Schwabmünchner Allgemeine

Wie viel Eiweiß ist gesund?

Brot, Pudding oder Aufschnitt: Im Supermarkt gibt es immer mehr Lebensmitt­el mit der Aufschrift „High Protein“. Durch erhöhte Anteile sollen sie gesünder sein. Das sagen Fachleute dazu.

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Der Schlüssel zu einer gesunden Ernährung und schlanken Figur soll eine kohlenhydr­atarme und eiweißreic­he Ernährung sein. Kein Wunder also, dass Lebensmitt­el mit „High Protein“-Label beliebter werden. Sie bieten extra viel Eiweiß und gelten deshalb als gesünder, sind dafür aber teilweise auch dreimal so teuer. Bringt dieser Aufpreis einen entspreche­nden Mehrwert? Ein Faktenchec­k:

• Behauptung Eine erhöhte Eiweißzufu­hr ist zu empfehlen.

• Bewertung Expertinne­n und Experten sind skeptisch.

• Fakten Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) rät Erwachsene­n, etwa 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewi­cht zu sich zu nehmen – geschlecht­sunabhängi­g. Für einen 70 Kilogramm schweren Menschen wären das etwa 56 Gramm Eiweiß pro Tag. Bei Menschen über 65 Jahren seien es geschätzt 1,0 Gramm pro Kilo.

Es ist auch sinnvoll, ungefähr diese Mengen mit der Nahrung zu essen, weil Eiweiß lebenswich­tig ist. Es wird im Körper zersetzt, der dann damit wieder etwa Muskeln, Enzyme und Antikörper produziert.

Die empfohlene­n Mengen erreichen Deutsche meist ohnehin durch eine ausgewogen­e Ernährung. Die mit zusätzlich­em Eiweiß versetzten Lebensmitt­el brauche es für eine optimale Zufuhr nicht, erklärt Susanne Klaus, Professori­n am Deutschen Institut für Ernährungs­forschung (Dife) PotsdamReh­brücke. Denn nach ihren Worten essen Menschen in Deutschlan­d fast doppelt so viel Proteine wie die DGE empfiehlt.

Erwachsene Breitenspo­rtler, die vier bis fünf Mal je Woche 30 Minuten bei mittlerer Intensität trainieren, benötigen laut DGE keine zusätzlich­e Proteinmen­ge. Menschen, die aufgrund ihres Alters oder durch Leistungss­port einen höheren Proteinbed­arf hätten, könnten ihn über herkömmlic­he proteinrei­che Lebensmitt­el decken.

Eine Proteingab­e durch spezielle Nahrungser­gänzungsmi­ttel (Supplement­s) sei lediglich bei Sportlern in Phasen mit besonders intensiven oder neuen Trainingsi­nhalten sinnvoll sowie bei gewissen Lebensmitt­elunverträ­glichkeite­n.

Die Ernährungs­expertin Dagmar von Cramm weist außerdem darauf hin, dass besonders die falschen Menschen zu viel Eiweiß essen – nämlich junge Männer, die es gar nicht unbedingt benötigten. Bei älteren Menschen könne eine erhöhte Eiweißzufu­hr hingegen gegen altersbedi­ngten Muskelabba­u helfen.

Ob eine erhöhte Zufuhr für gesunde

Erwachsene generell schädlich werden kann, ist der DGE zufolge unklar. Demnach gibt es Beobachtun­gen, die zeigen, dass sogar drei- bis viermal so viel Protein, wie eigentlich empfohlen, unschädlic­h sein kann. Allerdings könne nicht abschließe­nd gesagt werden, ob so eine hohe Zufuhr über eine längere Zeit komplett ohne negative Auswirkung­en bleibt. Weiter schreibt die DGE, dass Menschen, die deutlich mehr Proteine essen, auch ausreichen­d trinken sollten. Denn beim Proteinabb­au entstehe unter anderem Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschie­den wird. Deshalb könne zu viel Eiweiß bei Menschen mit eingeschrä­nkter Nierenfunk­tion auch zu weiteren Nierenschä­den führen.

Dass die Deutschen so viel Eiweiß essen, liegt der DGE zufolge vor allem am hohen Fleischkon­sum sowie der Neigung zu anderen tierischen Produkten. Gesünder wäre es, Proteine mithilfe von pflanzlich­en Lebensmitt­eln einzunehme­n, wie Professori­n Klaus sagt. Als besonders eiweißreic­h gelten beispielsw­eise Linsen, Bohnen und Soja.

Denn viele tierische Lebensmitt­el enthalten Zutaten, die nicht unbedingt gesund sind: „Gerade, wenn ich zum Beispiel Wurst esse, ist da sehr viel tierisches Fett drin und das hat wenig oder gar keine

Omega-3-Fettsäure „ also diese essenziell­en gesunden Fettsäuren“, erklärt Klaus.

Ähnlich verhält es sich bei einigen Protein-Produkten. Ernährungs­expertin von Cramm sagt, dass „High Protein“-Produkte täuschen können, wenn sie versteckte Kalorien, Zucker oder Fett enthalten. Dazu komme, dass die meisten dieser Lebensmitt­el um ein Vielfache teurer seien. Cramm rechnet vor: 100 Gramm Proteinpor­ridge mit 28 Gramm Eiweiß kosteten 1,40 Euro, 100 Gramm Haferflock­en mit 13 Gramm Eiweiß aber nur 0,20 Euro.

Die Ernährungs­expertin weist darauf hin, dass man locker auch ohne spezielle Protein-Produkte und sogar ohne Fleisch auf den jeweiligen

Auch ohne spezielle Produkte ist der Bedarf laut Experten locker zu decken.

Proteinbed­arf kommen könne: „Ofenkartof­feln mit Quark enthalten circa 25 Gramm Protein. Zwei Scheiben Vollkornbr­ot mit Erdnussmus 15 Gramm, 150 Gramm gegarte Linsen 14 Gramm. Ein Mensch, der 68 kg wiegt, hätte hiermit seine 54 Gramm Eiweiß am Tag erreicht.“Dife-Professori­n Klaus hält die High-Protein-Produkte nach eigenen Aussagen meist für einen Marketing-Trick: „Das Wort ‚Hoch-Protein‘ ist ja auch nicht in irgendeine­r Weise geschützt oder genau definiert.“

Aus marktwirts­chaftliche­r Sicht könne man ganz allgemein sagen, dass die Entwicklun­g neuer Produkte mit (hohen) Kosten verbunden sei, sagt Marlen Haß vom Thünen-Institut für Marktanaly­se. „Gleichzeit­ig haben die Konsumente­n offenbar eine höhere Zahlungsbe­reitschaft für diese Produkte, da sie den Produkten einen höheren Nutzen zuschreibe­n.“(Oliwia Nowakowska, dpa)

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Foto: Gregor Tholl, dpa Es gibt immer mehr Produkte mit einem hohen Eiweißgeha­lt.

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