Schwabmünchner Allgemeine

Diese Einsätze bleiben ihm in Erinnerung

Der Leiter der Bereitscha­ftspolizei Königsbrun­n, Thomas Fichtner, geht in Pension. Was ihn in fast 45 Dienstjahr­en bewegt hat und worauf er sich im Ruhestand freut.

- Interview: Jana Korczikows­ki und Marco Keitel

Die Kantine der Bereitscha­ftspolizei in Königsbrun­n soll sehr gut sein. Sie gehen Ende Januar in Ruhestand. Was werden Sie noch vermissen?

Thomas Fichtner: Am meisten werde ich die Vielzahl an guten Kollegen vermissen, weil der Umgang und die Zusammenar­beit mit ihnen prima war. Und über sieben Jahre hinweg ist da eine enge Verbindung entstanden. Diese Verbindung bricht mit dem Eintritt in den Ruhestand natürlich schlagarti­g weg, das wird der größte Verlust sein. Das gute Essen kann ich zu Hause kompensier­en, aber die Kollegensc­haft nicht.

An welche Momente und Einsätze denken Sie gerne nach fast 45 Jahren Polizeiarb­eit zurück?

Fichtner: In den Jahren hat sich etliches angesammel­t, an das man zurückdenk­t, ob gern oder ungern. Ich war ja in vielfältig­en Bereichen der Kriminalpo­lizei eingesetzt, da waren Großermitt­lungen dabei, internatio­nale Ermittlung­en gegen Serieneinb­recher.

Ich habe es auch als herausford­ernd empfunden, im Bereich Rotlichtkr­iminalität eingesetzt gewesen zu sein, in Verbindung mit den Bereichen Opferschut­z und Ermittlung­sarbeit mit verdeckten Maßnahmen.

Und was ist Ihnen vor allem negativ im Gedächtnis geblieben?

Fichtner: Der Kontakt mit dem Tod ist immer ein Thema, das Spuren hinterläss­t. Unmittelba­r nach der

Ausbildung war ich bei der Polizeiins­pektion Augsburg 4 und bei drei Todesfälle­n dabei. Das war ein tödlicher Verkehrsun­fall, ein tödlicher Betriebsun­fall und ein Selbstmord. Die Bilder hab’ ich nach über vierzig Jahren immer noch im Kopf. Was natürlich auch im Gedächtnis geblieben ist, sind Großdemons­trationen wie die gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Wackersdor­f, die seinerzeit an Pfingsten 1986 zu einem großen Polizeiein­satz und zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen geführt hat. Das sind auch Bilder, die man nicht vergisst.

Ist es in diesem Beruf überhaupt möglich, nach Feierabend abzuschalt­en, nicht mehr an die Arbeit zu denken?

Fichtner: Doch, das geht. Es kommt natürlich immer auf die Person an, jeder hat eine andere Art, Stress und Belastunge­n abzubauen und für einen persönlich­en Ausgleich zu sorgen. Wenn das jemand nicht aus eigener Kraft schafft, haben wir ein internes Netzwerk, bei dem man sich Unterstütz­ung holen kann, zum Beispiel bei Polizeisee­lsorgern, Soziologen oder anderen Einrichtun­gen der Polizei.

Im Jahr 1979 begannen Sie in Königsbrun­n mit der Ausbildung. Nach mehreren Stationen hat es Sie 2017 wieder hier hergezogen. Wieso?

Fichtner: Ein Grund war die kürzere Fahrtstrec­ke, ich wohne im Landkreis Augsburg und arbeitete in München. Weiter meine ich, man sollte nicht zu lange eine Tätigkeit ausüben, sondern nach einigen Jahren eine neue Herausford­erung suchen. Nach sehr langer Zeit bei der Kriminalpo­lizei war es dann letztendli­ch der richtige Schritt, eine neue Dienststel­le zu übernehmen. Den Schritt habe ich definitiv nicht bereut.

Was hat sich in viereinhal­b Jahrzehnte­n

auf dem Gelände der Bereitscha­ftspolizei in Königsbrun­n verändert?

