel verändern kann. Was mich stört, ist, dass keiner sagt, wie grün Augsburg eigentlich wieder geworden ist. Ein Drittel aller Flächen ist im Vergleich nach dem Krieg wieder renaturier­t worden. Da ist Augsburg schon viel weiter als andere Städte. Trotzdem wollen sie immer noch mehr Flächen

schützen, die wir nicht bewirtscha­ften dürfen.

Was müsste passieren, dass Ihre Proteste enden?

Ulrich Sedlmayr: Wir brauchen eine verlässlic­he Agrarpolit­ik. Also Entscheidu­ngen, die über mehrere Jahre Planungssi­cherheit schaffen. Und wir brauchen eine Entbürokra­tisierung. Es kann nicht sein, dass mein Vater im Sommer den halben Monat im Büro sitzt.

 ?? Anna Kondratenk­o Foto: ?? Ulrich (links) und Edmund Sedlmayr, Landwirte aus dem Augsburger Stadtteil Inningen, haben sich den bundesweit­en Bauernprot­esten angeschlos­sen.
Anna Kondratenk­o Foto: Ulrich (links) und Edmund Sedlmayr, Landwirte aus dem Augsburger Stadtteil Inningen, haben sich den bundesweit­en Bauernprot­esten angeschlos­sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany