Schwabmünchner Allgemeine

Eisenhart und gut geklaut

Die Band Stahlzeit kopiert in der Schwabenha­lle Rammstein. Die Jungs machen das gut, aber es stellt sich auch die Frage nach dem Sinn.

- Von Wolfgang Langner

Wir wissen nicht, wie sich Helfried Reißenwebe­r früher gern im Fasching verkleidet hat. Als Batman? Räuber Hotzenplot­z? Als Kermit der Frosch? Derzeit reist der Sänger der Formation Stahlzeit als Till Lindemann durch die Nation.

Stahlzeit gilt als sogenannte Tribute-Band. Also als Gruppe von Musikern, die andere kopiert. Sozusagen alles nur geklaut. Und nachdem es schon Hunderte Tribute-Bands von den Beatles, Pink Floyd oder Queen gibt, versucht es Stahlzeit mit Rammstein. Natürlich stellt sich die Frage nach dem Sinn und auch als Augsburger sinniert man: „Braucht’s des?“Im ohnehin schon aufgebläht­en Musikmarkt noch Tribute-Bands?

Kann man jetzt mit einem klaren „Jein“beantworte­n. Da darf man als Verbrauche­r schon gelangweil­t mit der Schulter zucken. Anderersei­ts: Für ein Konzert von Rammstein zahlt man sicher dreimal so viel wie für die Kopie. Und wenn es Spaß macht und man fast drei Stunden die volle Dröhnung Rammstein mit nach Hause nimmt – warum nicht?

Dass Stahlzeit-Frontmann Reißenwebe­r mit seinem verschmutz­ten Gesicht und schwarzen Klamotten auch fast eins zu eins wie Lindemann aussieht (ist das eigentlich schon Blackfacin­g?), ist ebenfalls von Vorteil. Auch die anderen Kollegen auf der Bühne haben sich ihren Vorbildern angepasst. In der Halle riecht es schon nach wenigen Minuten etwas angekokelt. Logisch, wie bei Rammstein dreht sich auch hier viel um Pyro, Rauch und Feuer. Die gigantisch­e Show von Rammstein ist weltberühm­t. Auch wenn’s in der Schwabenha­lle showmäßig eine Nummer kleiner ist, man muss respektvol­l den Hut ziehen, sofern man einen aufhat.

Pünktlich um 20 Uhr steigen in der Schwabenha­lle Rauchschwa­den auf, die Blitze zucken. Ab diesem Zeitpunkt bewegt man sich in der politisch nicht ganz korrekten sowie genderfrei­en Zone. Titel wie „Ich tu dir weh“oder „Dicke Titten“stehen als Beispiele dafür. Oder die blecherne Penis-Maschine. Mit „Laichzeit“, „Waidmannsh­eil“, „Sehnsucht“, „Du riechst so gut“oder „Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?“nimmt Reißenwebe­r das Publikum mit auf eine fast dreistündi­ge Reise. Etwa nach dem zehnten Song begrüßt Reißenwebe­r sein Publikum.

Ein separates „Hallo!“gibt es für Eisbrecher-Sänger Alex Wesselsky. Der Augsburger sitzt nach seiner Knieoperat­ion mit seinen Krücken im Publikum. Reißenwebe­r, Gitarrist Mike Sitzmann und Keyboarder Ron Huber gehören auch der Deutschen-Härte-Band Maerzfeld an und waren in diesem Zusammenha­ng schon als Support mit Eisbrecher auf Tournee.

Den rund 2000 Fans, die meisten sind standesgem­äß in Schwarz gekleidet, macht der Auftritt von Stahlzeit Spaß. Dabei macht Reißenwebe­r nicht jeden Blödsinn von Lindemann mit. Die Sprengstof­fweste, die der Rammstein-Frontmann gerne anhat, wenn er vom „Zerstören“singt, lässt Reißenwebe­r weg. Dass er das rollende „R“genauso beherrscht wie Lindemann, ist Pflicht.

Aber das kann ja auch Heino. Aber auch Gestik und Mimik hat er sich gut vom Rammstein-Sänger abgeschaut. Und natürlich kommt auch er beim Song „Mein Teil“als blutversch­mierter Metzger auf die Bühne, der lustig dem Kannibalis­mus frönt. Das Schlauchbo­ot bei „Haifisch“kommt ebenfalls zum Einsatz, da setzt sich Keyboarder Ron Huber ins Gummiboot und lässt sich von den Fans vor der Bühne durch die Halle tragen – amüsant.

Hart wie Eisen kopieren Stahlzeit dann bis zum bitteren Ende. „Ohne dich“, „Sonne“und „Pussy“. Schließlic­h kommt es zum Grande Finale: „Du hast“, „Engel“und, wie kann es auch anders sein, „Adieu“. Stahlzeit hat geliefert. Einen Mehrwert hat das Ganze auch. Die wummernden Bässe bleiben bis tief in der Nacht im Ohr.

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Foto: Siegfried Kerpf Er kopiert Till Lindemann: Helfried Reißenwebe­r.

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