Die Angst vor der Halle und noch mehr Lärm
Auf Königsbrunner Flur will Unternehmer Bernd Siegmund bauen. Das sorgt für Proteste im benachbarten Oberottmarshausen. Anwohner fürchten um ihre Lebensqualität.
Lärm gehört in Oberottmarshausen zum Alltag. Regelmäßig pfeift die Bahn, wenn sie die Übergänge im Westen und Süden des Dorfs passiert. Je nach Windrichtung ist der B17-Verkehr stärker und schwächer zu hören. In der Luft dröhnen die Flugzeuge, die auf dem Nato-Flugplatz Lechfeld starten und landen. Nicht zu vergessen die Lastwagen, die die Ortsdurchfahrt nehmen. Der Lärmpegel könnte sich in Zukunft noch erhöhen, befürchten Anwohner. Hintergrund ist der geplante Erweiterungsbau der Firma Siegmund.
Der Spezialist für Schweißtische will wachsen. 30 Meter hoch soll die Halle in Sichtweite von Oberottmarshausen werden. Zwischen Siegmund und der östlichen Ortsgrenze liegen schätzungsweise 300 Meter. Dazwischen verläuft die vierspurige B17, die Tag und Nacht von Tausenden Fahrzeuge benutzt wird. Anwohner befürchten, dass das neue Siegmund-Gebäude den
Verkehrslärm reflektieren könnte. „Bei Ostwind ist es jetzt schon unerträglich“, sagt Anwohnerin Brigitte Weissinger. Zum Beweis führt sie auf den Balkon ihrer Wohnung im ersten Stock. Von dort sieht sie genau auf das bestehende Firmengebäude von Siegmund. Dazwischen liegt die römische Via Claudia und hinter den gestutzten Sträuchern und Bäumen die B17. Die Geräuschkulisse der Autos ähnelt einem monotonen Rauschen, immer wieder unterbrochen von den Motorgeräuschen PS-starker Autos. Denn auf Höhe von Oberottmarshausen endet die Tempobeschränkung in Fahrtrichtung Augsburg. Jeder darf mal aufs Gaspedal drücken und beschleunigen.
„Warum wird das Tempolimit nicht einfach verlängert“, fragt Claudia Goetzke. Sie hat in den vergangenen Tagen bunte Sorgenwürmchen aus Wolle gehäkelt und mit einer Karte in Säckchen gesteckt. Die Würmer verteilt sie. So will sie auf das Lärmproblem aufmerksam machen. Ihre Nachbarin Brigitte Weissinger kopiert Formblätter für Einwendungen zur nötigen Änderung des Flächennutzungsplans. Sie verteilt die Papiere und gibt sie auf Wunsch weiter. Darauf kann jeder Betroffene seine Sorgen und Ängste festhalten. Die Einwendungen gehen dann an die Stadt Königsbrunn. Sie ist Herrin des Verfahrens und muss am Ende abwägen. „Man muss jedem erklären, worum es geht“, sagt Claudia Goetzke. Deshalb hat sie auch zu einer kleinen Info-Runde mit Nachbarn eingeladen.
Auf ihrem Wohnzimmertisch steht ein Modell, das ein Königsbrunner Stadtrat gebaut hat. Es soll die Dimension des Bauprojekts verdeutlichen. Das Grundstück auf Königsbrunner Flur, das der Firma Siegmund bereits gehört, ist 20.000 Quadratmeter groß. Mehr als die Hälfte sollen die beiden geplanten Gebäude, die Halle im Westen auf Seite der Bundesstraße und das etwas niedrigere Bürogebäude auf einem Parkdeck im östlichen Bereich zur Landsberger Straße, einnehmen. 30 Meter hoch soll der Bau werden und an den bestehenden Firmensitz anschließen. Die Kirche von Oberottmarshausen
misst 27 Meter. Ursprünglich hätte die Halle 40 Meter hoch sein sollen. Aber der Königsbrunner Bauausschuss war sich im November einig: Mehr als 30 Meter sind nicht drin.
Brigitte Weissinger spricht sich gegen den Bau aus. „Es gibt doch Industriegebiete, wo so ein Bau hingehört.“Angeblich sei das Areal, auf dem Siegmund seine
Firmenzentrale errichtet hatte, früher nur für Kleingewerbe vorgesehen gewesen. Mangels Nachfrage habe der Unternehmer dann den Zuschlag bekommen, so Weissinger. Ein weiteres Argument, das sie gegen den Bau anführt: die Verschattung. Laut Rechnungen würden Oberottmarshauser durch den geplanten Bau weniger Morgensonne für ihre Fotovoltaikanlagen bekommen. Claudia Goetzke sieht durch die Halle das Dorfbild zerstört. Vom Landschaftsbild gar nicht zu sprechen. Anwohner Leo Kine befürchtet, dass der reflektierte B17-Straßenlärm künftig noch weiter westlicher im Dorf zu hören sein könnte.
Der Lärmpegel reicht vielen Oberottmarshausern jetzt schon. Bei geöffneten Fenstern sei nachts an keinen Schlaf zu denken. Claudia Goetzke hat die Gartensitzecke hinters Haus verlegt. „Man kann sonst nicht mehr draußen sitzen“, sagt sie. Ob sie mit ihrem Hund eine Gassirunde dreht, müsse sie von der Geräuschkulisse abhängig machen. „Das ist ein Angsthund. Bei Lärm habe ich keine Chance“, sagt Goetzke.
Sie und andere Nachbarn wollen jetzt auch eine Unterschriftensammlung starten. Sie wünschen sich außerdem ein Gespräch mit Firmeninhaber Bernd Siegmund. Die Anwohner wollen ihm ihre Sorgen und Ängste verdeutlichen. Der Unternehmer soll seine Vorstellungen darlegen. „Oder am besten gleich eine Lärmschutzwand bauen“, sagt Claudia Goetzke.
Der Lärmpegel reicht schon jetzt vielen Anwohnern.