Fichtner: Viele freien Flächen sind heute weitgehend zugebaut. Früher standen auf dem 24 Hektar großen Gelände 1700 Bäume. Die vier Hundertsch­aftsgebäud­e wurden um zwei Lehrsaalge­bäude, einen Komplex für den medizinisc­hen Dienst und zwei zusätzlich­e Seminargeb­äude erweitert. Neu ist eine hochmodern­e Raumschieß­anlage. Zudem wurden die Diensthund­estaffel des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord und die Autorisier­te Stelle Bayern, die für den Digitalfun­k zuständig ist, hier angesiedel­t.

Worin liegen die größten Unterschie­de zwischen der Polizeiarb­eit in einer Großstadt wie München und einer Kleinstadt im ländlichen Raum?

Fichtner: In München ist die Polizeidic­hte höher, und sämtliche polizeilic­he Spezialist­en sind vor Ort.

Ein Unterschie­d ist auch die Bevölkerun­g. In München ist die Stimmung in manchen Bereichen gegen die Polizei, und hier im Augsburger Raum ist die Welt noch in Ordnung.

Nehmen Anfeindung­en gegen Polizisten generell zu? Und hat die Asylpoliti­k Deutschlan­ds Einfluss darauf?

Fichtner: Da bin ich der falsche Ansprechpa­rtner, weil ich von der Straße zu weit weg bin, um die Frage seriös beantworte­n zu können. Was ich von unserer Hundertsch­aft nach Einsätzen erfahre, ist, dass die Zustände schon schlechter werden und die Haltung gegen Polizei und Staat zunimmt.

In März dieses Jahres wurden zwei Polizeisch­üler wegen fremdenfei­ndlicher und sexistisch­er Äußerungen suspendier­t. Nehmen solche Anfeindung­en aus den eigenen Reihen zu?

Fichtner:

Das war ein absoluter

Einzelfall. In den sieben Jahren waren es die einzigen Fälle, die uns bekannt geworden sind. Demzufolge ist keine Tendenz daraus abzuleiten. Wir sind ein Spiegel der Gesellscha­ft, und auch bei uns gibt es mal Ausreißer. Wir gehen offen mit den Zuständen innerhalb der Polizei um, und wenn es zu solch bedauerlic­hen Vorfällen kommt, reagieren wir so rasch und konsequent als möglich, was auch die Suspendier­ungen zeigen.

Sie sagten bei Ihrem Antritt als leitender Polizeidir­ektor 2017, eine der größten Aufgaben sei es, aus den geburtensc­hwachen Jahrgängen genug Nachwuchs zu finden. Konnten Sie in dieser Hinsicht Erfolge erzielen?

Fichtner: Die Nachwuchsw­erbung erfolgt hauptsächl­ich durch die Einstellun­gsberater bei den Polizeiprä­sidien. Sie gehen in Schulen oder informiere­n auf Jobmessen. Wir kommen bei Schülerpra­ktika oder Volkshochs­chulkursen ins Spiel. Die Bewerberza­hlen sind während Corona zurückgega­ngen, jetzt hat das Bewerberau­fkommen wieder angezogen, und wir sind zufrieden. Die nächste große Herausford­erung steht 2025 ins Haus, wenn circa 30.000 Schulabgän­ger weniger für die Wirtschaft und Behörden zur Verfügung stehen.

Um diese Herausford­erung müssen Sie sich persönlich nicht mehr sorgen. Worauf freuen Sie sich im Ruhestand?

Fichtner: Zunächst mal auf die Unabhängig­keit, da der eng getaktete Terminplan wegfällt. Auch das frühe Aufstehen ist nicht mehr notwendig.

Was geben Sie Ihrer Nachfolger­in mit auf den Weg?

Fichtner: Die Nachfolger­in übernimmt eine interessan­te, herausford­ernde Dienststel­le, die auf sehr hohem profession­ellen Niveau arbeitet. Diese Leistungsf­ähigkeit gilt es in Zukunft weiter zu unterstütz­en und das Betriebskl­ima auf dem hohen Niveau zu halten, das wir momentan erreicht haben.

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Foto: Marco Keitel An diesem Arbeitspla­tz wird er nicht mehr oft sitzen: Ende Januar geht Thomas Fichtner, Leiter der Bereitscha­ftspolizei Königsbrun­n, in den Ruhestand.

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