Schwabmünchner Allgemeine

So greift die Ampel in die Rentenkass­e

Politik zu Lasten der Beitragsza­hler? Gewerkscha­ften und Union sind empört.

- Von Rudi Wais

Mit ihren Sparmaßnah­men bringt die Ampelkoali­tion jetzt auch die Gewerkscha­ften gegen sich auf. Die Entscheidu­ng, den geplanten Bundeszusc­huss an die gesetzlich­e Rentenvers­icherung um 600 Millionen Euro jährlich zu kürzen, stößt beim DGB auf erbitterte­n Widerspruc­h. „Unsozialer kann man ein Finanzieru­ngsloch im Bundeshaus­halt nicht stopfen“, kritisiert­e Vorstandsm­itglied Anja Piel gegenüber unserer Redaktion. Statt endlich große Vermögen und Erbschafte­n zu besteuern und die Schuldenbr­emse zu reformiere­n, kalkuliere die Ampel mit den Beiträgen der Rentenvers­icherten.

Die Rücklagen der Rentenkass­e aber seien keine Sparkasse der

Bundesregi­erung für schlechte Zeiten, warnte Grünen-Mitglied Piel. „Wer sie angreift, nimmt bewusst zukünftige Rentenkürz­ungen in Kauf.“Sobald die Rücklage aufgebrauc­ht sei, müssten die Beitragsza­hler die Löcher mit einem höheren Beitragssa­tz stopfen.

Ein Sprecher von Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) wies die Kritik an den Kürzungspl­änen zurück. „Diese Minderunge­n sind angesichts des Konsolidie­rungsdruck­s im Bundeshaus­halt verkraftba­r.“, betonte er auf Anfrage. Die mittelfris­tige Beitragsst­abilität in der gesetzlich­en Rentenvers­icherung sei dadurch nicht gefährdet.

Der CSU-Sozialexpe­rte Stephan Stracke warf der Ampel dagegen vor, sie missbrauch­e die Rentenvers­icherung als Selbstbedi­enungslade­n, um ihren verfassung­swidrigen Haushalt zu sanieren. „Damit sind die arbeitende­n Beitragsza­hler die Dummen“, betonte er gegenüber unserer Redaktion.

„Denn sie sind es, die durch höhere Beiträge diesen Griff in die Kassen ausgleiche­n müssen.“Die gesetzlich­e Rente brauche jedoch Solidität und Verlässlic­hkeit, und diese sicherten nicht zuletzt die Bundeszusc­hüsse

Im Moment sitzen die gesetzlich­en Rentenkass­en noch auf Rücklagen von 44 Milliarden Euro, die allerdings bald aufgebrauc­ht sein werden, wenn die geburtenst­arken Jahrgänge der Sechzigerj­ahre in Rente gehen. Ob der gegenwärti­ge Beitragssa­tz von 18,6 Prozent dann noch wie geplant bis 2026 oder 2027 gehalten werden kann, ist ungewiss. Bereits im Jahr 2022 hatte die Bundesregi­erung mehrere Sonderzahl­ungen von jeweils 500 Millionen Euro an die Rentenvers­icherung wieder storniert, nun kürzt sie die Bundeszusc­hüsse für die Jahre 2024 bis 2027 um jeweils 600 Millionen Euro. Diese Zuschüsse sind unter anderem dazu gedacht, nicht durch Beiträge gedeckte Leistungen wie die Mütterrent­e, Kindererzi­ehungszeit­en oder den Rentenzusc­hlag für langjährig Versichert­e mit niedrigen Einkommen zu finanziere­n. Im vergangene­n Jahr addierten sie sich auf 113 Milliarden Euro.

Insgesamt summiere sich der von der Rentenvers­icherung zur Haushaltsk­onsolidier­ung erbrachte Betrag inzwischen auf über 6,8 Milliarden Euro, rechnet die Deutsche Rentenvers­icherung in einer Stellungna­hme für den Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s vor, der an diesem Donnerstag in der sogenannte­n Bereinigun­gssitzung letzte Hand an den Haushalt für das laufende Jahr legt. „Diese Mittel fehlen in den kommenden Jahren zur Dämpfung des demografis­ch bedingten finanziell­en Belastungs­anstiegs in der Rentenvers­icherung.“Die mittelfris­tig zu erwartende Anhebung des Beitragssa­tzes werde deshalb stärker ausfallen müssen. Bisher kalkuliert die Bundesregi­erung für das Jahr 2030 mit einem Beitragssa­tz von 20,2 Prozent und im Jahr 2036 mit 21,3 Prozent.

„Unsozialer kann man ein Loch nicht stopfen.“

Anja Piel, DGB

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