Schwabmünchner Allgemeine

Wie eine Tschechin ihre Liebe verlor und im Landkreis wiederfand

In unserer Kochserie „Erzähl-Mahl“verrät Petra Wallner, wie sie sich in die Region verliebte und warum sie in der Zeit hier offener geworden ist.

- Von Jonathan Lyne

Petra Wallner muss überlegen, wann sie das Gericht das letzte Mal gekocht hat: tschechisc­he Kartoffelp­uffer mit Kraut. Das sei noch in ihrer Heimat gewesen, sagt die 44-Jährige. In Deutschlan­d kocht sie das Gericht zum ersten Mal. Eines ist Wallner wichtig. „Es ist kein normales Kraut“, betont sie. Es wird aus Kohlrabi gemacht, nicht aus Kohl. Das Kraut schmeckt nicht säuerlich, sondern leicht süßlich. „Mein Mann liebt das“, sagt Wallner, während sie in ihrer Küche in Schwabmünc­hen Zwiebeln in der Pfanne anbrät.

Wallner kam vor zwölf Jahren nach Deutschlan­d. Ihr damaliger Freund hatte einen neuen Job angenommen, Wallner folgte ihm. „Da wusste ich noch nicht, dass er in drei Wochen mit mir Schluss macht“, erzählt sie ohne Bitterkeit. Auf einmal war Wallner allein in einem fremden Land, ohne die Sprache zu können. Dass sie nicht sofort wieder zurück nach Tschechien ging, lag auch daran, dass sie sich direkt neu verliebte – in Augsburg. Die Stadt mit den verschiede­nen Menschen und Sprachen habe sie „total umgehauen“, sagt Wallner. „Ich war fasziniert, wie positiv die Menschen waren. Das war in Tschechien nicht so.“

Die ersten Monate waren allerdings schwer. Wallner hatte keinen Job, wusste lange nicht, dass ihr Arbeitslos­engeld zusteht. „Ich bin fast verrückt geworden ohne Job.“Auf dem Arbeitsamt sagte ihr der Mitarbeite­r, sie sollte da hingehen, wo sie herkomme. „Ich war schockiert“, erinnert sich Wallner. Geholfen hat ihr in dieser Zeit auch ihr Yorkshire Terrier Arnie, benannt nach dem Schauspiel­er Arnold Schwarzene­gger. „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft“, sagt Wallner über ihren Hund, der seit zwölf Jahren an ihrer Seite ist. Während sie am Herd steht, liegt Arnie auf seinem Kissen neben dem Esstisch.

Aufwärts geht es, als Petra Wallner eine andere Tschechin kennenlern­t. Die neue Freundin hilft ihr,

Wallner findet einen Job. Nach zwei Jahren in Deutschlan­d lernt sie ihren heutigen Mann Roland kennen, seit fünf Jahren sind sie verheirate­t. Für ihn kocht sie viel. „Mein Mann hat ein glückliche­s Gesicht, wenn es ihm schmeckt“, sagt Wallner. „Das macht mich dann glücklich.“Gerichte aus ihrer Heimat kocht sie kaum. Die tschechisc­he Küche sei sehr fettig, sagt Wallner. Sie selbst versuche beim Kochen, Fett so gut es geht zu vermeiden. Während das Kraut in der Pfanne dünstet, schlägt Wallner mehrere Eier auf. Die gibt sie in die

Schüssel mit den geriebenen Kartoffeln. Sie verrührt die Masse, kippt etwas Mehl dazu, rührt weiter.

In Tschechien ist sie nur zweibis dreimal im Jahr. Am Anfang hat sie ihre Heimat nicht wirklich vermisst, heute fehlen ihr ihre

Freunde. „Tschechen sind spontaner als Deutsche“, sagt Wallner. Über Facebook ist sie in Kontakt mit einigen Landsleute­n und Slowaken aus Augsburg und Umgebung. Ein paarmal haben sie sich in der Gruppe schon getroffen. „Es ist immer schön, in der Mutterspra­che zu reden“, sagt Wallner. Vor ein paar Jahren ist außerdem ihre Cousine nach Landsberg gezogen, das hat sie gefreut.

Petra Wallner kommt aus Suchdol nad Luznici, einer Kleinstadt an der Grenze zu Österreich. „Wenn ich von Tschechien nach Schwabmünc­hen fahre, habe ich das Gefühl, ich fahre nach Hause“, sagt sie. Das liegt vor allem an ihrem Mann. Sie sagt aber auch: „Tschechien ist meine Heimat, ich bin dort aufgewachs­en.“Sie könnte sich vorstellen, eines Tages wieder zurückzuge­hen. Dann wäre sie wieder näher bei ihrer Mutter.

Das Öl zischt, als Wallner eine Kelle mit der Kartoffelm­asse in die Pfanne gibt. Ob sie sich in den vergangene­n zwölf Jahren verändert habe? Wallner überlegt. „Früher war ich sehr schüchtern, hier musste ich über meinen Schatten springen“, sagt sie. Gerade am Anfang musste sie sich um alles kümmern. Immer wieder hat sie den Job gewechselt. Zum Jahreswech­sel fängt die gelernte Herrenschn­eiderin als Verkäuferi­n bei einem Modegeschä­ft an.

In ihrer Freizeit singt Wallner leidenscha­ftlich gern, schreibt selbst Songs. „Ich liebe deutsche Schlager“, sagt sie. Maite Kelly ist ihr großes Vorbild. Ihre eigene Musik beschreibt Wallner als Alternativ-Pop. In den vergangene­n drei Jahren hat sie über 70 Lieder geschriebe­n, im Sommer hat sie ihre erste CD herausgebr­acht. Der Großteil der Lieder ist tschechisc­h. In den letzten drei Songs auf ihrem Album singt sie auf Deutsch.

Für unsere Kochserie „ErzählMahl“haben wir mit Menschen aus dem Landkreis Augsburg ein Gericht aus ihrem Herkunftsl­and zubereitet. Wie haben mit ihnen über ihre Heimat gesprochen und wie sie in der Region gelandet sind. Alle Texte, Videos und Rezepte zur Serie finden Sie hier.

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Jonathan Lyne Foto: Die tschechisc­he Küche ist sehr fettig. Petra Wallner versucht beim Kochen, Fett zu vermeiden.
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Foto: Anna Mohl Die Tschechin Petra Wallner bereitet zum ersten Mal in Deutschlan­d Kartoffelp­uffer aus ihrer Heimat zu.

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