Streit um Bobinger Altlasten jetzt vor dem Landgericht
Die Stadt hat Jahre nach einem Grundstücksgeschäft eine Frau und ihre Söhne verklagt. Es geht um über 700.000 Euro.
Müssen eine Frau und ihre beiden Söhne über 700.000 Euro für Altlasten auf Grundstücken zahlen, die sie vor knapp elf Jahren an die Stadt Bobingen verkauft hatten? Darum geht es in einem Streitfall, der seit dieser Woche am Landgericht in Augsburg verhandelt wird. Die Stadt Bobingen hatte die Grundstücksverkäufer verklagt.
Dreh- und Angelpunkt ist eine Klausel im Notarvertrag zum Verkauf der Grundstücke. Geschlossen wurde er 2013. Ingrid Berché und ihr Bruder hatten den elterlichen Hof für Pferde- und Ackerwirtschaft und Grundstücke am Stadtrand und neben dem bereits entstandenen Baugebiet Point IV geerbt. Sie wollten verkaufen. Deshalb klopfte Ingrid Berché bei der
Stadt an und bat um ein Angebot. Das lag zunächst bei 140.000 Euro für die Grundstücke mit einer Fläche von rund 16.000 Quadratmeter.
Nachdem sich ihre beiden Söhne eingeschaltet hatten, stieg das Angebot um mehr als das Doppelte: Für 340.000 Euro wurde der Grundstückseigenbetrieb der Stadt neuer Eigentümer. Im ersten Vertragsentwurf hieß es, dass die Verkäufer drei Jahre lang haften müssen, wenn im Boden Verunreinigungen entdeckt werden. Diese Klausel wurde dann offenbar für den zweiten Entwurf abgeändert: Statt drei waren es nunmehr 30 Jahre.
Vor der Vertragsunterzeichnung beim Notar sei die Bedeutung der Klausel nicht besprochen worden, sagte die Verkäuferin vor Gericht. Auch der Notar hätte darüber nicht aufgeklärt. Über die
Änderung habe sie sich dann auch keine Gedanken gemacht. Schließlich sei sie davon ausgegangen, dass im Gelände keine Altlasten stecken. Als sie auf dem Hof aufgewachsen war, wurde ein immer wieder kontrollierter Brunnen auf dem Grundstück genutzt, bei dem es nie Verunreinigungen gegeben habe. Auch ihre beiden Söhne – sie waren wie die „Jungfrau zum Kinde“zu der Erbengemeinschaft gekommen – hatten sich keine Gedanken gemacht. Sie seien nur froh gewesen, dass „das Thema durch ist“. Die Anwälte der Stadt legte in der Verhandlung eine Mail des früheren Stadtkämmerers an den Notar vor. Darin heißt es, dass man mit den Verkäufern so verblieben sei, dass sie im Nachhinein festgestellte Bodenverunreinigungen beseitigen oder für die Kosten aufkommen müssten.
Der frühere Stadtkämmerer und der damalige Bürgermeister sollen nun angehört werden. Die Söhne von Ingrid Berché könnten sich eine gütliche Lösung des Rechtsstreits durch eine Zahlung im Bereich von 100.000 Euro vorstellen. Dies sei aber kein Eingeständnis, sagte ihr Rechtsanwalt Jochen
Müller. Ein Entgegenkommen seiner Mandantin sei wirtschaftlich nicht möglich, sagte Anwalt Detlef Seif. Sollte sie am Landgericht zur Zahlung der Sanierungskosten verurteilt werden, dann würde sie in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, sagte er bereits vor der Verhandlung. Sie müsste Privatinsolvenz anmelden.
Vielleicht wären ihre wirtschaftlichen Verhältnisse anders, wenn sie 2013 einen anderen Preis für die Grundstücke verlangt hätte, so Seif. Doch sie wusste angeblich nicht von den Plänen der Stadt, dass aus den landwirtschaftlichen Flächen einmal Bauland werden sollte. Rechtsanwalt Seif geht davon aus, dass die Stadt für die jetzt zu einem Baugebiet entwickelten Flächen seiner Mandantin Kaufpreise in Höhe von rund 3,8 Millionen Euro aufrufen werde.