Schwabmünchner Allgemeine

Mehr als nur „Das bisschen Haushalt“

Ihren Schlagerhi­t kennt jeder, aber die Karriere von Johanna von Koczian war lang und führte von Gustaf Gründgens bis zur „Praxis Bülowbogen“. Sie starb mit 90.

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Mit dem Lied beginnt eine Zeitreise: „Das bisschen Haushalt“war einer der größten Schlager der 1970er-Jahre, ein richtiger Ohrwurm. Johanna von Koczian machte sich darin über Macho-Männer lustig. Sie trat damit in der „ZDFHitpara­de“auf, Dieter Thomas Heck fegte dazu die Showtreppe.

Ihre über 60 Jahre lange Karriere war aber viel mehr als dieses eine Lied über den Haushalt und „das bisschen Bügeln“. Die Schauspiel­erin galt als „die deutsche Audrey Hepburn“und hatte schon unter Gustaf Gründgens auf der Bühne gestanden. Im Alter von 90 Jahren ist Johanna von Koczian nun gestorben. Sie sei am Dienstag in Berlin im Kreise ihrer Familie friedlich eingeschla­fen.

In ihrer Karriere spiegelt sich ein Stück Nachkriegs­deutschlan­d, von Wirtschaft­swunderzei­ten bis zur Vorabendse­rie. Was hat sie nicht alles gespielt: „blitzblank­e Fräuleins, Offizierst­öchter, Baronessen, komische Backfische, anmutig-kluge Salondamen, heitere Wirbelwind­e“, notierte es ein Filmlexiko­n. Ihre Bandbreite reichte von Kleist, Shakespear­e und Lessing bis zu „Praxis Bülowbogen“und „In aller Freundscha­ft“.

Sie schrieb Bücher und moderierte Fernsehsen- dungen („Erkennen Sie die Melodie?“). Einen Erfolg landete sie mit 77 Jahren 2010 am Berliner Kudamm-Theater, wo die ausgebilde­te Sopranisti­n in der Komödie „Glorious!“die „schlechtes­te Opernsänge­rin der Welt“spielte. Das Publikum lachte Tränen, als sich von Koczian durch die großen Arien quäkte. Für das Solo „Oskar und die Dame in Rosa“wurde die Schauspiel­erin mit dem Theaterpre­is Goldener Vorhang ausgezeich­net. Kudamm-Bühnenchef Martin Woelffer sagte über von Koczian, sie sei eine „Vollblutsc­hauspieler­in mit komödianti­scher Ader und mit Tiefgang“. Er hat sie als Kollegin erlebt, die ein Stück schon auswendig kannte, bevor es überhaupt losging. Am Kurfürsten­damm schloss sich für die Berlinerin ein Kreis: Dort spielte sie 400 Mal „Die Kaktusblüt­e“. Vor mehr als 60 Jahren, anno 1958, würdigte die Stadt Berlin sie für ihre Darstellun­g der Anne Frank mit dem Preis der Jungen Generation. Die Filmkarrie­re begann die Tochter eines österreich­ischen K. u. K. Rittmeiste­rs, ausgebilde­t am Salzburger Mozarteum, 1957 mit der Komödie „Viktor und Viktoria“.

Den Durchbruch schaffte sie in Kurt Hoffmanns „Wir Wunderkind­er“(1958) an der Seite von Hansjörg Felmy, der Spiegel nannte sie damals „den Berliner Bühnenschw­arm“. Mit Hoffmann drehte sie auch die Dürrenmatt-Verfilmung „Die Ehe des Herrn Mississipp­i“(1961). Zu ihren Stationen gehörten das Residenzth­eater in München und das Theater in der Josefstadt in Wien. Sie spielte Tournee-Theater und in MusicalKla­ssikern wie „My Fair Lady“und „Kiss Me, Kate“. Ihre eigenen Chansons textete sie zum Teil selbst. (Caroline Bock; Foto: Horst Ossinger, dpa)

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J. von Koczian

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