„Kein sicherer Unterschlupf zu erreichen“
Zwei Jahre Krieg in der Ukraine, unendlich viele Schicksale. Wie es den Geflüchteten in unserer Region ergeht und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Kateryna Makartsova stammt ursprünglich aus Odessa, seit dem Ukrainekrieg lebt sie in einer Gemeinde auf dem Lechfeld. Sie berichtet über den Krieg, ihr früheres Leben in der Ukraine und ihre Ankunft in Deutschland: „Ich war mein ganzes Leben lang in Odessa und ich hatte so ein schönes Leben“. Odessa, ist eine große Hafenstadt am Schwarzen Meer, die im Zentrum von Bomben-Angriffen steht. An schwierigen Tagen, beispielsweise wenn neue Kriegsnachrichten eintreffen, denkt Makartsova an schöne Momente wie den Familienurlaub, um sich zu trösten. „Jeden Sommer sind wir mit meiner Tochter ans Schwarze Meer gefahren“, erzählt sie. Sie denkt an den frischen Fisch, den es dort zu kaufen gebe und der mit Tomaten, Brot und gezuckertem Tee gegessen wird. Makartsova resümiert: „Jetzt können wir nie mehr dort schwimmen, weil so viele Bomben im Meer versunken sind.“In der Ukraine war Markatsova 23 Jahre lang als Englischlehrerin tätig. Jetzt lebt sie auf dem Lechfeld.
Makartsova erzählt, wie es war nach Deutschland zu kommen: „Wir sind hierhergekommen und konnten kein Wort Deutsch verstehen. Aber mir ist eine gute Ausbildung für meine Tochter wichtig“, deshalb seien sie geblieben. Denn in der Ukraine sei das nicht mehr möglich. Viele Schulen, Universitäten und wissenschaftliche Forschungseinrichtungen seien zerstört. Zudem seien die Preise sehr hoch. Makartsova hat seit ihrer Ankunft in Deutschland fleißig Sprachkurse an der Volkshochschule belegt. Sie sagt: „Sprachen zu lernen, hilft mir.“Sie weiß aber auch, dass das manchen Frauen, die immer bei der Familie zu Hause waren, schwerer fällt als ihr.
Für die Zukunft wünscht sie sich „eine feste staatliche Stelle, weil ich finanziell abgesichert sein möchte. Ich bin eine alleinerziehende Mutter.“Ihre Beraterin vom Jobcenter hilft ihr dabei. Die Hilfsbereitschaft sei sehr groß. Schön wäre es, wenn der Weg nach Augsburg kürzer wäre oder es eine Mitfahrgelegenheit gebe.
Konstantin Lyutov aus Schwabmünchen ist dankbar: „Deutschland hat viel für uns gemacht.“Seit 2022 ist Lyutov mit seiner Frau und den beiden Kindern in Schwabmünchen. Sie stammen aus der ostukrainischen Millionenstadt Dnipro. Vor Kurzem wurde dort die Geburtsklinik bombardiert und zerstört, erzählt er und zeigt ein Video davon. In Dnipro hätten er und seine Frau, die Ingenieurin ist, ein eigenes Fotoatelier gehabt.
Warum die Familie nach Deutschland gekommen ist? Das hat neben den Kindern und dem Krieg etwas mit Lyutovs Geburtsort zu tun: „Ich bin in Russland geboren, als es noch die Sowjetunion gab.“Seine Mutter habe damals in Russland gelebt und deshalb habe er einen russischen Pass. Sein Onkel kämpfe für die Ukraine, erzählt er. Seine Mutter hingegen sei in Moskau. „Ich habe seit dem Krieg nicht mehr mit ihr gesprochen“, sagt er. Viele Russen würden Putins Kriegsoffensive unterstützen. Seine Familie hingegen sei weltoffen: „In Dnipro gibt es Menschen aus Aserbaidschan und auch eine große Synagoge.“Lyutov erklärt: Die Ostukrainer sprächen zwar Ukrainisch und Russisch, wären deshalb aber noch lange keine Russen. In der Ukraine dürfe jeder frei seine Meinung sagen, resümiert er.
Am Anfang sei es schwer in Deutschland gewesen wegen der Sprache und weil sie keine Freunde gehabt hätten. Nun sei es viel besser. Die Kinder hätten deutsche Freunde gefunden und Lyutov unterhält sich gerne mit seiner Vermieterin. Auch die ukrainische Gemeinschaft stehe untereinander in engem Kontakt.
Für die Zukunft wünscht sich
Wunsch nach einer Ausbildung
Lyutov: „Ich möchte eine Ausbildung zum Lokführer machen. Ich möchte meine Familie gut ernähren können.“Um eine Arbeitszulassung vom Jobcenter zu bekommen, müsse er einen Sprachkurs auf B2-Niveau bestehen und eine Prüfung über Politik, Geschichte und Verfassung erfolgreich ablegen. Das dauere knapp zwei Jahre. Neben einem guten Job wünscht er sich, dass die Oma der beiden Kinder auch nach Deutschland komme.
Die Mutter von Natalia Borodina aus Königsbrunn ist schon in Deutschland, auch ihr Mann. Sie kommen aus der Westukraine. Borodina
erklärt, ihr Heimatort sei Raketenangriffen ausgesetzt, wegen eines nahe gelegenen Kraftwerks. Aber es gibt noch weitere Gründe, warum Borodina und ihr Mann im Juli 2022 nach Deutschland gekommen sind und ihre Mutter im November nachkam.
Borodinas Mann hat Krebs. Er kam in Deutschland gleich ins Krankenhaus. Natalia selbst sitzt im Rollstuhl. Beide benötigen Hilfe. Die bekommen sie von Borodinas Mutter. Borodina fragt: „Wie hätten wir jemals bei einem Angriff rechtzeitig einen sicheren Unterschlupf erreichen können?“Jetzt lebt die Familie in einem barrierefreien Mehrgenerationenhaus in Königsbrunn. In letzter Zeit machte Borodina der Mietvertrag Sorgen: „Eigentlich können wir nur bis März hier wohnen.“Die Caritas hat den Mietvertrag jetzt bis Ende März verlängert.
Beruflich hegt Borodina Hoffnungen: „In der Ukraine war ich Nachhilfelehrerin für Kinder. Jetzt möchte ich eine Ausbildung in der IT machen.“Ein Profil auf der Jobbörse LinkedIn habe sie schon. Und natürlich wäre ab Ende März eine neue barrierefreie Wohnung toll.