Mit Haut, Haaren und Federn
Kaum einer kennt sie: Eine der bedeutendsten Vogel-Sammlungen im süddeutschen Raum kommt von zwei Menschen, die ihre Spuren im ganzen Landkreis hinterlassen haben.
Ustersbach/Königsbrunn Er gehört zu den bedeutendsten Sammlern von Vögeln und Insekten im süddeutschen Raum: Anton Fischer. Was vielen nicht bekannt ist: Seine Leidenschaft, die heute der Forschung dient, hatte ihre Wurzeln im Augsburger Land.
Die Recherche beginnt mit einem Fernsehbeitrag: In der Reihe Handwerkskunst stellt Tierpräparator Steffen Lässle vom Stuttgarter Naturkundemuseum seinen Beruf vor. In der Sammlung des Museums zieht er das Schubfach eines Schranks auf, in dem Dutzende „Balge“lagern: So heißt die gegerbte Haut mit Federn und Haaren eines Tiers. Am Waldkauz in der Plastiktasche hängt ein Zettel. Darauf sind Name des Sammlers, der Fundort und das Funddatum notiert: A. Fischer, Burgwalden bei Bobingen, 1928.
Steffen Lässle erklärt, wie wichtig die historischen Balge sind:
Dank ihnen können die Wissenschaftler verfolgen, wie sich Vogelpopulationen entwickelt haben. Auf die Ornithologie, die Vogelkunde, kam Anton Fischer in jungen Jahren. Geboren wurde er 1876 in Zusmarshausen. Seine Eltern betrieben dort eine Schreinerei. Mit sechs Jahren nahmen ihn seine Tante und sein Onkel in Augsburg auf. Sie unterstützten ihn und unternahmen Ausflüge. Mit dabei hatten sie ein Schmetterlingsnetz und eine sogenannte Botanisierbüchse. Dort hinein kamen gefangene Schmetterlinge und Käfer, die dann tot, mit gewöhnlichen Stecknadeln aufgespießt in Zigarrenkisten wanderten. Das Interesse für größere Tiere entdeckte der kleine Anton in Ustersbach.
Mit Tante und Onkel unternahm er einen Ausflug zur Brauerei. An einer Wand der Wirtsstube entdeckte der Bub Dutzende Rehgeweihe und präparierte Vögel. Er war so begeistert davon, dass er den Wirt so lange anbettelte, bis er ihm zwei Vögel mitgab: eine Wasserralle
und einen Steinkauz. Als Realschüler lernte er dann das Präparieren von Tieren. Premierenexemplar war das Fell eines Wildkaninchens. Fischer nutzte später jede Minute seiner Freizeit, um mehr das Handwerk zu perfektionieren.
Seine Sammlung präparierter Tiere wurde größer und größer. Der Postbeamte präsentierte sie bald bei Ausstellungen. Zur Jahrhundertwende umfasste sie schon 300 Vögel. Es wurden noch mehr: 500 Exemplare und dazu noch eine Eiersammlung überließ er der Zoologischen Staatssammlung in München. Dafür erhielt der Postinspektor und Vogelforscher die silberne Medaille „Bene merenti“der Akademie der Wissenschaften. Auch seine Vogelbalgsammlung wurde immer größer. Deshalb war er gezwungen, die Tierüberreste an Museen abzugeben. Die Staatssammlung in München profitierte, aber auch das Naturkundemuseum Stuttgart, dass rund 6000 Tiere erhielt. Das Staatliche Museum
für Naturkunde hat heute noch rund 2000 Vogelpräparate/ Gelege, die Anton Fischer beziehungsweise sein Sohn Heinz zusammengetragen hatten. „Darunter ist auch Material aus Übersee, zum Beispiel von Dr. Heinz Fischer“, weiß die Kuratorin der Ornithologie am Museum, Dr. Friederike Woog. Die Fischer-Exemplare kamen übrigens nicht nur aus Übersee. Sie wurden auch nach Übersee verfrachtet: 2000 bis 3000 Tiere gingen zum Beispiel an das Field Museum in Chicago.
Fischers Leidenschaft sprach sich herum. Im Augsburger Museum lernte er den Ingenieur Hans Pohl kennen, der auf einer Plantage auf Sumatra arbeite. Er ließ sich von Fischers Begeisterung anstecken und schickte ihm in einer zwei Meter langen Kiste ein abgezogenes Krokodil.
Die Kiste war nicht mit Holzwolle, sondern mit Tabakbündeln gepolstert, was den Zöllner zu etwas Großzügigkeit bewegte. Fischer erhielt immer mehr Tiere aus aller Welt und wurde zu einem gefragten Ratgeber. Er wurde auch zum wertvollen Vermittler für neue Kostbarkeiten, die dann im Augsburger Museum gezeigt wurden. Fischer machte auch Neuentdeckungen.
Sohn Heinz Fischer trat später in die Fußstapfen seines Vaters, der zeitlebens einen großen Beitrag für das Archiv des Lebens geleistet hatte. Die umfangreiche Sammlung des Naturforschers Dr. Heinz Fischer (1911 -1991) bildete den Grundstock für das Königsbrunner Naturmuseum, das der Flora, Fauna und Geologie des Lechfelds gewidmet ist.
In Fritz Wohlfarth, dem früheren Bürgermeister von Königsbrunn, fand er einen Unterstützer. Fischers wissenschaftlicher Nachlass umfasst rund 100 Regalmeter, darunter Fachliteratur, Forschungsdokumentationen, Zettelkästen, Manuskripte, Korrespondenzen und ein umfangreiches Fotoarchiv sowie rund 1300 Insektenkästen.