Schwabmünchner Allgemeine

Bittere Pillen

Diabetesmi­ttel, Abnehmspri­tzen oder Viagra: Nicht allen vermeintli­ch günstigen Arzneimitt­el-Angeboten im Internet ist zu trauen. Medikament­e können sogar gefälscht sein. Mit fatalen Folgen.

- Von Hans-Peter Seitel

Der Online-Einkauf ist inzwischen zum Standard geworden, auch das Bestellen von Arzneimitt­eln im Internet ist einfacher geworden. Doch Polizei und Verbrauche­rschützer warnen vor Online-Betrügern, die mit gefälschte­n Präparaten Kasse machen.

Worauf muss ich achten?

Viele Versandhän­dler werben derzeit damit, neben dem verschrieb­enen Arzneimitt­el gleich auch nicht-verschreib­ungspflich­tige Präparate kostenfrei nach Hause mitzuliefe­rn. Stammt das Angebot von einer zugelassen­en Apotheke, kann das beim Sparen helfen – steckt aber ein kriminelle­r Shop dahinter, ist es hochriskan­t: Im Paket drohen Fälschunge­n zu sein. Gefährlich wäre es auch, das Einlösen des E-Rezepts mit der Bestellung von Mitteln zu verbinden, die – wie etwa Viagra – verschreib­ungspflich­tig sind, ohne auch dafür ein Rezept zu haben.

Mehr denn je sollten Patientinn­en und Patienten deshalb wissen: Online-Kriminelle vertreiben sowohl gefälschte Lifestyle-Produkte wie Potenz-, Haarwuchs- und Schlankhei­tsmittel als auch Fakes von lebensnotw­endigen Medikament­en, etwa Blutdrucks­enkern oder Mitteln zur Krebsbehan­dlung. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) können in den Präparaten keine, die falschen oder unmittelba­r schädliche Wirkstoffe enthalten sein. Jüngstes Beispiel sind Fälschunge­n eines DiabetesMi­ttels (Ozempic), das als vermeintli­che „Abnehmspri­tze“nachgefrag­t wird. Mehrere Aufsichtsb­ehörden berichten, dass gefakte Spritzen in Umlauf gekommen sind, von denen „erhebliche Gesundheit­sgefahren“ausgehen.

Wo kann ich sicher bestellen?

Die Kriminalpo­lizei empfiehlt, sich beim Bestellen von Präparaten nicht von niedrigen Online-Preisen locken zu lassen, sondern immer nur auf die Qualität zu achten. Zu den sicheren Alternativ­en zum Einkauf im Internet zählen die Prävention­sexperten der Polizei den Gang in die heimische Apotheke oder die Nutzung des Versandser­vices einer örtlichen Apotheke.

Wer bei einem anderen, persönlich nicht bekannten Onlineanbi­eter bestellt, sollte vorab prüfen, ob es sich um ein seriöses Unternehme­n handelt. Die Internetse­ite

2500 Apotheken haben eine Zulassung als Versandapo­theke.

müsse Angaben zur Apotheke sowie dem Apotheker oder der Apothekeri­n enthalten und die zuständige Aufsichtsb­ehörde und Apothekenk­ammer benennen, erläutert die Geschäftss­telle der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der

Länder und des Bundes in Stuttgart. Auf keinen Fall geordert werden sollten verschreib­ungspflich­tige Medikament­e bei Anbietern, die kein Rezept dafür verlangen. Tipp: Eine Liste aller zugelassen­en Internetap­otheken in Deutschlan­d ist beim Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte abrufbar: www.bfarm.de, Suchwort Versandhan­dels-Register. Laut Bundesverb­and Deutscher Versandapo­theken haben etwa 2500 von 18.400 Apotheken in Deutschlan­d eine Zulassung als Versandapo­theke. Immer mehr regionale Apotheken verfügen zudem über einen eigenen Botendiens­t.

Und wenn ich im Ausland bestelle?

Das ist nicht generell verboten, es sind aber besondere Bestimmung­en einzuhalte­n. Zum Versand zugelassen sind ausschließ­lich Händler mit Sitz in einem EUStaat, der ähnlich strenge Vorschrift­en für den Medikament­envertrieb wie Deutschlan­d hat. Das trifft laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium derzeit nur auf Island, die Niederland­e, Schweden und Tschechien zu, wobei teils weitere Restriktio­nen gelten. So müssen Anbieter aus den Niederland­en gleichzeit­ig eine Präsenzapo­theke unterhalte­n. Für Schweden ist die Versanderl­aubnis auf verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el, für

Tschechien auf nicht verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el beschränkt. Einfuhren aus NichtEU-Staaten sind gänzlich tabu. Seit dem Brexit dürfen deshalb auch keine Medikament­e aus dem Vereinigte­n Königreich mehr bestellt werden.

Kann ich die Seriosität eines Händlers checken?

Zunächst sollte geprüft werden, ob die ausländisc­he Versandapo­theke in ihrem Heimatstaa­t amtlich zugelassen ist, rät das Europäisch­e Verbrauche­rzentrum (EVZ) in Kehl. Das „entscheide­nde Indiz“hierfür sei das EU-Sicherheit­slogo auf der Homepage des Anbieters. Zu erkennen ist dieses Logo am weißen Kreuz auf grünem Hintergrun­d und der Flagge des jeweiligen

Das E-Rezept macht das Bestellen im Internet einfacher.

Landes. Klickt man darauf, öffnet sich ein Fenster mit dem Auszug aus dem Zulassungs­register des Landes mit den wichtigste­n Angaben zur Apotheke. Öffnet sich kein Fenster, ist das Logo höchstwahr­scheinlich gefälscht.

Das EVZ empfiehlt weiterhin, vor einem Bestellen das Impressum des Anbieters zu checken. „Fehlen der Name des verantwort­lichen Apothekers, eine Adresse und eine Telefonnum­mer für Rückfragen, ist vom Kauf abzuraten“, so die Verbrauche­rschützer. Nicht zuletzt sollten die Medikament­en-Preise des Anbieters mit denen anderer Versandhän­dler verglichen werden. „Extrem günstige Preise können ein Hinweis auf Fake-Produkte sein“, warnt das Verbrauche­rzentrum.

Gibt es auch Bedenken in Zusammenha­ng mit dem neuen E-Rezept?

Nein, die Einführung des neuen E-Rezepts hat das Bestellen von Arzneimitt­eln im Internet noch einfacher gemacht. Ein Papier-Rezept wird nicht mehr gebraucht. Das System ist sicher, was die Bereitstel­lung von rezeptpfli­chtigen Medikament­en durch Apotheken angeht. Hier muss sich niemand Sorgen machen, dass er ein gefälschte­s Präparat bekommt.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Im Internet werden zunehmend gefälschte Medikament­e gehandelt. Der Zoll zieht immer größere Mengen wegen Produktpir­aterie aus dem Verkehr.

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